Plattformzugangsregulierung über das #LSR?

Goog­le hat im April von der fran­zö­si­schen Wett­be­werbs­be­hör­de ver­schie­de­ne vor­läu­fi­ge Ver­pflich­tun­gen im Zusam­men­hang mit der Durch­set­zung des Pres­se-Leis­tungs­schutz­rechts (LSR) auf­er­legt bekom­men. Das Unter­neh­men muss dem­nach in einen Ver­hand­lungs­pro­zess über eine Ver­gü­tung mit der fran­zö­si­schen Ver­le­ger­bran­che ein­tre­ten. Zudem darf Goog­le deren Inhal­te nicht aus­blen­den. Die Ent­schei­dung lotet die dog­ma­ti­schen Gren­zen des Kar­tell­rechts in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft neu aus und wird – zurück­hal­tend gesagt – sicher zur Fort­ent­wick­lung der Recht­spre­chung beitragen.

Was sind die Hin­ter­grün­de? Wel­ches Recht wird hier durch­ge­setzt und was hat das mit dem Kar­tell­recht zu tun? Dies ist ein Cross­post eines Bei­trags, den ich auch auf Tele­me­di­cus ver­öf­fent­licht hatte.

Worum ging es hier?

Meh­re­re Ver­la­ge hat­ten sich bei der fran­zö­si­schen Wett­be­werbs­be­hör­de über das Ver­hal­ten Goo­gles im Zusam­men­hang mit dem LSR beschwert. In der Fol­ge nahm sich die Behör­de der Sache an und lei­te­te ein Miss­brauchs­ver­fah­ren ein. Sie kommt zu dem vor­läu­fi­gen Ergeb­nis, dass Goog­le wahr­schein­lich durch sei­ne bis­he­ri­ge Pra­xis sei­ne Markt­macht miss­brau­che. In ihrer Ent­schei­dung vom 20.04.2020 erließ sie des­halb vor­läu­fi­ge Maßnahmen.

Eine Zusam­men­fas­sung der Verfügungspunkte:

1. Ver­hand­lungs­pflicht nach Treu und Glau­ben über die Ver­gü­tung nach den Bedin­gun­gen des LSR (Art. L218‑4 CPI) mit Rück­wir­kung auf den Zeit­raum seit 24.10.2019 inner­halb von drei Mona­ten nach Antrag (auch durch Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft möglich);

2. Über­mitt­lungs­pflicht hin­sicht­lich der in Art. L218‑4 vor­ge­se­he­nen Infor­ma­tio­nen inner­halb von drei Mona­ten nach Antrag (auch durch Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft möglich);

3. LSR-Must-Carry:

  • Pflicht zur Bei­be­hal­tung der seit Ein­füh­rung des fran­zö­si­schen LSR ein­ge­führ­ten Dar­stel­lung und Ver­bot der Auslistung;
  • Ver­bot der Beein­träch­ti­gung der Inde­xie­rung, Klas­si­fi­zie­rung oder Dar­stel­lung der geschütz­ten Inhal­te durch Ver­hand­lun­gen oder Informationsbelieferung;
  • Ver­bot der Beein­träch­ti­gung ande­rer wirt­schaft­li­cher Bezie­hun­gen zwi­schen Goog­le und Ver­le­gern durch Ver­hand­lun­gen oder Informationsbelieferung;

4. Vor­la­ge­pflicht über ers­ten Bericht über Ein­hal­tung der Ver­pflich­tun­gen vier Wochen nach Auf­nah­me der Ver­hand­lun­gen, danach jeden Monat.

Die­se Ent­schei­dun­gen gel­ten vor­läu­fig und unbe­scha­det der wei­te­ren Unter­su­chun­gen der Behör­de. Das bedeu­tet, dass zunächst das Ergeb­nis des Haupt­sa­che­ver­fah­rens noch offen ist. Aller­dings müs­sen die Grün­de für den Erlass der­ar­ti­ger vor­läu­fi­ger Maß­nah­men gewich­tig sein, sodass sich die­ser Ent­schei­dung deut­li­che Aus­sa­gen der Behör­de über die kar­tell­recht­li­che Bewer­tung ent­neh­men lassen.

Worum geht es beim Presse-Leistungsschutzrecht?

Das Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se-Ver­le­ger ist eines der neue­ren Instru­men­te im Urhe­ber­recht. Aller­dings lässt sich dabei nicht von dem einen LSR spre­chen. Es gibt vie­le ver­schie­de­ne Vari­an­ten. Die poli­ti­schen Ideen dahin­ter – nicht sein eigent­li­cher gesetz­li­cher Zweck – las­sen sich etwa so zusam­men­fas­sen: Goog­le soll an die Ver­le­ger zah­len. Das kon­kre­te Instru­ment ist eigent­lich egal, aber man wähl­te damals den Weg eines urhe­ber­recht­li­chen Leis­tungs­schutz­rechts. Leis­tungs­schutz­rech­te im All­ge­mei­nen sind soge­nann­te Nach­bar­rech­te zum Urhe­ber­recht. Sie die­nen dem Schutz von Investitionen.

Eine ers­te Umset­zung des LSR in Deutsch­land vor eini­gen Jah­ren kann ohne wei­te­res als Schuss in den Ofen bezeich­net wer­den. Zunächst wur­den die eigent­li­chen Zie­le bereits nicht erreicht, näm­lich dass Goog­le an die Ver­lags­bran­che für die Anzei­ge von Pres­se-Snip­pets zahlt. Statt­des­sen gab es ledig­lich ein neu­es Ver­bots­recht. Meh­re­re Ver­su­che der Durch­set­zung des Leis­tungs­schutz­rechts schei­ter­ten anschlie­ßend. Schließ­lich wur­de das deut­sche Gesetz auch noch vom EuGH gekippt, weil der deut­sche Gesetz­ge­ber die Noti­fi­zie­rungs­pflicht nicht ein­ge­hal­ten hat­te. Simon Assi­on und ich hat­ten in einem gemein­sa­men Blog-Bei­trag auf Tele­me­di­cus auf die­ses Risi­ko bereits früh hingewiesen.

Der nächs­te Weg führ­te über eine euro­päi­sche Mani­fes­tie­rung in der jüngs­ten EU-Urhe­ber­rechts­richt­li­nie für den digi­ta­len Bin­nen­markt (DSM-RL). Der dort auf­ge­nom­me­ne Art. 15 kann sich getrost mit dem letz­tes Jahr für erheb­li­che Streits sor­gen­den Art. 17 („Upload­fil­ter“ ) mes­sen. Richt­li­ni­en müs­sen zunächst von den Mit­glied­staa­ten umge­setzt wer­den. Das ist des­halb von Bedeu­tung, weil auch das euro­päi­sche LSR auf der Ebe­ne der Mit­glieds­staa­ten umge­setzt wer­den muss und die­se sich an sei­ne Vor­ga­ben hal­ten müs­sen. Der Text des Art. 15 der DSM-RL deu­tet dar­auf hin, dass es sich um ein Ver­bots­recht handelt.

Wie kam es zu der Auseinandersetzung?

Frank­reich führ­te bereits sehr rasch nach Ver­ab­schie­dung der DSM-RL eige­ne Rege­lun­gen über ein Leis­tungs­schutz­recht in sei­nem Urhe­ber­rechts­ge­setz Code de la pro­prié­té intellec­tu­el­le (CPI) ein. Gemäß Art. L218‑2: CPI ist danach für jede Ver­viel­fäl­ti­gung oder öffent­li­che Wie­der­ga­be in digi­ta­ler Form durch einen öffent­li­chen Online-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst aller oder eines Teils der Pres­se­er­zeug­nis­se die Geneh­mi­gung des Pres­se­ver­lags oder der Pres­se­agen­tur erfor­der­lich. Auch die­se Rege­lung ent­spricht zunächst einem rei­nen Ver­bots­recht. Aller­dings gibt es noch wei­te­re Rege­lun­gen in Art. L218‑4 über die Höhe einer Ver­gü­tung. Die­se soll ent­we­der auf der Grund­la­ge der Ein­nah­men aus jeder Art der direk­ten oder indi­rek­ten Nut­zung fest­ge­setzt wer­den oder andern­falls pau­schal fest­ge­legt wer­den. Letz­te­res ist an sich nicht ein­mal sel­ten, viel­mehr sind im kol­lek­ti­ven Urhe­ber­recht kol­lek­ti­ve Ver­gü­tungs­ta­ri­fe durch­aus üblich.

Dar­aus ergibt sich jedoch weder eine akti­ve Lis­tungs­pflicht noch eine Zah­lungs­pflicht über ein posi­ti­ves Ent­gelt – also kein von den Ver­la­gen gewünsch­tes Ent­gelt X>0. Letz­te­res soll sich wei­ter­hin nach den finan­zi­el­len, mate­ri­el­len und per­so­nel­len Inves­ti­tio­nen der Ver­le­ger und Pres­se­agen­tu­ren rich­ten, dem Bei­trag der Pres­se­ver­öf­fent­li­chun­gen zur poli­ti­schen und all­ge­mei­nen Infor­ma­ti­on und der Bedeu­tung der Nut­zung von Pres­se­ver­öf­fent­li­chun­gen durch öffent­li­che Online-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te. Auch das fran­zö­si­sche LSR trifft also kei­ne Aus­sa­ge dazu, dass die mit ihm gere­gel­ten Inhal­te gelis­tet wer­den müs­sen. Sie regelt nur die Fol­ge, wenn die Inhal­te gelis­tet wer­den. Inter­es­sant ist in die­sem Zusam­men­hang aber eine ent­hal­te­ne Ver­pflich­tung der öffent­li­chen Online-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te, Infor­ma­tio­nen über die Nut­zung von Pres­se­ver­öf­fent­li­chun­gen durch ihre Nut­zer sowie alle ande­ren Infor­ma­tio­nen bereit­zu­hal­ten, die für eine trans­pa­ren­te Bewer­tung der Ver­gü­tung und deren Ver­tei­lung erfor­der­lich sind. Die­se Ver­pflich­tung kann aber auch nur wie­der so ver­stan­den wer­den, dass sie im Zusam­men­hang mit der Ver­hand­lung über eine Ver­gü­tung steht, wenn die Inhal­te über­haupt gelis­tet wer­den sollen.

In der Fol­ge reagier­te Goog­le hier grund­sätz­lich ähn­lich wie auch sonst: Die Ver­la­ge wur­den stark ver­kürzt dar­ge­stellt auf­ge­for­dert, ihre Geneh­mi­gung über die Nut­zung des LSR zu ertei­len – und zwar ohne ein mone­tä­res Ent­gelt. Dies erfolg­te im Zusam­men­hang mit einer ins­ge­samt dif­fe­ren­zier­ten Aus­ge­stal­tung des gesam­ten Ablaufs, wie Snip­pets dar­ge­stellt wer­den kön­nen. Die Ver­la­ge erhal­ten also grund­sätz­lich die Mög­lich­keit, selbst den Umfang und die Dar­stel­lung der Snip­pets bei Goog­le weit­rei­chend selbst zu bestim­men. Erst für die Fäl­le, in denen Ver­stö­ße gegen das LSR und dar­an anschlie­ßend eine Ver­gü­tungs­pflicht mög­lich wäre, sieht Goog­le die Ertei­lung einer Geneh­mi­gung zum Preis X=0 vor. Für die­se Fäl­le hat­te das Unter­neh­men in Deutsch­land bereits ein­mal Erfolg. Denn hier hat­te das Bun­des­kar­tell­amt (BKar­tA) bereits 2015 ent­schie­den, dass grund­sätz­lich eine sach­li­che Recht­fer­ti­gung in der Aus­lis­tung dar­in besteht, dass Goog­le sein ansons­ten zuläs­si­ges Geschäfts­mo­dell bei­be­hält und sich gegen­über mög­li­chen Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen auf der Grund­la­ge des LSR absi­chert. Hier­zu ein Aus­schnitt aus der Ent­schei­dung des BKartA:

Dar­aus las­sen sich zwei wesent­li­che Aus­sa­gen ent­neh­men: Ers­tens, auch ein markt­mäch­ti­ges Unter­neh­men hat ein legi­ti­mes Inter­es­se dar­an, nicht gegen das Gesetz zu ver­sto­ßen. Zwei­tens, das Geschäfts­mo­dell der Such­ma­schi­ne ist als sol­ches grund­sätz­lich nicht zu bean­stan­den. Wir wer­den uns an die­sen zwei­ten Satz erin­nern bei dem Vor­wurf der fran­zö­si­schen Wett­be­werbs­be­hör­de, Goog­le ver­su­che einen „all­ge­mei­nen Grund­satz“ der Unent­gelt­lich­keit durch­zu­set­zen. Denn hier wei­chen die bei­den Behör­den frap­pie­rend von­ein­an­der ab.

Der wesent­li­che Kon­flikt ergibt sich aber aus der poli­ti­schen Inter­es­sen­la­ge. Die­se zielt näm­lich nicht allein auf ein Ver­bot der Ver­wer­tung von Snip­pets ab, also ein Ver­bie­ten­kön­nen durch die Ver­la­ge; son­dern viel­mehr auf ein Lizen­sie­ren­müs­sen durch Goog­le, und zwar zu den Bedin­gun­gen der Ver­le­ger­bran­che. Allein, dies ergibt sich weder aus dem bis­he­ri­gen deut­schen, noch dem fran­zö­si­schen Urhe­ber­recht und auch nicht auf der Grund­la­ge der jüngs­ten Urhe­ber­rechts­richt­li­nie. Das Urhe­ber­recht hilft also nicht weiter.

Aus die­sem Grund loh­nen sich Bli­cke in das Kar­tell­recht, das grund­sätz­lich die Mög­lich­keit eines Geschäfts­ab­schluss­zwangs vor­sieht – aber auch wie­der nur, wenn die Geschäfts­ver­wei­ge­rung selbst miss­bräuch­lich ist. In die­se Rich­tung ging damals auch die Unter­su­chung des BKar­tA. Dane­ben kann ein markt­mäch­ti­ges Unter­neh­men auf die Höhe sei­ner Ent­gel­te kon­trol­liert wer­den. Dies wür­de sich jedoch nicht allein auf die Ent­gel­te, Prei­se oder ähn­li­chen Aus­tausch­be­din­gun­gen im Zusam­men­hang mit dem LSR beschränken.

Wie kommt die französische Behörde zu diesem Ergebnis?

Der Auf­hän­ger der behörd­li­chen Ent­schei­dung ist also das kar­tell­recht­li­che Markt­macht­miss­brauchs­ver­bot. Das fran­zö­si­sche Miss­brauchs­ver­bot ist ähn­lich zu den deut­schen Rege­lun­gen und läuft auch ansons­ten gleich zu der euro­päi­schen Vor­schrift des Art. 102 AEUV. Das Ver­bot greift, wenn ein Unter­neh­men sei­ne markt­be­herr­schen­de Stel­lung miss­braucht. Auf einer ers­ten Stu­fe ist dabei zu unter­su­chen, ob auf einem rele­van­ten Markt eine markt­be­herr­schen­de Stel­lung vor­liegt. Das bedeu­tet zunächst vor allem eine Ant­wort auf die Fra­ge nach dem sach­lich rele­van­ten Markt. Dies ist bei digi­ta­len Platt­for­men immer wie­der ein gro­ßes The­ma. Denn wenn die­se ihre Leis­tun­gen gegen­über meh­re­ren sehr unter­schied­li­chen Markt­sei­ten erbrin­gen, für die jeweils ein völ­lig unter­schied­li­ches Inter­es­se prä­gend ist, spricht das auch für unter­schied­li­che sach­lich rele­van­te Märk­te. Die Behör­de macht es hier mit zwei Erwä­gun­gen kurz: Zum einen stellt sie auf den nut­zer­sei­ti­gen Markt für „all­ge­mei­ne Such­diens­te“ ab und nimmt dort eine markt­be­herr­schen­de Stel­lung auf­grund der hohen Nut­zer­zah­len an. Zum ande­ren bezieht sie sich ab Rn. 173 ff. ihrer Ent­schei­dung auf den Wort­laut der fran­zö­si­schen Vor­schrift, wonach auch bei „wirt­schaft­li­cher Abhän­gig­keit“ das Markt­macht­miss­brauchs­ver­bot eröff­net sein kann. Dies kommt der soge­nann­ten „rela­ti­ven Markt­macht“ in der deut­schen Vor­schrift des § 20 Abs. 1 S. 1 GWB nahe. Maß­geb­lich sei für die wirt­schaft­li­che Abhän­gig­keit, ob Unter­neh­men über zumut­ba­re Alter­na­ti­ven ver­fü­gen. Nicht erfor­der­lich sind danach Anga­ben zu Markt­an­tei­len, wenn aus ande­ren Umstän­den auf die Abhän­gig­keit geschlos­sen wer­den kann.

Den Miss­brauch die­ser Stel­lung zieht die Behör­de der­zeit aus drei Erwä­gun­gen: zunächst unfai­ren Han­dels­prak­ti­ken, dane­ben einer nicht gerecht­fer­tig­ten Dis­kri­mi­nie­rung und schließ­lich einer „Umge­hung des Geis­tes des Leis­tungs­schutz­rechts“ (Rn. 243). Der ers­te Fall zielt auf den Kon­di­tio­nen­miss­brauch ab. Ähn­lich wie auch schon das BKar­tA im Face­book-Ver­fah­ren scheint die Auto­ri­té hier mit einer Art Akzess­orie­tät zu argu­men­tie­ren. Bei die­sem Ver­fah­ren ist die­ses Vor­ge­hen noch kri­ti­scher, da es sei­ne Anfäl­lig­keit für die Durch­set­zung von Inter­es­sen zeigt, die vom Schutz­zweck des Kar­tell­rechts nicht erfasst sind. Auf der ande­ren Sei­te aber nimmt die Behör­de auch Erwä­gun­gen des Geschäfts­ab­schluss­zwangs auf. Denn sie kommt zu dem Ergeb­nis, dass Goog­le die Ver­le­ger vor­läu­fig jeden­falls nicht aus­lis­ten darf. Das wäre grund­sätz­lich aber nur mög­lich, wenn gera­de das Aus­lis­ten im kon­kre­ten Fall markt­macht­miss­bräuch­lich ist.

In Rn. 194 meint die Auto­ri­té, das fran­zö­si­sche LSR sol­le es ermög­li­chen, im Rah­men von Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Platt­for­men und den Ver­le­gern und Nach­rich­ten­agen­tu­ren die Wer­te­tei­lung neu zu defi­nie­ren. Bereits das Ver­wei­gern von Ver­hand­lun­gen stel­le dem­nach einen Miss­brauch dar. Aber auch ansons­ten scheint die Behör­de anzu­neh­men, dass in jedem Fall nur eine posi­tiv ent­gelt­li­che Ver­gü­tung das Ergeb­nis einer Ver­hand­lung sein könn­te. In Tei­len ver­weist sie auch auf die Urhe­ber­rechts­richt­li­nie. Aller­dings wird dort erneut zwar mehr­fach das Inter­es­se an einer wirt­schaft­li­chen Ver­gü­tung der Ver­la­ge ange­spro­chen, aus­drück­lich aber nicht ein irgend­wie voll­zieh­ba­rer Zugangs­an­spruch zu der Plattform.

Mit die­sem Vor­ge­hen zeigt die Behör­de einen Denk­feh­ler, wie er in ähn­li­chen Fall­kon­stel­la­tio­nen mit digi­ta­len Platt­for­men zuletzt häu­fig vor­kommt. Denn selbst wenn eine kar­tell­recht­li­che Miss­brauchs­kon­trol­le von Ent­gel­ten statt­fin­det, müss­ten dabei alle Umstän­de des Ein­zel­falls aus­rei­chend berück­sich­tigt wer­den. Die Vor­schrift des Art. L218‑4 zielt zwar auf die Umstän­de ab, die einen Inves­ti­ti­ons­schutz der Ver­la­ge begrün­den. Aller­dings wären die­se nicht abschlie­ßend, wenn es auf die kar­tell­recht­li­che Betrach­tung ihrer Ange­mes­sen­heit ankommt. Denn was unan­ge­mes­sen ist, ergibt sich aus einer umfas­sen­den Abwä­gungs­ent­schei­dung. Und obwohl noch offen dar­über dis­ku­tiert wer­den kann und soll, ob der­ar­ti­ge Ent­schei­dun­gen auch durch außer­kar­tell­recht­li­che Vor­schrif­ten getra­gen wer­den kön­nen – wie z.B. ggf. aus dem Daten­schutz­recht – müss­te bei einem der­ar­ti­gen Vor­ge­hen stets auch die jewei­li­ge Gegen­leis­tung berück­sich­tigt wer­den. Das bedeu­tet in die­sem Fall, dass die Vor­ga­ben für die Ver­gü­tungs­hö­he im fran­zö­si­schen LSR kei­ne Sperr- oder sogar Gestal­tungs­wir­kung über die rechts­feh­ler­freie Anwen­dung des Miss­brauchs­ver­bots haben. Viel­mehr muss eine rechts­feh­ler­freie Ange­mes­sen­heits­ent­schei­dung auch die wei­te­ren Umstän­de berück­sich­ti­gen, die für das Aus­tausch­ver­hält­nis erheb­lich sind. Sons­ti­ge Umstän­de kön­nen aber auch Leis­tun­gen sein, die im Gegen­zug erbracht wer­den. Goog­le etwa könn­te sei­ne Infra­struk­tur und die damit zusam­men­hän­gen­den Dienst­leis­tun­gen eben­so poten­zi­ell posi­tiv beprei­sen – also mit einem Ent­gelt Y>0. In die­sem Fall könn­te etwa für die Auf­nah­me in die Such­ma­schi­nen­er­geb­nis­se ein mone­tä­rer Preis ver­langt wer­den. Die­ser wür­de mit der ver­lang­ten Ver­gü­tung der Ver­le­ger sal­diert. Der „Geist“ des LSR hilft hier wenig, da er sich nur auf das Ver­bots­recht und sei­ne Ver­gü­tungs­re­geln selbst bezieht, nicht aber den gesam­ten Markt­aus­tausch­pro­zess. Was die­sen aus­macht, kann jedoch meis­tens nur schwer vor­ge­ge­ben wer­den. Erfor­der­lich wäre eine posi­ti­ve regu­la­to­ri­sche Vorgabe.

Die fran­zö­si­sche Auto­ri­té wischt die­se Ein­wän­de allein mit der Aus­sa­ge weg, Goog­le ver­su­che einen Grund­satz der Unent­gelt­lich­keit zu eta­blie­ren. Die Ver­le­ger wür­den also aus­nahms­los gleich auf einen Null­preis fest­ge­legt, allein um das LSR zu umge­hen. Das ist ent­we­der arg kurz­sich­tig oder aber einer der größ­ten lob­by­is­ti­schen Erfol­ge der Ver­le­ger-Bran­che. Denn die­sen Grund­satz gibt es bereits län­ger, sogar schon vor dem Auf­tre­ten Goo­gles. Ver­la­ge haben immer auch davon pro­fi­tiert, dass ihre Inhal­te breit in Such­ma­schi­nen auf­find­bar waren. Es kam ihnen sogar dar­auf an, über­haupt gelis­tet zu wer­den. Die Prei­se für die­se Leis­tun­gen und damit auch die Ver­gü­tun­gen ent­wi­ckeln sich im Wett­be­werb. Solan­ge das LSR hier nicht das Markt­er­geb­nis kon­kret gestal­tet, darf jedes Unter­neh­men die Bedin­gun­gen sei­ner Leis­tun­gen und deren Prei­se frei gestal­ten. Selbst wenn das fran­zö­si­sche LSR also sogar eine Mone­ta­ri­sie­rung der geschütz­ten Inhal­te bezweckt, muss das nicht auf einen posi­ti­ven mone­ta­ren Wert hin­aus­lau­fen. Bild­lich geschrie­ben: Ein Null­preis ent­steht nicht allein dadurch, dass sich ein Unter­neh­men einen Rabatt auf Null auf sei­ne Leis­tun­gen ein­räu­men lässt; er kann eben­so ent­ste­hen, wenn gegen­sätz­lich Leis­tun­gen erbracht wer­den, deren Preis jeweils in glei­cher Höhe ange­setzt wird. Der eine „zahlt“ dafür, dass er sei­ne Inhal­te über die Platt­form ver­trei­ben darf; der ande­re „zahlt“ dafür, dass er die­se Inhal­te wirt­schaft­lich ver­wer­tet. Ent­spre­chend nach­voll­zieh­bar hat das BKar­tA bereits argu­men­tiert, dass auch einem markt­be­herr­schen­den Unter­neh­men nicht ver­bo­ten wer­den kann, sei­ne bis­he­ri­ge Preis­struk­tur grund­sätz­lich bei­be­hal­ten zu wollen.

Mehr noch, ist dies der eigent­li­che Kri­tik­punkt an der Ent­schei­dung der Auto­ri­té: Sie maßt sich Ent­schei­dun­gen über dem Aus­gang eines grund­sätz­lich wett­be­werb­li­chen Ver­hand­lungs­pro­zes­ses an und beschränkt dabei die Design-Hoheit der Platt­form. Denn letz­te­re gehört eben­so wie die grund­sätz­li­che Pri­vat­au­to­no­mie zu den geschütz­ten und zu beach­ten­den Inter­es­sen. Was bedeu­tet das? Jedes Unter­neh­men hat grund­sätz­lich die Frei­heit, selbst zu ent­schei­den, mit wem es Geschäfts­be­zie­hun­gen ein­geht und mit wem nicht. Ein kar­tell­recht­li­cher Geschäfts­ab­schluss­zwang ist nur unter engen Aus­nah­men mög­lich. Eben­so hat jedes Unter­neh­men aber auch die Frei­heit, selbst über die ein­zel­nen Bedin­gun­gen sei­ner Pro­dukt­ge­stal­tung oder Leis­tungs­er­brin­gung zu bestim­men. Es hat hier eine Ein­schät­zungs­prä­ro­ga­ti­ve. Bevor hier über­haupt an einen Geschäfts­ab­schluss­zwang gedacht wer­den könn­te, muss erst noch eine ande­re Fra­ge beant­wor­tet wer­den: Miss­braucht ein Unter­neh­men sei­ne Markt­macht durch eine Design-Ent­schei­dung? Das ist bei Platt­for­men eine der­art kom­ple­xe Abwä­gungs­sa­che, dass sie nicht allein durch ein LSR vor­ge­nom­men wer­den könn­te. Die Auto­ri­té macht es sich hier zu einfach.

Zur Siche­rung der Rech­te ord­net die Behör­de eine Must-Car­ry-Pflicht an. Goog­le muss also die Ver­le­ger grund­sätz­lich so dar­stel­len, als wür­de es bereits eine Eini­gung über das LSR in der von den Ver­le­gern gewünsch­ten Form geben. Die Auto­ri­té friert also ein bestimm­tes Design ein. Erfor­der­lich ist dafür, dass die Ver­le­ger selbst oder eine sie ver­tre­ten­de Orga­ni­sa­ti­on einen Antrag auf Ver­hand­lung bei Goog­le stel­len. Das ist schon ein sehr unge­wöhn­li­ches und stark regu­lie­ren­des Vor­ge­hen, das im Kar­tell­recht so nicht vor­ge­se­hen ist. Die­se eben­so vor­läu­fi­ge Maß­nah­me soll nach dem Wil­len der Behör­de den ange­ord­ne­ten Ver­hand­lungs­pro­zess zwi­schen Goog­le und den Ver­le­gern unter­stüt­zen. Sie kann also nicht als all­ge­mei­nes Instru­ment der Zugangs­re­gu­lie­rung inter­pre­tiert wer­den. Denn auch und trotz der Anord­nun­gen der Behör­de kann der Aus­gang der Ver­hand­lun­gen zu einem ähn­li­chen Ergeb­nis füh­ren wie vor­her. Auch ein Null­preis kann ver­han­delt werden.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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