Anerkenntnisurteil im Verwaltungsprozess möglich?

Wie ist mit einem abge­ge­be­nen Aner­kennt­nis im Ver­wal­tungs­pro­zess umzu­ge­hen? Die­se Fra­ge stell­te sich uns in der Pra­xis vor eini­ger Zeit. 

Abgabe eines Anerkenntnisses ohne Schadlosstellung

Hin­ter­grund war ein Begeh­ren unse­rer Man­dant­schaft gegen­über einer Kör­per­schaft des öffent­li­chen Rechts, auf einem von die­ser kon­trol­lier­ten Markt behin­de­rungs­frei zuge­las­sen zu wer­den. Sie hat­te zuvor einen Antrag auf Zulas­sung gestellt. Nach eini­gem Hin und Her erließ die KöR einen förm­li­chen Ableh­nungs­be­scheid. Auf einen ein­ge­leg­ten statt­haf­ten Wider­spruch reagier­te sie nicht inner­halb von drei Mona­ten. Des­halb folg­te eine Ver­pflich­tungs­kla­ge beim zustän­di­gen Verwaltungsgericht.

Eini­ge Wochen nach Zustel­lung der Kla­ge mel­de­te sich eine Lei­tungs­per­son der KöR bei unse­rer Man­dant­schaft und kün­dig­te die behin­de­rungs­freie Zulas­sung für den von ihr kon­trol­lier­ten Markt an. Inter­es­sant war dann jedoch das Ver­hal­ten der KöR im Ver­wal­tungs­pro­zess. Dort ließ sie anwalt­lich ver­tre­ten Fol­gen­des vortragen:

“Die vor­lie­gen­de Kla­ge dürf­te bereits des­halb unzu­läs­sig sein, weil das obli­ga­to­ri­sche Wider­spruchs­ver­fah­ren noch nicht ord­nungs­ge­mäß durch­ge­führt wor­den ist. Namens und im Auf­trag des Beklag­ten wird im Übri­gen nach­fol­gen­des sofor­ti­ges Aner­kennt­nis abgegeben:”

Es folg­te eine Erklä­rung, wonach der Ableh­nungs­be­scheid auf­ge­ho­ben wür­de und dem Kla­ge­be­geh­ren wort­laut­ge­nau ent­spro­chen wür­de. Eine Auf­he­bung des Ableh­nungs­be­scheids durch Ver­wal­tungs­akt erfolg­te jedoch nicht. Schließ­lich ließ die beklag­te KöR in dem Schrift­satz erklä­ren, der Rechts­streit habe sich damit erledigt.

Zu der ers­ten Aus­sa­ge kennt § 75 VwGO eine deut­li­che Aus­sa­ge. Danach ist eine Kla­ge vor Abschluss des Vor­ver­fah­rens zuläs­sig, wenn über den Wider­spruch ohne zurei­chen­den Grund in ange­mes­se­ner Frist sach­lich nicht ent­schie­den wor­den ist. Klar­stel­lend sieht § 75 S. 2 VwGO eine Drei­mo­nats­frist seit Ein­le­gung des Wider­spruchs vor, die hier abge­lau­fen war. 

Verwirrung des Verwaltungsgerichts über abgegebenes Anerkenntnis

Zu der zwei­ten Aus­sa­gen ließ das Gericht zunächst anfra­gen, ob die beklag­te KöR dem Wider­spruch abge­hol­fen hät­te. Wei­ter­hin erging fol­gen­der Hin­weis durch die Berichterstatterin:

“Die VwGO sieht jeden­falls ein sog. Aner­kennt­nis­ur­teil nicht aus­drück­lich vor. Allen­falls über die Ver­wei­sung in § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO wäre dies mög­lich; was aller­dings nicht der gän­gi­gen ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Pra­xis entspricht.”

Stimmt dies? Tat­säch­lich haben Aner­kennt­nis­se in der ver­wal­tungs­pro­zess­recht­li­chen Pra­xis eine ver­schwin­den­de Rele­vanz. Denn eine beklag­te Behör­de kann einen Klä­ger regel­mä­ßig dadurch schad­los stel­len, dass sie sei­nem Begeh­ren ent­spricht, wodurch sich der Rechts­streit erle­digt. Dies ist auch kos­ten­tech­nisch ein sinn­vol­le­res Vorgehen. 

Anerkenntnis auch im Verwaltungsprozess ausdrücklich möglich

Das ist jedoch kein Grund gegen ein Aner­kennt­nis­ur­teil auch im Ver­wal­tungs­pro­zess. Denn ers­tens folgt die­se Mög­lich­keit allein schon aus dem Ver­weis des § 173 VwGO auf die ZPO, sodass ins­be­son­de­re des­sen Rege­lung über das Aner­kennt­nis­ur­teil gemäß § 307 ZPO ent­spre­chend anwend­bar ist. Gemäß § 307 S. 1 ZPO ist dem Aner­kennt­nis ent­spre­chend zu ver­ur­tei­len. Ein Antrag ist dafür anders als frü­her nicht mehr erfor­der­lich. Dies hat auch schon das BVerwG im Jahr 1997 durch Gerichts­be­scheid (Az.: 4 A 20/95) ent­schie­den. Dort wird auch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Ver­wal­tungs­pro­zess­recht sehr wohl Rege­lun­gen zum Aner­kennt­nis kennt, nämlich:

  • § 87a Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Ent­schei­dung durch den Vor­sit­zen­den bei Anerkenntnis
  • § 156 VwGO, Kos­ten­ent­schei­dung bei sofor­ti­gem Anerkenntnis
  • Zusätz­lich sieht das Kos­ten­ver­zeich­nis zum GKG im Teil 5 zu Ver­fah­ren vor den Gerich­ten der Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit aus­drück­lich auch Rege­lun­gen zum Aner­kennt­nis vor

Aus dem Gerichts­be­scheid des BVerwG lässt sich die Argu­men­ta­ti­on ent­neh­men, dass auch im Ver­wal­tungs­pro­zess ein Beklag­ter im Rah­men der Dis­po­si­ti­ons­ma­xi­me han­deln und ein Aner­kennt­nis abge­ben kann. Das Aner­kennt­nis stellt neben den sons­ti­gen Mit­teln zur Been­di­gung eines Rechts­streits ein wei­te­res grund­sätz­lich geeig­ne­tes Mit­tel dar, um einen Klä­ger ganz oder teil­wei­se schad­los zu stellen.

Hier­ge­gen spricht auch nicht der gericht­li­che Amts­er­mitt­lungs­grund­satz aus § 86 Abs. 1 VwGO. Die­ser lässt die Dis­po­si­ti­ons­ma­xi­me der Betei­lig­ten im ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren unbe­rührt. Er beschränkt ledig­lich deren Herr­schaft über den dem Rechts­streit zugrund­lie­gen­den Tat­sa­chen­stoff. Wird ein Aner­kennt­nis abge­ge­ben, darf das Gericht nicht ein­mal mehr über die Sache ent­schei­den, da ein Aner­kennt­nis­ur­teil von Amts wegen zu erfol­gen hat. In der von uns betreu­ten Ange­le­gen­heit wur­de schließ­lich eine umfas­sen­de Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung abgeschlossen.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

Weitere Artikel

Newsletter

Updates zum Kartell- und Telekommunikationsrecht