Mit der letzten TKG-Novelle wurde 2021 ein neuer § 215 Abs. 5 TKG eingeführt. Dieser sieht für Beschlusskammerverfahren vor der BNetzA die Möglichkeit zur Präklusion verspäteten Vortrags vor. Es handelt sich um ein neues rechtliches Instrument, das der BNetzA insbesondere in Streitbeilegungsverfahren eine schnelle Entscheidung ermöglicht.
Hier finden Sie eine Übersicht:
Was regelt § 215 Abs. 5 TKG?
Der neue Absatz in § 215 TKG ist im Wortlaut eng an § 87b Abs. 3 VwGO angelehnt. Dort handelt es sich um eine verwaltungsprozessrechtliche Vorschrift, die in gerichtlichen Verfahren gilt. Mit § 215 Abs. 5 TKG werden diese Regeln auch für Beschlusskammerverfahren eingeführt. Eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit besteht hier schon aufgrund der gerichtsähnlichen Ausgestaltung der Beschlusskammern als Kollegialorgan und der ähnlichen Verfahrensregeln.
Gemäß dieser neuen Vorschrift können Erklärungen und Beweismittel zurückgewiesen werden, wenn sie erst nach Ablauf einer gesetzten Frist vorgebracht werden. Die Beschlusskammer kann dann ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn eine Zulassung des verspäteten Vortrags das Verfahren verzögern würde und der jeweilige Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt.
Was muss die Beschlusskammer beachten?
Die Beschlusskammer kann sich auf die Präklusionswirkung des § 215 Abs. 5 TKG nur berufen, wenn sie vorher selbst drei Voraussetzungen eingehalten hat.
- Hinreichende Angabe der vorzutragenden Tatsachen
- Bestimmung einer konkreten und angemessenen Frist
- Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis
Die beiden letzten Voraussetzungen ergeben sich unmittelbar aus dem Wortlaut. Die erste Voraussetzung ist in § 215 Abs. 5 TKG nicht direkt geregelt. Sie ergibt sich aber systematisch aus den beiden anderen Voraussetzungen und dem Amtsermittlungsgrundsatz. Die Behörde kann sich von eigenen Ermittlungspflichten nur entlasten, wenn sie genau deutlich macht, für welchen Vortrag sie einen Beteiligten zur Sachverhaltsermittlung heranzieht.
Die Beschlusskammer muss die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Vortrags in ihrer Entscheidung begründen. Je weiterreichender die Entscheidung für den Betroffenen ist, desto deutlicher muss diese Begründung sein.
Wann verzögert ein verspäteter Vortrag das Verfahren?
Beschlusskammerverfahren sind häufig sehr umfangreich, komplex und langwierig. In diesen Verfahren kann es regelmäßig sinnvoller sein, wenn die Beschlusskammer zunächst weiter Ermittlungen anstellt und den Vortrag zulässt. Es ließe sich jedenfalls einfacher begründen, dass bei derartigen Verfahren keine Verzögerung des Verfahrens eintritt.
Etwas anderes gilt jedoch bei Verfahren, für die der Beschleunigungsgrundsatz besonders gilt. Gemäß § 212 Abs. 1 S. 2 TKG gilt für die Beschlusskammer bei sonstigen Streitigkeiten eine Frist von höchstens vier Monaten für die Entscheidung. In dem für Streitbeilegungsverfahren besonders relevanten § 149 Abs. 7 TKG ist für einige Fälle ebenso eine Entscheidungsfrist von vier Monaten vorgesehen. Das betrifft die Ansprüche auf Mitnutzung gemäß § 138 TKG sowie offenen Netzzugang zu öffentlich geförderten Netzen gemäß § 155 TKG. In den anderen Fällen gilt eine zweimonatige Entscheidungsfrist. Diese kann die Bundesnetzagentur gemäß § 149 Abs. 8 TKG bei außergewöhnlichen Umständen um weitere höchstens zwei Monate verlängern.
Entscheidet die BNetzA nicht innerhalb dieser gesetzlich festgelegten Fristen, kann der jeweilige Antragsteller berechtigt eine Untätigkeitsklage erheben. Denn aufgrund der gesetzlich angeordneten Regelfrist zur Entscheidung darf der Antragsteller damit rechnen, dass die BNetzA innerhalb dieser Frist auch entscheidet. Entsprechend fallen die Kosten eines solchen Rechtsstreits gemäß § 161 Abs. 3 VwGO dem Beklagten zur Last.
Das zeigt, dass gerade in Streitbeilegungsverfahren die zügige Durchführung wichtig ist. Die Beschlusskammer muss frühzeitig Ermittlungen vornehmen. Bei den kontradiktorischen Streitbeilegungsverfahren ist dies vor allem erst einmal die Einholung von Auskünften bei den beteiligten Parteien, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Preisfestlegung für den offenen Netzzugang die Vorlage von Kostenunterlagen. Entsprechend zieht die BNetzA die jeweilige Beteiligte zur Mitwirkung heran. Legt diese ihre Auskünfte verspätet vor, könnte sich das Streitbeilegungsverfahren und damit eine verbindliche Entscheidung verzögern.
Wie macht man einen Entschuldigungsgrund glaubhaft?
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen, wenn die Beschlusskammer dies verlangt. Glaubhaftmachung bedeutet, dass ein niedriges Beweismaß besteht, wobei es auch auf die Umstände des Einzelfalls ankommen kann. Wenn ein Beteiligter etwa ständig wiederkehrend Vortrag verspätet bringt, könnten auch die Anforderungen steigen. Anders herum kann es Entschuldigungsgründe geben, die nicht mehr glaubhaft gemacht werden müssen, weil die Beschlusskammer bereits Kenntnis von ihnen hat oder sie sich aus sich selbst heraus ergeben.
Dass ein Beteiligter seinen verspäteten Vortrag entschuldigen muss, liegt auch in seiner Mitwirkungslast im Verfahren begründet. Die Beteiligten eines Verfahrens müssen gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 VwVfG bei der Sachverhaltsermittlung mitwirken. Diese Vorschrift steht spiegelbildlich zu dem behördlichen Amtsermittlungsgrundsatz. Letzerer wird aufgelockert, wenn ein Beteiligter durch eigenes Verschulden nicht hinreichend an der Sachverhaltsermittlung mitwirkt.
Wirkt die Präklusion formell oder materiell?
Nicht unmittelbar deutlich wird, ob § 215 Abs. 5 TKG die formelle oder sogar die materielle Präklusion regelt.
Materielle Präklusion bezieht sich auf die materiellen Voraussetzungen einer Tatsache und dient auch der Herstellung materieller Rechtskraft. Der Vortrag kann dann auch im nachgelagerten Rechtsschutzverfahren nicht mehr erbracht werden. Ein Beteiligter wird dann mit seinen Einwendungen überhaupt nicht mehr gehört, wenn er sie nicht rechtzeitig vorbringt. Derartige Regelungen finden sich eher selten.
Bei der formellen Präklusion ist der Beteiligte mit seinem Vortrag nur für das jeweilige Verfahren ausgeschlossen. Er kann dies aber später und auch noch im gerichtlichen Verfahren nachliefern, woraus ihm allerdings Nachteile entstehen können. Im Vergleich zum behördlichen Streitbeilegungsverfahren gelten dann andere Vorschriften hinsichtlich des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Bei § 215 Abs. 5 TKG spricht einiges dafür, dass der Vortrag nur für das jeweilige Verfahren bei der BNetzA präkludiert ist. So sagt der Wortlaut aus, dass die Beschlusskammer die betreffenden Erklärungen und Beweismittel zurückweisen kann, nicht jedoch weitere Erklärungen. Es dürfte sich also um eine formelle Präklusion handeln.
Was bedeutet die neue Präklusionsregelung konkret für Ihre Praxis?
Wenn Sie mit einer Beschlusskammer bei der BNetzA zu tun haben – sei es als Netzbetreiber, Diensteanbieter oder Rechtsabteilung eines Unternehmens – sollten Sie Ihre internen Abläufe an die verschärften Mitwirkungspflichten anpassen. Wer strategisch mit der BNetzA kommuniziert, sollte die neue Vorschrift nicht unterschätzen und sich auf derartige Beibringungslasten vorbereiten.
Sie benötigen eine Einschätzung zur Verfahrensstrategie oder zur konkreten Risikovermeidung? Wir beraten Sie umfassend regulatorisch und entwickeln eine konsistente Strategie.