Das VG Köln hat am 5.8.2025 in einem Eilrechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine Entscheidung der Streitbeilegungsstelle der BNetzA angeordnet (Az. 1 L 2530/24). Der BK11-Beschluss ist bis zur Entscheidung über die eingelegte Klage nicht vollziehbar. Das nimmt die Sache nicht unbedingt vorweg, gibt aber bereits deutliche Hinweise auf die Rechtslage. Dies begründet das Gericht damit, dass die BNetzA-Entscheidung nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig sei.
Wir haben die Beigeladene in diesem Verfahren vertreten, die zuvor bei der BNetzA einen Streitbeilegungsantrag gestellt hatte. Die Entscheidung ist in der NRWE-Datenbank veröffentlicht.
Der Gerichtsbeschluss enthält einige sehr wichtige Aussagen für die Praxis. Er richtet sich zwar vorrangig an die BNetzA und adressiert Pflichten, welche diese bei Streitentscheidungen einhalten muss. Das ist aber auch für Unternehmen wichtig, die an Streitbeilegungsverfahren teilnehmen — sei es als Antragsteller oder als Antragsgegner.
Hier nur die Leitsätze mit meinen Hervorhebungen:
1. Entscheidet sich die Beschlusskammer im Rahmen der Festlegung der Bedingungen des offenen Netzzugangs nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG zu einer ersetzenden Anordnung des zivilrechtlichen Angebots, so muss das von ihr festgelegte Vertragsangebots hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG sein.
2. Zu einer Anordnung von Vor- oder Teilverträgen ist die Beschlusskammer in ihrer Zuständigkeit nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG nicht befugt. Die Beschlusskammer darf sich bei ihrer Entscheidung nicht auf die Regelung einzelner „streitiger“ Punkte beschränken und die Beteiligten ansonsten auf bilaterale Vertragsverhandlungen mit der Möglichkeit der erneuten Anrufung der Beschlusskammer verweisen. Die Beteiligten des offenen Netzzugangs sind durch die Entscheidung der Beschlusskammer so zu stellen, als wären die bilateralen vertraglichen Verhandlungen über den offenen Netzzugang erfolgreich gewesen. Denn das Verfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG ist in besonderem Maße auf zügige Herstellung von Wettbewerb im geförderten Netz ausgestaltet. Das gilt unbeschadet davon, dass die Beteiligten im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit einzelne oder sämtliche Festsetzungen der Beschlusskammer vertraglich abweichend regeln können.
3. Es spricht einiges dafür, dass die Beschlusskammer auf der dritten Stufe der Methoden der Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013, also der Festlegung der Vorleistungspreise im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, aufgrund einer unzureichenden Mitwirkung des zur Kostendarlegung Verpflichteten Entgelte auf 0,00 Euro festlegen kann.
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, welchen strikten Rahmen das Gericht der BNetzA bei ihren Streitbeilegungsentscheidungen vorgibt. Sie muss also verbindlich, umfassend und rechtzeitig entscheiden. Die Argumente des Gerichts lassen sich auf zwei wesentliche Punkte zusammenfassen:
Unbestimmtheit der Streitentscheidung
Ausgang dieses Verfahrens ist ein etwas kurioses Vorgehen der BNetzA. In den vorausgehenden bilateralen Verhandlungen der Parteien des Streitbeilegungsverfahrens hatte die Antragsgegnerin einen Vertragsentwurf vorgelegt, den sie Term Sheet benannte. Dieser konnte als Vorvertrag interpretiert werden. In ihrer Entscheidung wandelte die BNetzA dieses Angebot in einigen Punkten ab und überließ der Antragstellerin die Wahl, ob sie das modifizierte Angebot annehmen wolle, was diese in der Folge tat.
Das Gericht bemängelt nun, dass dieser Beschluss bereits unbestimmt ist. Das angeordnete modifizierte Term Sheet sei einerseits als Vorvertrag formuliert, aber andererseits als endgültiger Netznutzungsvertrag festgelegt. Das führe zu widersprüchlichen Regelungen. Das Gericht ist hier sehr deutlich: “Das, was die Behörde anordnet oder fordert, darf keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich sein”.
Für das Gericht ist insbesondere völlig unklar, welche Laufzeit die Beschlusskammer für den nach ihrem Willen endgültig angeordneten offenen Netzzugang festlegen wollte. Einerseits hat das modifizierte Term Sheet ein Ablaufdatum, andererseits verweist es auf einen Hauptvertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren.
Fehlende abschließende Regelung
Diese Argumente führen aber nicht nur zur Unbestimmtheit des Verwaltungsaktes. Die Streitentscheidung sei auch deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die Beschlusskammer nicht befugt ist, Vor- oder Teilverträge zu regeln. Sie müsse vielmehr eine umfassende Entscheidung über die Bedingungen des offenen Netzzugangs treffen, um die die Streitentscheidung abschließend zu regeln.
Man kann dies damit beschreiben, dass die BNetzA den Streitentscheidungsantrag “durchtenorieren” muss. Das schließe nach dem Gerichtsbeschluss nicht aus, dass die BNetzA zu Punkten keine Regelung trifft, zu denen es bereits eine Einigung gibt. Sie dürfe aber nicht die Beteiligten auf bilaterale Vertragsverhandlungen verweisen und sich allein auf die Regelung einzelner “streitiger” Punkte beschränken.
Für das Gericht bedeutet das, dass die BNetzA den offenen Netzzugang mit all seinen Bedingungen durchentscheiden und sicherstellen muss. Das kann zugegeben je nach Falllage etwas umfangreicher sein. Zudem ging es in dem Ausgangsfall um eine sehr spezielle Fallkonstellation. Hinzu kommt noch erschwerend eine Entscheidung des VG Köln vor einigen Monaten, wonach die BNetzA die gesetzlichen Entscheidungsfristen der Streitbeilegungsverfahren organisatorisch sicherstellen muss. Wie passt dies zusammen?
Die Beschlusskammer könnte vorbereitete Tenorierungsklauseln entwickeln, welche den Vorgaben des § 155 TKG entsprechen. Diese könnten dann je nach Fallkonstellation modifiziert werden. Das könnte auch zu einer gewissen Vorhersehbarkeit ihrer Verwaltungspraxis führen.
Es wäre sogar denkbar, dass sie sich hierzu bewusst im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung in einer Verwaltungsvorschrift äußert. Als Beispiel könnte die BNetzA eine einfache Art Musterrahmenvertrag entwickeln und die jeweiligen behördlichen Modifizierungen skizzieren. Das könnte ihr auch die Arbeit in einem konkreten Beilegungsverfahren erleichtern. Dies wäre auch mit der Pflicht zur konkreten Einzelfallentscheidung kombinierbar. Denn die Behörde müsste dennoch weiterhin jede Entscheidung begründen. Sie könnte aber ihre Regelfallannahme heranziehen, sofern es möglich ist. Andererseits wäre ein derartiges Vorgehen für die Unternehmen nicht verbindlich, sofern sie einvernehmlich eigene Regelungen vorsehen, was stets möglich ist.
Noch etwas zur Präklusionswirkung
Schließlich entschied das Gericht nicht zu der Frage, ob die BNetzA hier die Entgelte auf 0,00 EUR setzen durfte. Die Beschlusskammer hatte dies auf Grundlage der Präklusion aus § 215 Abs. 5 TKG begründet. Das Gericht gibt hier aber einige Hinweise. Insbesondere folgender Absatz ist interessant:
“Im Übrigen spricht jedoch einiges dafür, dass die Beschlusskammer auf der dritten Stufe der Methoden der Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013, also der Festlegung der Vorleistungspreise im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, nicht hinreichend nachgewiesene Entgelte auf 0,00 Euro festlegen kann. Denn der darüber für entsprechend anwendbar erklärte sektorale Rechtsrahmen sieht in § 43 TKG eine Kostendarlegungs- und Beweislast beim regulierten Unternehmen vor. Nach § 40 Abs. 4 Satz 3 TKG kann die Bundesnetzagentur eine Genehmigung der Entgelte auch versagen, wenn das Unternehmen die in § 43 TKG genannten Kostenunterlagen nicht vollständig vorgelegt hat.”
Das spricht also grundsätzlich für die Möglichkeit der Festlegung von Null-Entgelten mangels hinreichender Begründung der Kosten. Allerdings könnte ein Unternehmen jederzeit einen neuen Antrag auf Entgeltgenehmigung stellen, um dann dabei hinreichende Kostenunterlagen vorzulegen. Es besteht nach Auffassung des Gerichts also eh die Möglichkeit, zeitlich gesehen neue Anträge zu stellen. Das Gericht greift dies auch als Vorschlag für eine mögliche Entgeltanpassungsklausel oder eines Widerrufsvorbehalts auf.
