Der Digital Markets Act steht kurz vor seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Es lohnt sich deshalb ein erster Blick auf einzelne Vorschriften, die uns noch länger beschäftigen werden. Heute geht es um eine sektorspezifische Vorschrift über den Zugang zu Daten. Es handelt sich um Art. 6 Abs. 11 DMA, den ich hier ausschnittweise aus der deutschen Verordnungsfassung darstelle:
“Der Torwächter gewährt Drittunternehmen, die Online-Suchmaschinen bereitstellen, auf ihren Antrag hin zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen Zugang zu Ranking‑, Anfrage‑, Klick- und Ansichtsdaten in Bezug auf unbezahlte und bezahlte Suchergebnisse, die von Endnutzern über seine Online-Suchmaschinen generiert werden. Alle derartigen Anfrage‑, Klick- und Ansichtsdaten, bei denen es sich um personenbezogene Daten handelt, werden anonymisiert.”
Art. 6 Abs. 11 DMA
Zweck der Vorschrift
Die Regelung stellt insofern einen sektorspezifischen Datenzugang dar, als dass sie originär anderen Unternehmen das Recht einräumt, von dem Torwächter den Zugang zu Daten zu verlangen. Hintergrund ist der erhebliche Wert, der Datenschätzen bei ihrer Verwertung im Zusammenhang mit Online-Suchmaschinen zugesprochen wird. So erhält eine Suchmaschine mit jeder Suchanfrage eine weitere Information, die sie erheben, speichern und aggregieren kann. Dadurch erhält sie wiederum wettbewerbliche Vorteile, die ihre Bestreitbarkeit beschränken.
Erwägungsgrund 61 DMA ist hierzu deutlich, indem er vorschlägt, dass von Torwächtern verlangt werden (sollte), dass sie anderen Unternehmen, die solche Dienste bereitstellen, zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen Zugang zu diesen im Zusammenhang mit unbezahlten und bezahlten Ergebnissen von Suchanfragen von Verbrauchern erhobenen Ranking‑, Anfrage‑, Klick- und Ansichtsdaten gewähren, sodass diese Drittunternehmen ihre Dienste optimieren können und die Position der relevanten zentralen Plattformdienste angreifen können. Dabei sollte der Torwächter den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen, also auch auf sein betriebliches Risiko. Es handelt sich insofern also um eine Pflicht zur Verarbeitung.
Übersicht über das Verbot
Die Vorschrift beschränkt sich auf Datenzugang im Zusammenhang mit Darstellungen in der Suchmaschine. Damit dient sie auch der Umsetzung von Fairness und Bestreitbarkeit hinsichtlich dieses Dienstes, steht aber selbstständig nebem dem Verbot der Selbstbevorzugung im Ranking.
Zugangsobjekt sind Ranking‑, Anfrage‑, Klick- und Ansichtsdaten in Bezug auf unbezahlte und bezahlte Suchergebnisse, die von Endnutzern über seine Online-Suchmaschinen generiert werden. Das bedeutet also, dass das Drittunternehmen einerseits einen sehr umfänglichen Zugang zu den Daten verlangen kann. Andererseits wird das Zugangsobjekt auch derart beschränkt, dass nicht jedes Datum verlangt werden kann, sondern nur ein solches, dass (1.) einen Bezug auf Suchergebnisse hat und das (2.) von Endnutzern über (3.) die Online-Suchmaschine des Torwächters generiert wird. Damit greift die Vorschrift auch an dem wettbewerblichen Vorteil an, den das Torwächter-Unternehmen durch diese Daten-Ressource erhält. Aber: der Anspruch reicht auch nur so weit, wie es sich um Ranking‑, Anfrage‑, Klick- oder Ansichtsdaten handelt. Darüber hinaus kann der Torwächter den Zugang verweigern.
Zugangsberechtigt sind Drittunternehmen, die Online-Suchmaschinen bereitstellen. Dabei muss es sich nicht zwingend um eine Oberflächensuchmaschine etwa wie bei Google oder seinen direkten Wettbewerbern handeln. Allein schon die Suchfunktion auf einer Webseite dürfte ausreichen, um hier als Wettbewerber anzusehen sein. Gegen eine restriktive Auslegung spricht zudem der Zweck der Bestreitbarkeit und dass in tatsächlicher Hinsicht jede Webseite mit Suchfunktion geegnet sein kann, sich derart im Wettbewerb zu entwickeln, dass sie die Bedeutung von einer Online-Suchmaschine eines Torwächters bestreiten kann.
Die Zugangsbedingungen sind besonders spannend. Die Vorschrift verwendet dabei in Art. 6 Abs. 11 S. 1 DMA die FRAND-Formel, die aus dem Zusammenhang mit Zwangslizenzen und standardessentiellen Patenten bereits bekannt ist. Der Schutzzweck der Vorschrift spricht deshalb auch für eine wettbewerbliche Auslegung der einzelnen FRAND-Elemente. Das gewinnt besondere Bedeutung bei der Frage der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit. Denn nur hier ist etwa der Umfang der Zugangsgewährungspflicht zu untersuchen. Nur noch sehr begrenzt kann sich dabei der Torwächter auf Unzumutbarkeit des Zugangs berufen. Das gilt beim DMA noch einmal mehr, denn erstens soll diese Verordnung die Bestreitbarkeit sichern, also spielt gerade der wettbewerbliche Bestand des Torwächters eine nur untergeordnete Rolle, und zweitens bestehen für den Torwächter nach Art. 9 und 10 DMA Möglichkeiten von einer Entlastung der einzelnen Verpflichtungen. Die FRAND-Verpflichtung auferlegt keinen Verhandlungsdialog zwischen Torwächter und Zugangspetent, sondern sie gilt unmittelbar. Der Torwächter muss also selbst ein FRAND-konformes Angebot über den Zugang machen und verstößt anderenfalls gegen die Vorschrift.
Soweit es sich bei den Anfrage‑, Klick und Ansichtsdaten in der Suchmaschine um personenbezogene Daten handelt, muss der Torwächter diese anonymisieren. Damit wird auch klargestellt, dass der Zugangsanspruch unbeschadet datenschutzrechtlicher Vorschriften gilt. Letztere werden allgemein im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Zugangsansprüchen zu Daten als sachlicher Einwand für seine Verweigerung diskutiert. Die Anonymisierungspflicht entkräftet diesen Einwand.