Das kartellrechtliche Verbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV sowie § 1 GWB verbietet wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zwischen mehreren Unternehmen. Anders herum gilt das Verbot also nicht bei unternehmerischen Maßnahmen innerhalb desselben Unternehmens. Unternehmen im Sinne des Kartellrechts ist jede wirtschaftliche Einheit, die funktional eigenständig am Wettbewerb teilnimmt. Es gilt also ein funktional-materieller Unternehmensbegriff, der sich nicht nach formellen Kriterien und teilnehmenden Personen richtet.
Solange also Personen, ebenso juristische Personen, einem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck dienen, können ihre Handlungen demselben Unternehmen zugerechnet werden. Sie sind dann aus wettbewerbsrechtlicher Sicht inkorporiert. Damit findet keine Abstimmung zwischen mehreren Unternehmen statt. Solche Personen können grundsätzlich auch Handelsvertreter sein, selbst wenn sie aus handels- und gesellschaftsrechtlicher Sicht selbstständig sind. Eine Folge in der Praxis dieses sogenannten Handelsvertreterprivilegs ist dann, dass somit bloße unternehmensinterne Absprachen über Vertriebsbindungen mit dem Handelsvertreter “kartellfrei” sein können. Das Verbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV/§ 1 GWB gilt dann nicht. Für die Gestaltung von Vertriebsstrategien kann dies verantwortungsvoll und rechtskonform angewendet gewisse Vorteile haben.
Allerdings hat die Kommission in ihren aktuellen Vertikal-Leitlinien 2022 die Anforderungen für eine Ausnahme von dem Verbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV bei Handelsvertreterverträgen sehr streng vorgelegt. Es müssen damit kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Schnelle Weitergabe von Eigentum an Vertragswaren
- Handelsvertreter erbringt Vertragsleistungen nicht selbst
- Keine Beteiligung an Transportkosten
- Kein eigenes Vorratslager mit Vertragswaren
- Keine Haftung für Ausfallrisiko
- Keine Produkthaftung gegenüber Dritten
- Keine Pflicht zur Investition in Verkaufsförderung
- Keine anderen Tätigkeiten ohne vollständige Kostenerstattung
Es müssen alle Kriterien erfüllt sein, damit nach Ansicht der Kommission das kartellrechtliche Handelsvertreterprivileg eingreifen kann. Zusammenfassen lässt sich das damit, dass das unternehmerische Risiko im Zusammenhang mit dem Vertrieb allein bei dem Geschäftsherrn liegt. Der Handelsvertreter übernimmt dagegen kein unternehmerisches Risiko im Zusammenhang mit dem Vertrieb.
Diese Konstellation lässt sich im Grundsatz auch auf das Kommissionsgeschäfts übertragen, sofern der Kommissionär als Vertriebsmittler in die Unternehmensstruktur seines Auftraggebers eingegliedert ist. Ist er dies nicht, so ist der Kommissionär als eigenes Unternehmen anzusehen und das Verbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV/§ 1 GWB ist voll anwendbar. Dies hat dann auch die Folge, dass Preisbindungen für den Weitervertrieb verboten sind.
Insbesondere Letzteres ist dann aber wieder für die Vertragsgestaltung zu beachten. Denn bei Kommissionsgeschäften sind Vertragsregelungen mit Preisbindungswirkung nicht selten gewollt. Hier bieten sich damit also nur zwei Möglichkeiten zur Gestaltung: Entweder diese Vorhaben werden als eindeutig kartellrechtswidrig gestrichen oder aber der Kommissionär wird als kartellrechtlicher Handelsvertreter behandelt.