Es war nur eine Frage der Zeit, dass nun auch Apple von dem vor gut zwei Jahren eingeführten § 19a GWB erfasst wird. Vor wenigen Tagen hat die Behörde dies in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Auch Google, Amazon, Facebook und Microsoft sind bereits von dieser Vorschrift betroffen, einige davon lediglich im Rahmen der Feststellungsentscheidung auf der ersten Stufe.
Was steht drin in der Pressemitteilung?
Besonders hervor sticht hierbei eine Aussage gleich zum Beginn der Pressemitteilung:
“Das Bundeskartellamt kann in einem zweistufigen Vorgehen Verfahren Unternehmen, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.”
Das unterscheidet sich sehr deutlich von der gelegentlichen Bewertung, wonach nun besondere Missbrauchsregeln gelten. Dies ist eben erst dann der Fall, wenn das BKartA solche in einer zweiten Verfügung auferlegt. Aktuell hat das BKartA jedoch lediglich die erste Verfügung gegenüber Apple erlassen.
Laut dem Behördenpräsidenten Andreas Mundt sei Apple Betreiber eines umfassenden digitalen Ökosystems. Das Unternehmen nehme mit seinen proprietären Produkten iOS und dem App-Store Schlüsselpositionen für den Wettbewerb und für den Zugang zum Ökosystem und den Apple-Kunden ein. Zusätzlich kontrolliere es wesentlich die verfügbare Hardware. Damit bestehe eine stark wirkende Vertikalstruktur, die es dem Unternehmen erlaube, umfangreich den Wettbewerb zu kontrollieren.
Die Behörde äußert auch schon einen Verdacht zu möglichen wettbewerbsgefährdenden Praktiken. Schon im Jahr 2022 hatte sie eine Missbrauchsverfahren eingeleitet. Demnach bestehe der Verdacht der Selbstbegünstigung und missbräuchlichen Verdrängung.
Was folgt aus der Behördenentscheidung?
Bevor für Apple also unmittelbare Konsequenzen bestehen, müsste das BKartA also noch in einem weiteren Schritt bestimmte, sogenannte “wettbewerbsgefährdende” Praktiken untersagen. Ob eine oder mehrere derartige Entscheidungen kommen, ist dabei noch lange nicht gesagt, ebenso wenig deren Bestandskraft. Zum einen kann das weitere Verfahren erheblich durch die Mitwirkung von Apple gestaltet werden. So könnte das Unternehmen etwa die Behörde schlicht davon überzeugen, dass kein Anlass zum weiteren Vorgehen besteht. Es könnte auch Verpflichtungszusagen anbieten oder andere geeignete Maßnahmen treffen.
Zusätzlich ist das kartellbehördliche Verfahren des § 19a GWB von erheblichen Unsicherheiten für das BKartA geprägt. Denn wie alle behördlichen Entscheidungen müssen sich auch die nach § 19a GWB an die (kartell-)verwaltungsrechtlichen Grundsätze halten. Akzeptiert ein Unternehmen eine Entscheidung nicht, kann es dagegen gerichtlich wehren. Und in diesem Wege könnten einige rechtliche Einwände erörtert werden, die gegen die Vorschrift des § 19a GWB sprechen.
§ 19a GWB enthält nicht etwa ergänzende Verbotsregeln, sondern eine Art kartellrechtliche Ex-ante-Regulierung. Bereits systematisch passt die Vorschrift deshalb nicht an diese Stelle hinter das Marktmachtmissbrauchsverbot in § 19 GWB. Aufgrund seiner Ausgestaltung als Behördenverfahren ist ein Titel zudem irreführend, der auf unmittelbar einzuhaltende Verbote hindeutet. Aber das ist nur Kosmetik. Zahlreiche weitere Punkte sind dagegen fragwürdig an dieser Vorschrift:
- Der Verweis in § 19 Abs. 1 S. 1 auf § 18 Abs. 3a, der keine eigenständige Marktdefinition erhält, sondern deklaratorisch Marktmachtkriterien für besondere Marktkonstellationen aufnimmt;
- Zusätzliche unbestimmte Rechtsbegriffe wie zum Beispiel „erheblicher Umfang“, „überragende marktübergreifende Bedeutung“ oder „wettbewerbsrelevante Daten“;
- Die Möglichkeit zur Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb außerhalb der rechtlichen Kriterien zu Marktabgrenzung und Marktmacht;
- Die fehlenden Regelungen über Rücknahme und Widerruf der getroffenen Maßnahmen;
- Die fehlenden Regelungen über Rechtsschutz des betroffenen Unternehmens;
- Die fehlenden Regelungen über den Wegfall der Regulierungsbedürftigkeit;
- Die Umkehr des Regel-/Ausnahmeverhältnisses im Kartellrecht und die Auferlegung der Darlegungs- und Beweislast an das regulierte Unternehmen;
- Das Verhältnis der in Abs. 2 möglichen Einzelmaßnahmen zu § 19 GWB und zum DMA;
- Ihr Verhältnis zu den sonstigen Befugnissen des BKartA;
- Ungenaue Aussagen über Drittschutz und Vertrauensschutz der Maßnahmen nach Abs. 2.
Bestätigt sich der Verdacht im Rahmen der Missbrauchsuntersuchung jedoch, so könnte die Behörde die Befugnisse nach § 19a Abs. 2 GWB jedoch nutzen, um Apple spezifischere Maßnahmen aufzuerlegen. Insofern könnte die Vorschrift wie eine Schablone genutzt werden, um im Zusammenhang mit einer Abstellungsverfügung rechtssicher detailliertere Vorgaben zu machen. Auch dies ist wiederum ein Grund zum Zweifel an der Wirksamkeit der Vorschrift. Es hätten möglicherweise auch schlicht genauere Regelungsbefugnisse im Rahmen einer Abstellungsbefugnis und/oder Möglichkeiten für vorläufige Maßnahmen gereicht.