Die Lan­des­kar­tell­be­hör­de Nie­der­sa­chen hat im Zusam­men­hang mit zwei Ver­fah­ren den Zugang zum Fra­gen­ka­ta­log für die Fischer­prü­fung in Nie­der­sach­sen geöff­net. Zwei förm­li­che Miss­brauchs­ver­fah­ren hat sie dabei vor­läu­fig ein­ver­nehm­lich abge­schlos­sen. Zuvor hat­te eine Anbie­te­rin von Online-Angel­kur­sen ver­geb­lich Zugang zu Fra­gen­ka­ta­lo­gen der zwei nie­der­säch­si­schen Lan­des­fi­scher­ver­bän­de begehrt. Die Lan­des­kar­tell­be­hör­de erkann­te dar­in einen miss­bräuch­li­che Geschäfts­ver­wei­ge­rung. Die Ver­fah­ren wur­den nach Abga­be einer Ver­pflich­tungs­zu­sa­ge bzw. nach Abstel­len des Ver­hal­tens ein­ge­stellt. Die bei­den Beschlüs­se sind hier über die Web­sei­te der Lan­des­kar­tell­be­hör­de zum Down­load ver­füg­bar.

Dis­clai­mer: Wir haben die Beschwer­de­füh­re­rin anwalt­lich in dem Beschwer­de­ver­fah­ren ver­tre­ten. Die bei­den Fäl­le bil­den eini­ge sehr rele­van­te kar­tell­recht­li­che Fra­gen im Zusam­men­hang mit dem Zugang zu Daten ab.

Die­ser Bei­trag wur­de von unse­rem wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter Maroš Fenik verfasst.

Worum ging es? — Marktzutritt für Online-Angelschulen

Wer in Bin­nen­ge­wäs­sern angeln will, muss zuvor die Fischer­prü­fung able­gen. Die Gestal­tung der Prü­fung obliegt den Bun­des­län­dern. In Nie­der­sach­sen ver­ant­wor­ten zwei Fische­rei­ver­bän­de die Durch­füh­rung der Fischer­prü­fung: Der Ang­ler­ver­band Nie­der­sach­sen e.V. (AVN) sowie der Angel­fi­scher­ver­band im Lan­des­fi­sche­rei­ver­band Weser-Ems e.V. (AFV). Die Ver­bän­de erstel­len jeweils einen offi­zi­el­len Fra­gen­ka­ta­log und las­sen die­sen vom zustän­di­gen Minis­te­ri­um abneh­men. Ver­gleich­bar mit der Füh­rer­schein­prü­fung wer­den nur Fra­gen aus die­sen offi­zi­el­len Fra­gen­ka­ta­lo­gen abge­prüft. Die Prü­fun­gen vari­ie­ren stark abhän­gig von den jewei­li­gen Bundesländern.

Vie­le Prüf­lin­ge berei­ten sich auf die Fischer­prü­fung mit­hil­fe von Online-Kur­sen vor. In jedem Bun­des­land ent­wi­ckel­te sich daher jeweils ein eigen­stän­di­ger Markt für Online-Angel­schu­len. Prüf­lin­ge, die sich mit einem der­ar­ti­gen Online-Kurs auf die Fischer­prü­fung vor­be­rei­ten, erwar­ten dabei, dass sie mit dem offi­zi­el­len Fra­gen­ka­ta­log der Bun­des­län­der üben kön­nen. Der Fra­gen­ka­ta­log ist also essen­ti­ell für den Marktzutritt.

Die Ver­bän­de koope­rier­ten mit je einer Online-Angel­schu­le und stell­ten aus­schließ­lich die­ser den offi­zi­el­len Fra­gen­ka­ta­log bereit. Der AVN orga­ni­sier­te zudem die Prü­fungs­an­mel­dung über die koope­rie­ren­de Online-Angel­schu­le. Eine kon­kur­rie­ren­de Online-Angel­schu­le begehr­te den Zugang zu den offi­zi­el­len Fra­gen­ka­ta­lo­gen und damit den Markt­zu­tritt. Dies wur­de ihr jedoch von bei­den Ver­bän­den ver­wei­gert. Dar­auf­hin reich­te sie Beschwer­de bei der Lan­des­kar­tell­be­hör­de Nie­der­sach­sen ein.

Die­se eröff­ne­te dar­auf­hin jeweils ein förm­li­ches Ver­fah­ren gegen die Ver­bän­de wegen des Ver­dachts des Miss­brauchs einer markt­be­herr­schen­den Stellung.

Wie war die Einschätzung der Behörde?

Nach Ein­schät­zung der Wett­be­werbs­be­hör­de sei ohne Zugang zum offi­zi­el­len Prü­fungs­ka­ta­log die Teil­nah­me am Wett­be­werb auf dem nach­ge­la­ger­ten Markt der Online-Kur­se zur Vor­be­rei­tung auf die Fischer­prü­fung nicht mög­lich. Die bei­den Ver­bän­de AFV und AVN sei­en hin­sicht­lich des Bereit­stel­lens des offi­zi­el­len Prü­fungs­ka­ta­logs markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men im Sin­ne des § 18 GWB. Sie erfül­len beim Erstel­len des offi­zi­el­len Prü­fungs­ka­ta­logs zwar selbst einen staat­li­chen Auf­trag. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des EuGH liegt eine wirt­schaft­li­che Tätig­keit bereits dann vor, wenn ledig­lich poten­ti­el­le pri­vat­wirt­schaft­li­che Nach­fra­ge besteht. Nach dem sog. funk­tio­nel­len Unter­neh­mens­be­griff ist schließ­lich die for­mel­le Rechts­form für die Beur­tei­lung uner­heb­lich. Auch ein­ge­tra­ge­ne Ver­ei­ne (e.V.) wie die bei­den Ver­bän­de kön­nen Unter­neh­men im Sin­ne des § 18 GWB sein.

Die­ser Prü­fungs­ka­ta­log stel­le auch eine wesent­li­che Ein­rich­tung dar, die für den wirk­sa­men Wett­be­werb auf dem nach­ge­la­ger­ten Markt für Schu­lun­gen objek­tiv not­wen­dig ist. Die Prüf­lin­ge erwar­ten näm­lich genau mit den Fra­gen zu ler­nen, wel­che ihnen spä­ter in der Fischer­prü­fung gestellt wer­den kön­nen. (AFV-Beschluss Rz. 36 ff. und AVN-Beschluss Rz. 77 ff.).

Für eine miss­bräuch­li­che Geschäfts­ver­wei­ge­rung gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB müs­sen meh­re­re Ele­men­te vor­lie­gen. Ein markt­be­herr­schen­des Unter­neh­men muss sich wei­gern, gegen ein ange­mes­se­nes Ent­gelt ein ande­res Unter­neh­men zu belie­fern oder ihm Zugang zu Ein­rich­tun­gen zu gewäh­ren, wel­che objek­tiv not­wen­dig sind, um auf einem vor- oder nach­ge­la­ger­ten Markt tätig zu wer­den. Die Wei­ge­rung muss zudem den wirk­sa­men Wett­be­werb auf dem nach­ge­la­ger­ten Markt aus­zu­schal­ten dro­hen und darf nicht sach­lich gerecht­fer­tigt sein.

Aus­führ­lich wid­me­te sich die Wett­be­werbs­be­hör­de der Fra­ge, ob der offi­zi­el­le Fra­gen­ka­ta­log eine wesent­li­che Ein­rich­tung ist, wel­che objek­tiv not­wen­dig ist für die Tätig­keit auf dem nach­ge­la­ger­ten Markt. Die Ver­bän­de wand­ten ein, dass die Beschwer­de­füh­re­rin auf Fra­gen­ka­ta­lo­ge aus ande­ren Bun­des­län­dern zurück­grei­fen kön­ne. Aller­dings ist nach der Wett­be­werbs­be­hör­de nicht auf „mög­li­che Alter­na­ti­ven auf dem vor­ge­la­ger­ten Markt abzu­stel­len[,] son­dern auf die abge­lei­te­te Nach­fra­ge des nach­ge­la­ger­ten Mark­tes.“ (AVN-Beschluss Rn. 78). Die Nach­fra­ger der Online-Kur­se sind ange­hen­de Prüf­lin­ge der Fischer­prü­fung. Sie erwar­ten gera­de mit dem offi­zi­el­len Prü­fungs­ka­ta­log zu ler­nen, um in der Prü­fungs­si­tua­ti­on „kei­nen ‚Über­ra­schun­gen‘ aus­ge­lie­fert zu sein“ (AVN-Beschluss Rn. 79). Die Wett­be­werbs­be­hör­de sah dabei eine Par­al­le­le zur Füh­rer­schein­prü­fung, bei der eben­falls mit Auf­ga­ben gelernt wird, die den Prüf­lin­gen dann auch in der Prü­fung begeg­nen (AVN-Beschluss Rn. 80). Daher han­de­le es sich bei dem offi­zi­el­len Prü­fungs­ka­ta­log um eine wesent­li­che Einrichtung.

Her­aus­for­dernd war zudem der Umgang mit den im Prü­fungs­ka­ta­log ver­wen­de­ten Fisch­bil­dern. Die­se waren teil­wei­se von einem Dritt­an­bie­ter lizen­ziert und konn­ten ohne des­sen indi­vi­du­el­le Geneh­mi­gung nicht wei­ter­li­zen­ziert wer­den. Die­se Geneh­mi­gung hol­te der AVN für die Wei­ter­ga­be an sei­nen bis­he­ri­gen Koope­ra­ti­ons­part­ner ein, wei­ger­te sich jedoch zur Wei­ter­ga­be der Bil­der an die Beschwer­de­füh­re­rin. Dar­in lie­ge ein Ver­stoß gegen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot aus § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB. Dem­nach dür­fen markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men ande­re Unter­neh­men ohne sach­li­che Recht­fer­ti­gung nicht unmit­tel­bar oder mit­tel­bar anders behan­deln als gleich­ar­ti­ge Unter­neh­men. Die Wett­be­werbs­be­hör­de wies dar­auf hin, dass es den Ver­bän­den obliegt, die Lizenz­ver­ein­ba­run­gen so zu gestal­ten, dass sie ihren eige­nen kar­tell­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen nach­kom­men kön­nen (AVN-Beschluss Rz. 92).

Zur sach­li­chen Recht­fer­ti­gung sei­nes Ver­hal­tens trug der AVN vor, dass der Ver­band durch die Wei­ter­ga­be des offi­zi­el­len Prü­fungs­ka­ta­lo­ges sei­ne erar­bei­te­te Wett­be­werbs­po­si­ti­on zu ver­lie­ren dro­he. Die­ses Inter­es­se sei jedoch nicht berück­sich­ti­gungs­fä­hig, weil der Ver­band einen staat­li­chen Auf­trag zur Erstel­lung des Prü­fungs­ka­ta­lo­ges habe und nicht der Ver­band selbst, son­dern das mit ihm koope­rie­ren­de Unter­neh­men auf dem nach­ge­la­ger­ten Markt tätig ist (AVN-Beschluss Rn. 92).

Die Wett­be­werbs­be­hör­de äußer­te schließ­lich Beden­ken bezüg­lich wei­te­rer Aspek­te der Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Ver­bän­den und ihren Koope­ra­ti­ons­part­nern. Der AVN ver­öf­fent­lich­te über die Web­site des koope­rie­ren­den Unter­neh­mens die Prü­fungs­ter­mi­ne und ermög­lich­te eine Prü­fungs­an­mel­dung. Bei­de Ver­bän­de wie­sen in ihrer Öffent­lich­keits­ar­beit auf ihren jewei­li­gen Koope­ra­ti­ons­part­ner hin. Dies könn­te alter­na­ti­ve Anbie­ter von Online-Angel­schu­len diskriminieren.

Wie wurden die beiden Verfahren beendet?

Im Ergeb­nis hat die Wett­be­werbs­be­hör­de eine Markt­öff­nung erzielt und des­halb die Miss­brauchs­ver­fah­ren vor­läu­fig ein­ge­stellt. Das bedeu­tet, dass sie jeder­zeit bei begrün­de­ten Umstän­den wie­der tätig wer­den kann. In bei­den Fäl­len erfolg­te dies im Lau­fe des Ver­fah­rens ein­ver­nehm­lich mit den bei­den Verbänden.

Der AVN gab eine Erklä­rung ab, den Zugang zum Prü­fungs­ka­ta­log künf­tig dis­kri­mi­nie­rungs­frei gegen ange­mes­se­nes Ent­gelt zu gewäh­ren. Die Fisch­bil­der wer­den künf­tig nicht mehr aus­schließ­lich an einen Anbie­ter wei­ter gege­ben. Der Zugang zu Prü­fun­gen wer­de Prüf­lin­gen unab­hän­gig von der gewähl­ten Online-Schu­le gewährt. Die Ter­mi­ne wer­den nicht mehr nur über die Web­site des koope­rie­ren­den Unter­neh­mens, son­dern auch auf einer eige­nen Web­site bekannt­ge­ge­ben. Wenn Drit­te Unter­neh­men eine ent­spre­chen­de tech­ni­sche Infra­struk­tur vor­wei­sen, wer­de der AVN ihnen eine Schnitt­stel­le zur direk­ten Prü­fungs­an­mel­dung anbie­ten. Die Wer­bung für einen bestimm­ten Anbie­ter wer­de abge­stellt. Auf­grund die­ser Mit­tei­lung hat die Wett­be­werbs­be­hör­de das Ver­fah­ren nach § 32c GWB ein­ge­stellt. Das bedeu­tet, dass sie auf­grund des aus­drück­li­chen Ver­hal­tens des Unter­neh­mens vor­läu­fig davon aus­geht, dass für sie kein Anlass zum Tätig­wer­den mehr besteht.

Der AFV hat eine Ver­pflich­tungs­zu­sa­ge gem. § 32b Abs. 1 GWB abge­ge­ben. Künf­tig wer­de der offi­zi­el­le Prü­fungs­ka­ta­log dis­kri­mi­nie­rungs­frei bereit­ge­stellt sowie die Öffent­lich­keits­ar­beit ohne Hin­weis auf einen bestimm­ten Schu­lungs­an­bie­ter gestal­tet. Die­se Ver­pflich­tungs­zu­sa­ge hat die Wett­be­werbs­be­hör­de für ver­bind­lich erklärt. Im Ver­gleich zu dem ande­ren Ein­stel­lungs­be­schluss geht dies wei­ter, da es alter­na­ti­ven Online-Angel­schu­len eine direk­te Mög­lich­keit zur Durch­set­zung eröffnet.

Warum ist das relevant?

Die Impli­ka­tio­nen die­ser Ver­fah­ren rei­chen über die Fischer­prü­fung hin­aus. Sie ver­deut­li­chen markt­ver­schlie­ßen­des Ver­hal­ten, wenn ein Unter­neh­men Infor­ma­tio­nen kon­trol­liert, wel­che für den Markt­zu­tritt essen­ti­ell sind. Eine Ver­wei­ge­rung des Infor­ma­ti­ons­zu­gangs bedeu­tet, dass ein betrof­fe­nes Unter­neh­men nicht im rele­van­ten Markt teil­neh­men kann.

Bedient sich der Staat pri­va­ter Ver­bän­de zur Orga­ni­sa­ti­on von Prü­fun­gen, kön­nen die­se als markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men anzu­se­hen sein. Ver­wei­gern sie Zugang zu Fra­gen­ka­ta­lo­gen oder Prü­fungs­ka­pa­zi­tä­ten, könn­te miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten vor­lie­gen. Auch bei der Koope­ra­ti­on mit ein­zel­nen Schu­lungs­an­bie­tern sind Grund­sät­ze des Kar­tell­rechts zu beach­ten. Dies kann schon bei urhe­ber­recht­li­chen Lizen­zen für ver­wen­de­tes Bild­ma­te­ri­al rele­vant wer­den. Wei­te­re Span­nun­gen kön­nen ent­ste­hen, wenn die Infra­struk­tur eines Unter­neh­mens für die Prü­fungs­ver­wal­tung genutzt wird. Die Öffent­lich­keits­ar­beit ist zudem dis­kri­mi­nie­rungs­frei zu gestal­ten. Auch in die­sen Kon­stel­la­tio­nen sind die Grund­sät­ze der Essen­ti­al-Faci­li­ties-Dok­trin anwendbar.

Zudem sind wei­te­re Markt­zu­tritts­be­schrän­kun­gen denk­bar. In eini­gen Bun­des­län­dern gibt es etwa ver­pflich­ten­de Pra­xis­ta­ge. Gera­de in Kon­stel­la­tio­nen, in denen Joint Ven­tures zwi­schen dem zustän­di­gen Ver­band und einer Online-Angel­schu­le bestehen, muss für alle alter­na­ti­ven Anbie­ter ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­er Zugang zu den Schu­lungs­plät­zen sicher­ge­stellt wer­den. Eine Bevor­zu­gung ledig­lich eines Anbie­ters ist kar­tell­recht­lich grund­sätz­lich ver­bo­ten. Das schließt ein, dass Ver­bän­de nicht die Kun­den ledig­lich eines Anbie­ters bevor­zu­gen dür­fen. Die in die­sen Ver­fah­ren zu Tage getre­te­nen Grund­sät­ze gel­ten auch in ande­ren Bran­chen, soweit der Staat die Erstel­lung offi­zi­el­ler Prü­fungs­ka­ta­lo­ge bzw. die Durch­füh­rung von Prü­fun­gen an pri­va­te Ver­bän­de auslagert.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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