Art. 39 DMA ent­hält Vor­schrif­ten zur Zusam­men­ar­beit der Kom­mis­si­on mit natio­na­len Gerich­ten bei der pri­va­ten Rechts­durch­set­zung. Der Ver­ord­nungs­ge­ber nimmt hier Erfah­run­gen aus der kar­tell­recht­li­chen Ver­ord­nung 1/2003 auf. Es geht dabei im Grun­de um eine kohä­ren­te Rechts­pra­xis und die Wah­rung der loya­len Zusammenarbeit.

Hier eine kur­ze Übersicht:

Amicus Curiae

Gemäß Art. 39 Abs. 3 DMA kann die Kom­mis­si­on von Amts wegen eine schrift­li­che Stel­lung­nah­me den jewei­li­gen natio­na­len Gerich­ten eine schrift­li­che Stel­lung­nah­me über­mit­teln. Dies dient der kohä­ren­ten Anwen­dung der Ver­ord­nung. Das betref­fen­de Gericht kann ihm auch die Erlaub­nis zur münd­li­chen Stel­lung­nah­me ertei­len. Letz­te­res ist etwas unter­schied­lich zu § 90 Abs. 2 GWB, der auch die Befug­nis für Aus­füh­run­gen und Fra­ge­rech­te in den gericht­li­chen Ter­mi­nen vorsieht. 

Zum Zweck die­ser Betei­li­gung in dem zivil­ge­richt­li­chen Rechts­streit kann die Kom­mis­si­on das betref­fen­de Gericht ersu­chen, ihr alle not­wen­di­gen Schrift­stü­cke zu über­mit­teln. Außer­dem muss das Gericht für die Über­mitt­lung sor­gen. Das bedeu­tet, dass hier das jewei­li­ge Gericht dem Grund­satz der loya­len Zusam­men­ar­beit ent­spre­chend han­deln muss. Es darf sei­ne Über­mitt­lun­gen also nicht von einer zwin­gen­den vor­he­ri­gen Regis­trie­rung im EGVP-Sys­tem durch die Kom­mis­si­on abhän­gig machen.

Loyale Zusammenarbeit

Noch über die Ami­cus-Curiae-Rege­lung hin­aus gehen die Vor­schrif­ten loya­len Zusam­men­ar­beit in Art. 39 Abs. 1 und 2 DMA. Vor­ge­se­hen ist ins­be­son­de­re ein Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen den natio­na­len Gerich­ten und der Kom­mis­si­on. Gemäß Art. 39 Abs. 1 DMA kön­nen die natio­na­len Gerich­te die Kom­mis­si­on um Infor­ma­tio­nen oder Stel­lung­nah­men zu Anwen­dungs­fra­gen der Kom­mis­si­on bit­ten. Die­se Rege­lung steht auch im Zusam­men­hang mit dem Kohä­renz­ver­fah­ren in Art. 39 Abs. 5 DMA, wonach die Gerich­te kei­ne der Beschluss­pra­xis der Kom­mis­si­on zuwi­der­lau­fen­den Ent­schei­dun­gen tref­fen dür­fen. Um die­se sicher­zu­stel­len, muss die Kom­mis­si­on also umfang­reich mit­wir­ken und gege­be­nen­falls auf die Besei­ti­gung von Miss­ver­ständ­nis­sen hin­wir­ken. Sie soll sich mit ihrem Exper­ten­wis­sen in die gericht­li­chen Ver­fah­ren einbringen.

In die ande­re Sen­de­rich­tung geht Art. 39 Abs. 2 DMA. Hier ist die Pflicht der Mit­glied­staa­ten gere­gelt, der Kom­mis­si­on Kopien von Urtei­len zur Anwen­dung des DMA zu über­mit­teln. Die Anwen­dung des DMA kommt schon recht schnell in Betracht. Die Über­mitt­lung muss unver­züg­lich nach Zustel­lung erfolgen.

Koheränzverfahren

Noch ein­mal spe­zi­fi­scher wird es dann mit der Rege­lung in Art. 39 Abs. 5 DMA. Die­se sieht eine Bin­dungs­wir­kung von Kom­mis­si­ons­be­schlüs­sen in der Form vor, dass gericht­li­che Ent­schei­dun­gen die­sen nicht zuwi­der­lau­fen dür­fen. Dies mag auf den ers­ten Blick wie eine Druch­bre­chung der Gewal­ten­tei­lung wir­ken. Aller­dings spricht der DMA grund­sätz­lich aus­schließ­lich der Kom­mis­si­on die behörd­li­che Durch­set­zung zu, die dann durch den EuGH kon­trol­liert wird. Dies kann nach dem Sys­tem des DMA sich aber nur auf die Fest­stel­lun­gen von Gate­kee­per-Stel­lun­gen oder Ver­stö­ße gegen die zen­tra­len Ver­bo­te rich­ten. Dies soll vor­ran­gig ein­heit­lich ange­wen­det wer­den. Ent­spre­chend erleich­tert die­se Vor­schrift damit auch Fol­low-on-Kla­gen, indem sie eine Tat­be­stands­bin­dung vorsieht.

Ein Zuwi­der­lau­fen soll nach dem Wort­laut schon bei bloß “erlas­se­nen” Beschlüs­sen unter­bun­den wer­den. Dass dies kein Ver­se­hen ist, zeigt wei­ter­hin die Anord­nung, dass gericht­li­che Ent­schei­dun­gen auch nicht den Kom­mis­si­ons­ent­schei­dun­gen zuwi­der­lau­fen dür­fen, die die Kom­mis­si­on Ver­fah­ren nach dem DMA zu erlas­sen beab­sich­tigt. Not­falls muss das Gericht also das Ver­fah­ren aus­set­zen und die Ent­schei­dung der Kom­mis­si­on abwar­ten. Es darf jedoch wei­ter­hin Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren gemäß § 267 AEUV ein­lei­ten. Über die­se Rege­lun­gen wird sicher­ge­stellt, dass die Aus­le­gung und Anwen­dung des DMA euro­pä­isch ein­heit­lich gere­gelt wird.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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