11. GWB-Novelle: Neue behördliche Maßnahmen nach einer Sektoruntersuchung

Vor kur­zem hat das BMWK den Regie­rungs­ent­wurf zur 11. GWB-Novel­le ver­öf­fent­licht. Die­se ent­hält drei gro­ße Rege­lungs­punk­te: ers­tens Umset­zungs­maß­nah­men zum Digi­tal Mar­kets Act, zwei­tens neue behörd­li­che Maß­nah­men im Anschluss an eine Sek­tor­un­ter­su­chung und drit­tens Erleich­te­run­gen bei der Vorteilsabschöpfung.

Eine Übersicht über die neuen behördlichen Maßnahmen

Bereits bis­her haben das BKar­tA und die zustän­di­gen Lan­des­kar­tell­äm­ter die Mög­lich­keit, eine Sek­tor­un­ter­su­chung durch­zu­füh­ren. Dabei han­delt es sich um ein Ver­fah­ren zur Gene­rie­rung von Wis­sen bei der Behör­de. Um ein sol­ches ein­zu­lei­ten müs­sen kei­ne Anhalts­punk­te für Ver­stö­ße gegen kar­tell­recht­li­che Ver­bots­vor­schrif­ten vor­lie­gen. Aus­rei­chend ist, dass die Umstän­de ver­mu­ten las­sen, dass der Wett­be­werb im Inland mög­li­cher­wei­se ein­ge­schränkt oder ver­fälscht ist.

Ergänzt wer­den soll jetzt die Vor­schrift eines neu­en § 32f GWB.

Der vorgeschlagene Wortlaut des § 32f GWB-neu

(1) Nach der Ver­öf­fent­li­chung eines Berichts nach § 32e Absatz 4 zu einer Sek­tor­un­ter­su­chung nach § 32e Absatz 1 hat das Bun­des­kar­tell­amt unbe­scha­det sei­ner sons­ti­gen Befug­nis­se die wei­te­ren Befug­nis­se gemäß den Absät­zen 2 bis 4. Dies gilt nicht in Fäl­len des § 32e Absatz 6.

(2) Wenn objek­tiv nach­voll­zieh­ba­re Anhalts­punk­te dafür bestehen, dass durch künf­ti­ge Zusam­men­schlüs­se der wirk­sa­me Wett­be­werb im Inland in einem oder meh­re­ren der in dem Bericht nach § 32e Absatz 4 unter­such­ten Wirt­schafts­zwei­ge im Sin­ne von § 36 Absatz 1 erheb­lich behin­dert wer­den könn­te, kann das Bun­des­kar­tell­amt Unter­neh­men durch Ver­fü­gung ver­pflich­ten, jeden Zusam­men­schluss im Sin­ne von § 37 in einem oder meh­re­ren die­ser Wirt­schafts­zwei­ge inner­halb eines Zeit­raums von drei Jah­ren ab Zustel­lung der Ver­fü­gung nach § 39 anzu­mel­den. Die Anmel­de­pflicht nach Satz 1 gilt nur für Zusam­men­schlüs­se, bei denen der Erwer­ber im letz­ten Geschäfts­jahr Umsatz­er­lö­se im Inland von mehr als 50 Mil­lio­nen Euro und das zu erwer­ben­de Unter­neh­men im letz­ten Geschäfts­jahr mehr als 500 000 Euro Umsatz erzielt hat. § 36 Absatz 1 Satz 2 Num­mer 2 ist auf von dem Unter­neh­men in den unter­such­ten Wirt­schafts­zwei­gen ange­mel­de­te Zusam­men­schlüs­se nicht anzu­wen­den. Im Übri­gen gel­ten die auf Zusam­men­schlüs­se im Sin­ne des Kapi­tels 7 anwend­ba­ren Vor­schrif­ten die­ses Geset­zes. Sofern die Vor­aus­set­zun­gen nach Satz 1 nach Ablauf des Zeit­raums von drei Jah­ren fort­be­stehen, kann das Bun­des­kar­tell­amt die Anmel­de­ver­pflich­tung um drei Jah­re ver­län­gern; wie­der­hol­te Ver­län­ge­run­gen um jeweils drei Jah­re sind zulässig.

(3) Das Bun­des­kar­tell­amt kann durch Ver­fü­gung fest­stel­len, dass eine erheb­li­che und fort­wäh­ren­de Stö­rung des Wett­be­werbs auf min­des­tens einem min­des­tens bun­des­wei­ten Markt, meh­re­ren ein­zel­nen Märk­ten oder markt­über­grei­fend vor­liegt, soweit die Anwen­dung der sons­ti­gen Befug­nis­se nach Teil 1 die­ses Geset­zes nach den im Zeit­punkt der Ent­schei­dung beim Bun­des­kar­tell­amt vor­lie­gen­den Erkennt­nis­sen vor­aus­sicht­lich nicht aus­reicht, um der fest­ge­stell­ten Stö­rung des Wett­be­werbs ange­mes­sen ent­ge­gen­zu­wir­ken. Die Ver­fü­gung nach Satz 1 ergeht gegen­über einem oder meh­re­ren Unter­neh­men, die als Adres­sa­ten von Maß­nah­men nach Satz 6 oder Absatz 4 in Betracht kom­men. Adres­sa­ten von Maß­nah­men kön­nen Unter­neh­men sein, die durch ihr Ver­hal­ten zur Stö­rung des Wett­be­werbs wesent­lich bei­tra­gen. Bei der Aus­wahl der Adres­sa­ten und der Abhil­fe­maß­nah­men ist ins­be­son­de­re auch die Markt­stel­lung des Unter­neh­mens zu berück­sich­ti­gen. Das Bun­des­kar­tell­amt kann die Ver­fü­gung nach Satz 1 durch Beschluss zu einem spä­te­ren Zeit­punkt auf wei­te­re Unter­neh­men aus­deh­nen. Das Bun­des­kar­tell­amt kann im Fal­le einer Fest­stel­lung nach Satz 1 den betrof­fe­nen Unter­neh­men alle Abhil­fe­maß­nah­men ver­hal­tens­ori­en­tier­ter oder struk­tu­rel­ler Art vor­schrei­ben, die zur Besei­ti­gung oder Ver­rin­ge­rung der Stö­rung des Wett­be­werbs erfor­der­lich sind. Die Abhil­fe­maß­nah­men kön­nen ins­be­son­de­re Fol­gen­des zum Gegen­stand haben:

  1. die Gewäh­rung des Zugangs zu Daten, Schnitt­stel­len, Net­zen oder sons­ti­gen Einrichtungen,
  2. Vor­ga­ben zu den Geschäfts­be­zie­hun­gen zwi­schen Unter­neh­men auf den unter­such­ten Märk­ten und auf ver­schie­de­nen Marktstufen,
  3. Ver­pflich­tung zur Eta­blie­rung trans­pa­ren­ter, dis­kri­mi­nie­rungs­frei­er und offe­ner
    Nor­men und Stan­dards durch Unternehmen,
  4. Vor­ga­ben zu bestimm­ten Ver­trags­for­men oder Ver­trags­ge­stal­tun­gen ein­schließ­lich ver­trag­li­cher Rege­lun­gen zur Informationsoffenlegung,
  5. das Ver­bot der ein­sei­ti­gen Offen­le­gung von Infor­ma­tio­nen, die ein Par­al­lel­ver­hal­ten von Unter­neh­men begünstigen,
  6. die orga­ni­sa­to­ri­sche Tren­nung von Unter­neh­mens- oder Geschäftsbereichen.

§ 32 Absatz 2 gilt entsprechend.

(4) Das Bun­des­kar­tell­amt kann unter den Vor­aus­set­zun­gen des Absat­zes 3 markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men sowie Unter­neh­men mit einer über­ra­gen­den markt­über­grei­fen­den Bedeu­tung für den Wett­be­werb nach § 19a Absatz 1 durch Ver­fü­gung dazu ver­pflich­ten, Unter­neh­mens­an­tei­le oder Ver­mö­gen zu ver­äu­ßern, wenn zu erwar­ten ist, dass durch die­se Maß­nah­me die erheb­li­che und fort­wäh­ren­de Stö­rung des Wett­be­werbs besei­tigt oder erheb­lich ver­rin­gert wird. Abhil­fe­maß­nah­men nach Satz 1 dür­fen nur ange­ord­net wer­den, wenn Abhil­fe­maß­nah­men nach Absatz 3 Satz 6 nicht mög­lich sind, nicht von glei­cher Wirk­sam­keit oder im Ver­gleich zu Abhil­fe­maß­nah­men nach Satz 1 mit einer grö­ße­ren Belas­tung für das Unter­neh­men ver­bun­den wären. Vor Erlass der Ver­fü­gung ist der Mono­pol­kom­mis­si­on und den nach § 48 Absatz 1 zustän­di­gen obers­ten Lan­des­be­hör­den, in deren Gebiet das Unter­neh­men sei­nen Sitz hat, Gele­gen­heit zur Stel­lung­nah­me zu geben. Die Ver­fü­gung nach Satz 1 ist im Bun­des­an­zei­ger bekannt zu machen. § 43 Absatz 3 ist ent­spre­chend anzu­wen­den mit der Maß­ga­be, dass nur die Anga­ben nach § 39 Absatz 3 Satz 2 Num­mer 1 und 2 bekannt zu machen sind. Die Ver­fü­gung kann mit Neben­be­stim­mun­gen ver­bun­den wer­den. § 41 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 gel­ten ent­spre­chend. Der Ver­mö­gens­teil muss nur ver­äu­ßert wer­den, wenn der Erlös min­des­tens 50 Pro­zent des­je­ni­gen Wer­tes beträgt, den ein vom Bun­des­kar­tell­amt zu beauf­tra­gen­der Wirt­schafts­prü­fer fest­ge­stellt hat. Soweit der tat­säch­li­che Ver­kaufs­er­lös den vom zu beauf­tra­gen­den Wirt­schafts­prü­fer fest­ge­stell­ten Wert unter­schrei­tet, erhält das ver­äu­ßern­de Unter­neh­men eine zusätz­li­che Zah­lung in Höhe der Hälf­te der Dif­fe­renz zwi­schen dem fest­ge­stell­ten Wert und dem tat­säch­li­chen Ver­kaufs­er­lös. Erstreckt sich die Ver­fü­gung auf Ver­mö­gens­tei­le, die vor der Ein­lei­tung eines Ver­fah­rens nach die­sem Absatz Gegen­stand einer bestands­kräf­ti­gen Frei­ga­be eines Zusam­men­schlus­ses durch das Bun­des­kar­tell­amt oder die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on waren oder nach der Ertei­lung einer bestands­kräf­ti­gen Minis­ter­er­laub­nis erwor­ben wur­den, so ist die Ver­fü­gung nur zuläs­sig, wenn der Zeit­raum zwi­schen ihrer Zustel­lung und der Zustel­lung der fusi­ons­kon­troll­recht­li­chen Ver­fü­gung grö­ßer als zehn Jah­re ist. Ist kein Haupt­prüf­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wor­den, so tritt an die Stel­le der Zustel­lung der Ver­fü­gung der Ablauf der Frist nach § 40 Absatz 1 Satz 1. Tei­le des Ver­mö­gens, die ein Unter­neh­men auf­grund einer Ver­pflich­tung nach die­sem Absatz oder auf­grund einer Ver­pflich­tungs­zu­sa­ge nach Absatz 6 ver­äu­ßert hat, darf das Unter­neh­men inner­halb von fünf Jah­ren nach der Ver­äu­ße­rung nicht zurück­er­wer­ben, es sei denn, es weist nach, dass sich die Markt­ver­hält­nis­se so geän­dert haben, dass eine erheb­li­che und fort­wäh­ren­de Stö­rung des Wett­be­werbs nicht mehr vorliegt.

(5) Eine Stö­rung des Wett­be­werbs kann ins­be­son­de­re in fol­gen­den Fäl­len vorliegen:

  1. uni­la­te­ra­le Ange­bots- oder Nachfragemacht,
  2. Beschrän­kun­gen des Markt­zu­tritts, des Markt­aus­tritts oder der Kapa­zi­tä­ten von Unter­neh­men oder des Wech­sels zu einem ande­ren Anbie­ter oder Nachfrager,
  3. gleich­för­mi­ges oder koor­di­nier­tes Ver­hal­ten, oder
  4. Abschot­tung von Ein­satz­fak­to­ren oder Kun­den durch ver­ti­ka­le Beziehungen.

Bei der Prü­fung, ob eine Stö­rung des Wett­be­werbs vor­liegt, soll ins­be­son­de­re Fol­gen­des berück­sich­tigt werden:

  1. Anzahl, Grö­ße, Finanz­kraft und Umsät­ze der auf den betrof­fe­nen Märk­ten oder markt­über­grei­fend täti­gen Unter­neh­men, die Markt­an­teils­ver­hält­nis­se sowie der Grad der Unternehmenskonzentration,
  2. Ver­flech­tun­gen der Unter­neh­men auf den betrof­fe­nen, den vor- und nach­ge­la­ger­ten oder in sons­ti­ger Wei­se mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Märkten,
  3. Prei­se, Men­gen, Aus­wahl und Qua­li­tät der ange­bo­te­nen Pro­duk­te oder Dienst­leis­tun­gen auf den betrof­fe­nen Märkten,
  4. Trans­pa­renz und Homo­ge­ni­tät der Güter auf den betrof­fe­nen Märkten,
  5. Ver­trä­ge und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Unter­neh­men auf den betrof­fe­nen Märkten,
  6. Grad der Dyna­mik auf den betrof­fe­nen Märk­ten sowie
  7. dar­ge­leg­te Effi­zi­enz­vor­tei­le, ins­be­son­de­re Kos­ten­ein­spa­run­gen oder Inno­va­tio­nen, bei ange­mes­se­ner Betei­li­gung der Verbraucher.

Eine Stö­rung des Wett­be­werbs ist fort­wäh­rend, wenn die­se über einen Zeit­raum von drei Jah­ren dau­er­haft vor­ge­le­gen hat oder wie­der­holt auf­ge­tre­ten ist und zum Zeit­punkt der Ver­fü­gung nach Absatz 3 kei­ne Anhalts­punk­te bestehen, dass die Stö­rung inner­halb von zwei Jah­ren mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit ent­fal­len wird.

(6) § 32b gilt für Ver­fah­ren nach den Absät­zen 3 und 4 entsprechend.

(7) Ver­fü­gun­gen nach den Absät­zen 2 bis 4 sol­len inner­halb von 18 Mona­ten nach der Ver­öf­fent­li­chung des Berichts nach § 32e Absatz 4 erge­hen.
(8) Auf Märk­ten in den von der Bun­des­netz­agen­tur regu­lier­ten Sek­to­ren Eisen­bahn, Post und Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on, für die sek­tor­spe­zi­fi­sches Wett­be­werbs­recht gilt, sowie den regu­lier­ten Elek­tri­zi­täts- und Gas­ver­sor­gungs­net­zen gemäß Ener­gie­wirt­schafts­ge­setz, bedarf das Bun­des­kar­tell­amt zur Ergrei­fung von Abhil­fe­maß­nah­men nach den Absät­zen 3 und 4 des Ein­ver­neh­mens der Bun­des­netz­agen­tur; die Bun­des­netz­agen­tur ver­öf­fent­licht hier­zu jeweils eine Stel­lung­nah­me. Mög­li­che Abhil­fe­maß­nah­men nach den Absät­zen 3 und 4 sind bei der Prü­fung im Rah­men der Markt­ana­ly­se nach § 11 Absatz 2 Num­mer 3 des Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­set­zes nicht zu berücksichtigen.

Eine erste Analyse

Die Vor­schrift soll dem BKar­tA — den Lan­des­kar­tell­be­hör­den nicht — wei­te­re Befug­nis­se ein­räu­men. Die­se sind in der Fol­ge sehr umfang­reich. Sie sind an die for­mel­le Vor­aus­set­zung geknüpft, dass ein Bericht nach § 32e Abs. 4 GWB zu einer Sek­tor­un­ter­su­chung ver­öf­fent­licht wur­de. Aller­dings ermög­licht § 32e Abs. 4 GWB in sei­ner geplan­ten neu­en Fas­sung auch einen Bericht der obers­ten Lan­des­be­hör­den als zustän­di­ge Lan­des­kar­tell­äm­ter. Unab­hän­gig davon, dass eher weni­ge der­ar­ti­ge Berich­te zu erwar­ten wären, wird das BKar­tA sehr wahr­schein­lich stets selbst ermitteln.

In Abs. 2 ist vor­ge­se­hen, dass das BKar­tA Unter­neh­men zur Anmel­dung von Zusam­men­schlüs­sen ver­pflich­ten kann. Dafür sol­len dann abge­senk­te Auf­greif­schwell­wer­te gel­ten. Erfor­der­lich sind objek­tiv nach­voll­zieh­ba­re Anhalts­punk­te dafür, dass durch künf­ti­ge Zusam­men­schlüs­se der wirk­sa­me Wett­be­werb im Inland in einem oder meh­re­ren der in dem Bericht unter­such­ten Wirt­schafts­zwei­ge im Sin­ne von § 36 Abs. 1 GWB erheb­lich behin­dert wer­den könn­te. Dabei soll die Baga­tell­markt­re­ge­lung des § 36 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GWB nicht gelten.

Abs. 3 hat es dann in sich: Danach kann das BKar­tA durch Ver­fü­gung fest­stel­len, dass eine erheb­li­che und fort­wäh­ren­de Stö­rung des Wett­be­werbs auf min­des­tens einem ent­we­der min­des­tens bun­des­wei­ten Markt, meh­re­ren ein­zel­nen Märk­ten oder markt­über­grei­fend vor­liegt. Erfor­der­lich ist dafür, dass die Anwen­dung der sons­ti­gen Befug­nis­se wegen Ver­stö­ßen gegen mate­ri­ell­recht­li­che Ver­bots­vor­schrif­ten nicht aus­rei­chen, um die­ser Stö­rung ange­mes­sen ent­ge­gen zu wir­ken. Es kommt aber nicht auf kon­kret fest­ge­stell­te Wett­be­werbs­rechts­ver­stö­ße an, son­dern ledig­lich auf eine Wett­be­werbs­stö­rung. Ergeht eine sol­che Ver­fü­gung, so kann das BKar­tA “alle Abhil­fe­maß­nah­men ver­hal­tens­ori­en­tier­ter oder struk­tu­rel­ler Art vor­schrei­ben, die zur Besei­ti­gung oder Ver­rin­ge­rung der Stö­rung des Wett­be­werbs erfor­der­lich sind”. Damit schafft die­se Vor­schrift eine wett­be­werb­li­che Gene­ral­klau­sel zur Abstel­lung fest­ge­stell­ter Wett­be­werbs­stö­run­gen. Kri­tisch könn­te hier­bei sein, dass kei­ne wei­te­ren Ver­fah­rens­vor­schrif­ten vor­ge­se­hen sind. Damit wür­de das BKar­tA also im regu­lä­ren Ver­fah­ren entscheiden.

Was eine Stö­rung des Wett­be­werbs ist, soll Abs. 5 regeln. Dort sind exem­pla­risch eini­ge Fäl­le auf­ge­lis­tet, die so nicht schon von den Ver­bo­ten erfasst sind. Wei­ter­hin bie­tet die­ser Absatz Bestim­mungs­kri­te­ri­en für die Wettbewerbsstörung.

Die ein­zel­nen Abhil­fe­maß­nah­men sind sehr weit­rei­chend und grei­fen hin­ein in bestehen­de Geschäftsbeziehungen: 

  1. die Gewäh­rung des Zugangs zu Daten, Schnitt­stel­len, Net­zen oder sons­ti­gen Einrichtungen,
  2. Vor­ga­ben zu den Geschäfts­be­zie­hun­gen zwi­schen Unter­neh­men auf den unter­such­ten Märk­ten und auf ver­schie­de­nen Marktstufen,
  3. Ver­pflich­tung zur Eta­blie­rung trans­pa­ren­ter, dis­kri­mi­nie­rungs­frei­er und offe­ner
    Nor­men und Stan­dards durch Unternehmen,
  4. Vor­ga­ben zu bestimm­ten Ver­trags­for­men oder Ver­trags­ge­stal­tun­gen ein­schließ­lich ver­trag­li­cher Rege­lun­gen zur Informationsoffenlegung,
  5. das Ver­bot der ein­sei­ti­gen Offen­le­gung von Infor­ma­tio­nen, die ein Par­al­lel­ver­hal­ten von Unter­neh­men begünstigen,
  6. die orga­ni­sa­to­ri­sche Tren­nung von Unter­neh­mens- oder Geschäftsbereichen.

Eine Pflicht zur Eta­blie­rung von Nor­men und Stan­dards könn­te wohl nur dann erfol­gen, wenn sicher ist, dass allein die ver­pflich­te­ten Unter­neh­men zu die­ser Eta­blie­rung in der Lage sind. Ansons­ten wür­den Nor­men und Stan­dards gera­de im Wett­be­werb gebil­det. Beson­ders bri­sant ist natür­lich hier die Mög­lich­keit einer Ent­flech­tung von Unternehmen. 

Nach Abs. 4 soll das BKar­tA auch die Pflicht zur Ver­äu­ße­rung von Unter­neh­mens­tei­len oder Ver­mö­gen ver­fü­gen kön­nen. Der­ar­ti­ge Abhil­fe­maß­nah­men dür­fen aller­dings nur dann ange­ord­net wer­den, wenn die ande­ren auf­ge­lis­te­ten Abhil­fe­maß­nah­men nicht mög­lich ist. Inter­es­sant wird es dann in Abs. 4 S. 7: Danach muss ein Ver­mö­gens­an­teil nur ver­äu­ßert wer­den, wenn der Erlös min­des­tens 50 % des­je­ni­gen Wer­tes beträgt, den ein vom BKar­tA zu beauf­tra­gen­der Wirt­schafts­prü­fer fest­ge­stellt hat. Die­ses Betä­ti­gungs­feld kann auch den Ver­mö­gens­wert bei Daten betref­fen. Wirk­lich prak­ti­ka­bel ist das aller­dings nicht, denn der nach­fol­gen­de Abs. 4 S. 8 schlägt dann vor, dass das zur Ver­äu­ße­rung ver­pflich­te­te Unter­neh­men bei einem unter­halb die­ses Wer­tes lie­gen­den tat­säch­li­chen Erlös die Dif­fe­renz ersetzt erhält. Das ist unter ver­fas­sungs­recht­li­chen Gesichts­punk­ten sicher ange­bracht. Aber wel­che Behör­de ord­net der­ar­ti­ge Ver­äu­ße­rungs­ab­hil­fen an, wenn sie mit der eige­nen spä­te­ren Inan­spruch­nah­me rech­nen muss?

Einen Schlen­ker in das sek­tor­spe­zi­fi­sche Markt­re­gu­lie­rungs­recht unter­nimmt dann Abs. 8 noch. So ist es nicht aus­ge­schlos­sen, dass sich eine Sek­tor­un­ter­su­chung mit einem Bereich befasst, der auch durch die BNetzA regu­liert wird. In die­sem Fall muss das BKar­tA das Ein­ver­neh­men der BNetzA her­stel­len. Kom­men Abhil­fe­maß­nah­men anschlie­ßend zustan­de, so gel­ten die­se nicht als sol­che nach dem all­ge­mei­nen Wett­be­werbs­recht im Rah­men des Drei-Kri­te­ri­en-Tests nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 TKG. Dies geht aus Abs. 8 S. 2 her­vor, wonach mög­li­che Abhil­fe­maß­nah­men im Rah­men der Prü­fung nicht zu berück­sich­ti­gen sind. Das ist eine etwas unge­wöhn­li­che Rege­lung, die auch in den Kom­pe­tenz­be­reich der BNetzA ein­greift und nach dem EECC gerecht­fer­tigt sein müss­te. Aller­dings stellt die­se Rege­lung auch eine Schran­ke für das kar­tell­recht­li­che Ein­grei­fen dar, um die Mög­lich­kei­ten einer tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­recht­li­chen Markt­re­gu­lie­rung nicht zu limitieren.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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