Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren bei Vorlageverfahren vor dem EuGH

Wenn ein Rechts­streit dem EuGH zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt wird, ist dies eine span­nen­de Erfah­rung für Rechts­an­wäl­te. Denn ein Auf­tritt in Luxem­burg kommt nicht jeden Tag vor. Dies ist schon für die meis­ten Rechts­an­wäl­te Anreiz genug für eine Teilnahme.

Aber ein der­ar­ti­ges Ver­fah­ren ist auch gebüh­ren­recht­lich inter­es­sant. Der EuGH ent­schei­det in sei­nen Ver­fah­ren nicht über die Kos­ten des Rechts­streits. Viel­mehr fin­det sich regel­mä­ßig fol­gen­de Klar­stel­lung am Ende sei­ner Vorabentscheidungen:

“Für die Betei­lig­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren Teil des beim vor­le­gen­den Gericht anhän­gi­gen Ver­fah­rens; die Kos­ten­ent­schei­dung ist daher Sache die­ses Gerichts. Die Aus­la­gen ande­rer Betei­lig­ter für die Abga­be von Erklä­run­gen vor dem Gerichts­hof sind nicht erstattungsfähig.”

Vgl. EuGH, Urt. v. 04.07.2023 — C‑252/21, Rz. 155

Die Ent­schei­dung über die Kos­ten ergeht also in dem Ver­fah­ren, wel­ches Aus­lö­ser für das Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren ist. Die Lösung fin­det sich in § 38 Abs. 1 S. 1 RVG. Hier­nach gel­ten in Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof die Gebüh­ren­vor­schrif­ten für das Revi­si­ons­ver­fah­ren in Teil 3 Abschnitt 2 Unter­ab­schnitt 2 des Ver­gü­tungs­ver­zeich­nis­ses nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG ent­spre­chend. Damit wer­den die­se Ver­fah­ren denen vor dem Bun­des­ge­richts­hof gleich­ge­stellt. Wegen sei­ner beson­de­ren Bedeu­tung wer­den die Vor­la­ge­ver­fah­ren gebüh­ren­recht­lich als eigen­stän­di­ger Rechts­zug behan­delt, sodass geson­der­te Gebüh­ren für die jeweils betei­lig­ten Rechts­an­wäl­te ent­ste­hen. Es han­delt sich also nicht um eine ein­heit­li­che gebüh­ren­recht­li­che Angelegenheit.

Die Selbst­stän­dig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens zeigt sich gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 RVG auch in der ent­spre­chen­den Anwen­dung des Gegen­stands­werts aus dem Rechts­streit, in dem vor­ge­legt wird. Die­ser Gegen­stands­wert wird von dem vor­le­gen­den Gericht gemäß § 38 Abs. 1 S. 3 RVG durch Beschluss fest­ge­setzt. Dafür ist wegen § 38 Abs. 1 S. 4 RVG i.V.m. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG ein Antrag auf Fest­set­zung an das vor­le­gen­de Gericht erfor­der­lich. Die­sen Antrag kann auch der Rechts­an­walt selbst stel­len. Er emp­fiehlt sich im Vor­feld zum Erlass der Kos­ten­grund­ent­schei­dung des Gerichts, um eine gemein­sa­me Ent­schei­dung herbeizuführen. 

Wel­che Gebüh­ren kön­nen dies sein? Zum einen sieht Nr. 3206 VV RVG eine 1,6 Ver­fah­rens­ge­bühr vor, zum ande­ren ergibt sich aus Nr. 3210 VV RVG eine 1,5 Ter­mins­ge­bühr. Sofern die Teil­nah­me an der münd­li­chen Ver­hand­lung per­sön­lich in Luxem­burg statt­fand, ist wegen Nr. 7005 VV RVG ein Abwe­sen­heits­geld mit einem Aus­lands­rei­sen­zu­schlag von 50 % mög­lich. Gemäß § 38 Abs. 3 RVG erfolgt jedoch eine Anrech­nung der Ver­fah­rens­ge­bühr, sofern nicht eine schrift­li­che Stel­lung­nah­me gegen­über dem EuGH abge­ge­ben wird, die nach des­sen Ver­fah­rens­recht vor­ge­se­hen ist. Mit die­ser Anre­chung wird ver­mie­den, dass Gebüh­ren allein durch die Teil­nah­me an dem Ver­fah­ren aus­ge­löst wer­den, ohne dass sich eine Par­tei inhalt­lich engagiert.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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