Facebook darf Querdenker sperren

Vor kur­zem hat das Unter­neh­men Face­book bekannt gege­ben, dass es zahl­rei­che Nut­zer­kon­ten sowie Grup­pen aus der soge­nann­ten Quer­den­ker-Bewe­gung sper­ren wird. Mei­ne Beto­nung liegt bewusst auf dem „Unter­neh­men“, denn als sol­ches ist Face­book eben­so wie die Betrof­fe­nen durch Grund­rech­te geschützt. Dazu gehö­ren min­des­tens das all­ge­mei­ne Unter­neh­mens­per­sön­lich­keits­recht, die all­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit und schließ­lich auch die Mei­nungs­frei­heit. Dazu eine ganz schlich­te Über­set­zung für den Einstieg:

  • Mei­nungs­frei­heit: Auch ein Unter­neh­men darf sich eine Mei­nung bil­den, etwa über Quer­den­ker. Die­se eige­ne Mei­nung darf es im Rah­men der gel­ten­den Geset­ze in sei­ne unter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dun­gen ein­flie­ßen las­sen. Das kann sich etwa dann durch ein Flag­gen unse­riö­ser oder irre­füh­ren­der Posts dar­stel­len. Denn die Mei­nungs­frei­heit schützt nicht vor Wider­spruch. Face­book kann in sei­nen Bedin­gun­gen einen anti­zi­pier­ten Wider­spruch abbil­den, wel­che Äuße­run­gen es nicht bil­ligt und in sei­nem Unter­neh­mens­auf­tritt des­halb untersagt.
  • All­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit: Ein Unter­neh­men wie Face­book darf im Rah­men der gel­ten­den Geset­ze – z.B. Kar­tell­recht, AGB-Recht, Delikts­recht oder ein­fa­ches Ver­trags­recht – ent­schei­den, mit wem es zu wel­chen Bedin­gun­gen Ver­trä­ge abschließt oder auf­recht erhält. Die­se Bedin­gun­gen unter­lie­gen wie­der­um einer Will­kür- und Sach­lich­keits­kon­trol­le. Das ist die Fol­ge aus sei­ner enor­men wirt­schaft­li­chen und sozia­len Bedeu­tung. Und den­noch darf im Rah­men einer will­kürfrei­en sach­li­chen Ent­schei­dung das Unter­neh­men sei­ne Grund­rech­te dahin­ge­hend aus­üben, dass es bestimm­te Äuße­run­gen nicht mehr duldet.
  • Unter­neh­mens­per­sön­lich­keits­recht: Die Qua­li­tät einer Leis­tung wird mit dem Unter­neh­men selbst ver­bun­den. Es muss des­halb Pri­vat­un­ter­neh­men ähn­lich wie Pri­vat­per­so­nen sonst auch unbe­nom­men sein, die Bedin­gun­gen ihres öffent­li­chen und beruf­li­chen Auf­tritts selbst zu bestim­men. Face­book muss also nicht dul­den, dass sei­ne Leis­tun­gen miss­bräuch­lich aus­ge­nutzt wer­den. Wann läge ein der­ar­ti­ger Miss­brauch vor? Dies zu defi­nie­ren wird sehr schwie­rig und muss eben­so will­kürfrei fest­ge­legt werden.

Nahe­lie­gend sind etwa Bei­spie­le zum Schutz von Frau­en oder Min­der­hei­ten, die beson­ders häu­fig durch Het­ze ange­grif­fen wer­den. Dies mag häu­fig durch das Straf­recht nicht erfasst sein. Den­noch besteht für die­se Nutzer:innen ein hohes Inter­es­se an einem Schutz vor über­grif­fi­ger Kom­mu­ni­ka­ti­on. Gleich­zei­tig kann ein Unter­neh­men ein Inter­es­se dar­an haben, dass ein ange­neh­mes Sozi­al­kli­ma besteht und sich kei­ne Grup­pe unan­ge­mes­sen ein­ge­schüch­tert fühlt. Aus wett­be­werb­li­cher und betriebs­wirt­schaft­li­cher Sicht sind des­halb Maß­nah­men gegen miss­bräuch­li­che Aus­nut­zung manch­mal unver­meid­bar. Auch die teil­wei­se hane­bü­che­nen Aus­sa­gen aus der Quer­den­ker-Sze­ne kön­nen dar­un­ter fal­len, gera­de wenn es um die Bekämp­fung einer Pan­de­mie geht.

Bestä­tigt dürf­te sich Face­book durch die zwei jün­ge­ren Ent­schei­dun­gen des BGH gese­hen haben. Ich hat­te damals dar­über berich­tet. Dort hat das Gericht zwar im Ergeb­nis den Kläger:innen Recht gege­ben und deren Ent­sperr­an­sprü­che bestä­tigt. Aller­dings hat es auch die unter­neh­mens­ei­ge­nen Inter­es­sen betont und deut­lich gemacht, dass sehr wohl unter­halb der Schwel­le des Straf­rechts auch gesperrt wer­den darf. Aus der ers­ten die­ser bei­den Ent­schei­dun­gen des­halb aus­zugs­wei­se noch ein­mal ein Leitsatz:

[b)]Der Anbie­ter eines sozia­len Netz­werks ist grund­sätz­lich berech­tigt, den Nut­zern sei­nes Netz­werks in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen die Ein­hal­tung objek­ti­ver, über­prüf­ba­rer Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stan­dards vor­zu­ge­ben, die über die gesetz­li­chen Vor­ga­ben hin­aus­ge­hen. Er darf sich das Recht vor­be­hal­ten, bei Ver­stoß gegen die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stan­dards Maß­nah­men zu ergrei­fen, die eine Ent­fer­nung ein­zel­ner Bei­trä­ge und die Sper­rung des Netz­werk­zu­gangs einschließen.

[c)] Der Anbie­ter des sozia­len Netz­werks hat sich jedoch in sei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu ver­pflich­ten, den Nut­zer über die Ent­fer­nung sei­nes Bei­trags zumin­dest unver­züg­lich nach­träg­lich und über eine beab­sich­tig­te Sper­rung sei­nes Nut­zer­kon­tos vor­ab zu infor­mie­ren, ihm den Grund dafür mit­zu­tei­len und eine Mög­lich­keit zur Gegen­dar­stel­lung ein­zu­räu­men, an die sich eine Neu­be­schei­dung anschließt, mit der die Mög­lich­keit der Wie­der­zu­gäng­lich­ma­chung des ent­fern­ten Bei­trags ein­her­geht. Fehlt eine ent­spre­chen­de Bestim­mung in den Geschäfts­be­din­gun­gen, sind die­se gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Erst wenn und soweit die­se Grund­sät­ze miss­ach­tet wer­den, haben pri­va­te Nutzer:innen einen ver­trag­li­chen Anspruch auf Ent­sper­rung oder Freischaltung.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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