Die Europäische Kommission hat Bußgelder in Höhe von zusammen 458 Mio. Euro gegenüber 15 großen Fahrzeugherstellern sowie dem Europäischen Automobilherstellerverband (ACEA) verhängt. Dies geht aus einer Pressemitteilung der Wettbewerbsbehörde hervor. Anlass sind demnach kartellrechtswidrige Absprachen über sogenannte End-of-Life Vehicle.
Kein Bußgeld erhielt das Unternehmen Mercedes-Benz, das vom Kronzeugenprivileg profitiert. Laut der Pressemitteilung hatten alle Unternehmen einem Vergleich zugestimmt und ihre Beteiligung an der wettbewerbswidrigen Absprache zugegeben. Für mehrere weitere Unternehmen gab es weitere erhebliche Bußgeldreduktionen aufgrund ihrer positiven Mitwirkung an der Aufdeckung.
Um welche Märkte geht es?
Konkret geht es um Altfahrzeuge, die nicht mehr fahrbereit sind. Obwohl diese am Ende ihres Lebenszyklusses stehen, ist die wirtschaftliche Relevanz in diesem Bereich noch groß. Denn die Altfahrzeuge werden zerlegt und für Entsorgung, Verwertung oder Recycling aufgearbeitet. Damit stehen wettbewerbliche Aktivitäten im Zusammenhang, etwa auch regulatorisch im Zusammenhang mit den Zielen der EU zu Dekarbonisierung und Recycling.
Gemäß einer Richtlinie über die Verwertung von Altfahrzeugen müssen Letztbesitzer in der Lage sein, ihre Fahrzeuge kostenlos bei einem Demontagebetrieb zu entsorgen. Die Verbraucher müssen über diese Möglichkeiten informiert werden.
Um welchen Verstoß geht es?
Es geht um einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV. Dieser verbietet wettbewerbsbeschränkende Absprachen zwischen Unternehmen. Die Kommission hat die Beteiligung von insgesamt 16 großen Autoherstellern, einschließlich Mercedes-Benz, und dem Verband über einen Zeitraum von insgesamt 15 Jahren festgestellt. Sie haben demnach im Zusammenhang mit dem Recycling von Altfahrzeugen wettbewerbswidrige Absprachen und abgestimmte Verhaltensweisen getroffen.
Die Kommission stellte zwei unterschiedliche Verstöße fest:
- “Zero-Treatment-Cost” strategy: Zunächst einigten sich die Hersteller darauf, keine Entgelte an Fahrzeug-Demontierer zu leisten. Dies sollte sich demnach aus einer Übereinkunft ergeben, wonach das Altfahrzeug-Recycling nicht profitabel genug sei. In diesem Zusammenhang wurden wettbewerbsensitive Informationen zwischen den Unternehmen über ihre Absprachen mit den Demontierern geteilt, um die abgestimmte Verhaltensweise durchzusetzen.
- Verhinderung von Verbraucherinformationen über Umfang von Recycling: Demnach sollte übereinstimmend nicht transparent dargestellt werden, wie viele recyceltes Material von Altfahrzeugen anschließend in Neufahrzeugen verbaut wird. Dadurch sollten Verbraucher davon abgehalten werden, ihre Kaufentscheidung auch von dem Umfang des Recycling-Materials abhängig zu machen. Damit wurden die Anreize verringert, über den gesetzlichen Mindestumfang hinaus im Qualitätswettbewerb zu treten.
Besonders brisant ist dabei, dass die Organisation der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen nicht nur bilateral zwischen den Unternehmen stattfand, sondern darüber hinaus zentral durch den Europäischen Automobilherstellerverband koordiniert wurde.
Der festgestellte Verstoß fand demnach einheitlich und fortgesetzt zwischen dem 29.5.2002 und dem 4.9.2017 statt. Im September 2019 hatte Mercedes-Benz seinen Kronzeugenantrag gestellt. Im März 2022 fanden Untersuchungen statt, woraufhin sich drei weitere Unternehmen mit Informationen meldeten.
Die Kommission hat in der Sache eng mit der UK Competition and Markets Authority (‘CMA’) zusammengearbeitet. Diese hat eine eigene Entscheidung erlassen.
Wie kommt das Bußgeld zustande?
Die Entscheidung zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Bußgelder zustande kommen können. Das Kartell wurde durch einen Kronzeugenantrag von Mercedes-Benz aufgedeckt. Dies sicherte dem Unternehmen einen vollständigen Bußgelderlass, den die Kommission mit insgesamt 35 Mio. Euro bezifferte.
Drei weitere Unternehmen konnten nicht mehr von einem Kronzeugenantrag profitieren, aber teils erhebliche Reduktionen des Bußgeldes erwirken, indem sie umfangreich mit der Kommission kooperierten. Die Höhe der Reduktion bemaß die Kommission nach dem Zeitpunkt der Kooperation sowie den Informationen, welche die Unternehmen zur Verfügung stellten. Die damit abgewendeten Beträge bewegten sich im siebenstelligen und höheren achtstelligen Bereich.
Einige weitere Unternehmen wurden mit einem niedrigeren Bußgeld belegt, da sie einen geringeren Anteil an der Absprache hatten. Ein Unternehmen hatte zudem im Rahmen der Absprache ausdrücklich um eine Ausnahme angefragt, was auf zumindest teilweise pro-wettbewerbliche Bemühungen schließen ließe. Derartige Umstände können bei der Bußgeldbemessung verringernd berücksichtigt werden.
Schließlich haben alle beteiligten mit der Kommission einen Vergleich abgeschlossen, um weitere Kosten zu reduzieren. Dies sicherte ihnen eine zusätzliche Bußgeldreduktion um weitere 10 % zu.
ACEA hat eine pauschale Buße in Höhe von 500.000 Euro erhalten.