Entschädigungspauschalen im Kundenschutz — eine kleine Übersicht

Mit dem neu­en TKG tra­ten zum 1.12.2021 eini­ge bis­lang unge­wohn­te Neu­re­ge­lun­gen zum Kun­den­schutz in Kraft, näm­lich zu Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len. End­nut­zer und Ver­brau­cher kön­nen in bestimm­ten fest­ge­leg­ten Fäl­len auf sehr ein­fa­che Wei­se eine pau­scha­li­sier­te Ent­schä­di­gung ver­lan­gen. Damit erhal­ten sie in die­sen Fäl­len deut­lich mehr Rechte.

Wo sind die Entschädigungspauschalen geregelt und welche gibt es?

  • § 58 Abs. 3 S. 2 TKG: Gemäß § § 58 Abs. 3 S. 1 TKG kön­nen Ver­brau­cher ab dem drit­ten Kalen­der­tag nach Ein­gang der Stö­rungs­mel­dung für jeden Tag des voll­stän­di­gen Aus­falls des Diens­tes eine Ent­schä­di­gung ver­lan­gen. Die­ser Anspruch besteht nicht, wenn der Ver­brau­cher die Stö­rung zu ver­tre­ten hat, die Dienste­un­ter­bre­chung auf gesetz­li­chen Maß­nah­men nach dem TKG beruht oder bei höhe­rer Gewalt. In Satz 2 wird die Höhe der Ent­schä­di­gungs­pau­scha­le festgelegt: 
    • am drit­ten und vier­ten Tag beträgt sie 5 EUR oder 10 % der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Monatsentgelte
    • ab dem fünf­ten Tag beträgt sie 10 EUR oder 20 % der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Monatsentgelte
  • § 58 Abs. 4 S. 1 TKGVer­brau­cher kön­nen zukünf­tig eigen­stän­di­ge Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len bei ver­säum­ten Kun­den­dienst- oder Instal­la­ti­ons­ter­mi­nen vom Anbie­ter ver­lan­gen. Dabei gilt eine Pau­scha­le in Höhe von 10 EUR oder 20 % des ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Monatsentgeltes.
  • § 59 Abs. 4 S. 1 TKGEnd­nut­zer kön­nen beim Anbie­ter­wech­sel für jeden wei­te­ren Arbeits­tag eine Ent­schä­di­gungs­pau­scha­le ver­lan­gen. Die­se beträgt jeweils 10 EUR oder 20 % des ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Monats­ent­gel­tes. Die­ser Anspruch besteht gegen­über dem abge­ben­dem, also ehe­ma­li­gen Anbie­ter. Eben­so kön­nen End­nut­zer Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len für ver­säum­te Kun­den­dienst- oder Instal­la­ti­ons­ter­mi­ne im Zusam­men­hang mit dem Anbie­ter­wech­sel gemäß § 59 Abs. 4 S. 2 TKG ver­lan­gen. Die­ser Anspruch gilt gegen­über dem Anbie­ter, mit dem der Ter­min ver­ein­bart wurde.
  • § 59 Abs. 6 S. 3 TKGEnd­nut­zer kön­nen gegen­über num­mern­ge­bun­de­nen inter­per­so­nel­len Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­ten bei ihrer Kün­di­gung die Ruf­num­mern­mit­nah­me bis zu einem Monat nach Ver­trags­en­de bean­tra­gen. Bei Anbie­tern öffent­lich zugäng­li­cher Mobil­funk­diens­te gilt dies ähn­lich, aller­dings kann der End­nut­zer die ihm zuge­teil­te Ruf­num­mer jeder­zeit mit­neh­men. Erfolgt die Mit­nah­me und Akti­vie­rung nicht inner­halb des fol­gen­den Arbeits­ta­ges zum ver­ein­bar­ten Zeit­punkt, so kann der End­nut­zer eine Ent­schä­di­gung in Höhe von 10 EUR von dem Anbie­ter ver­lan­gen, der die Ver­zö­ge­rung zu ver­tre­ten hat.
  • § 60 Abs. 3 S. 2 TKG: Beim Umzug muss der Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst für den Ver­brau­cher am neu­en Wohn­sitz zum aus­drück­lich ver­ein­bar­ten Tag akti­viert wer­den. Erfolgt dies nicht, sind ent­spre­chend die Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len aus § 58 Abs. 3 TKG zum Ent­stö­rungs­an­spruch sowie aus § 59 Abs. 4 TKG zum Anbie­ter­wech­sel anwendbar.

Gibt es Gemeinsamkeiten?

All­ge­mein gilt bei allen Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len gleich, dass die Ver­brau­cher den jeweils höhe­ren Betrag ver­lan­gen kön­nen. Die Pau­scha­len berech­nen sich jeweils nach dem ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Monats­ent­gelt, wenn es sich um Ver­trä­ge mit gleich­blei­ben­dem monat­li­chen Ent­gelt han­delt. Dabei dürf­te es sich um alle Lauf­zeit­ver­trä­ge han­deln. Dar­über hin­aus kön­nen Ver­brau­cher wei­te­re Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che gel­tend machen, müs­sen die­se aller­dings kon­kret begrün­den. Die Ent­schä­di­gungs­pau­scha­le wäre dann anzu­rech­nen. All­ge­mein wird das Ver­tre­ten­müs­sen des Anbie­ters gesetz­lich ver­mu­tet. Er kann sich aber ent­las­ten, sofern er die Ver­ant­wor­tung des Ver­brau­chers nachweist.

Noch unklar ist, wel­ches kon­kre­te Monats­ent­gelt jeweils her­an­ge­zo­gen wird, wenn sich die­ses über eine Ver­trags­dau­er ver­än­dert. Es liegt nahe zu argu­men­tie­ren, dass es auf das für den betref­fen­den Monat ver­ein­bar­te Ent­gelt ankommt. Sofern die­ses auf Null rabat­tiert ist oder beson­ders nied­rig ist, greift aber die jeweils ers­te Alter­na­ti­ve, also der nicht-pro­zen­tua­le Anteil. Denn es soll nach dem Wort­laut der Vor­schrif­ten immer auf den Betrag ankom­men, der im kon­kre­ten Fall höher ist. Die Neu­re­ge­lun­gen brin­gen damit ein sehr schar­fes Kun­den­schutz­ver­ständ­nis zum Aus­druck, dass nah in die Rich­tung von Pöna­len geht.

All­ge­mein gel­ten die Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len nur zuguns­ten von Ver­brau­chern. Über § 71 ABs. 3 TKG gel­ten die Vor­schrif­ten aus § 60 TKG auch für Kleinst­un­ter­neh­men oder klei­ne Unter­neh­men sowie Orga­ni­sa­tio­nen ohne Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht, wenn die­se nicht wirk­sam die ver­brau­cher­schutz­recht­li­chen Vor­schrif­ten abbe­dun­gen haben. Beim Anbie­ter­wech­sel und der Ruf­num­mern­mit­nah­me kön­nen auch sons­ti­ge End­nut­zer Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len verlangen.

Was können die Entschädigungspauschalen noch bedeuten?

Die Rege­lun­gen zu Ent­schä­di­gungs­pau­scha­len im neu­en TKG gehen von einem Ver­tre­ten­müs­sen gegen­über dem jewei­li­gen End­nut­zer oder Ver­brau­cher aus. Die­se bezie­hen sich auf das jewei­li­ge Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen Anbie­tern und sei­nen jewei­li­gen Kun­den. Damit ist jedoch kei­ne Aus­sa­ge dar­über getrof­fen, wer im Ver­hält­nis zwi­schen Anbie­tern und ande­ren Unter­neh­men die Ver­ant­wor­tung über den jewei­li­gen Vor­fall trägt. Hier eröff­nen die Neu­re­ge­lun­gen über Pau­scha­len neu­en Raum für effek­ti­ve­re Regres­se etwa gegen­über Vor­leis­tungs­an­bie­tern. Denn der Anbie­ter könn­te die jewei­li­ge Ent­schä­di­gungs­pau­scha­le unmit­tel­bar als Scha­den gel­tend machen.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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