Ende Juni 2025 hat der Bundestag eine Änderung des § 1 Abs. 1 TKG beschlossen. Wir hatten damals ausführlich berichtet.
Aktuell ist das VATM-Jahrbuch 2025 erschienen. Dort findet sich eine kurze Anmerkung von mir zu der Frage, ob es im Zusammenhang mit dem überragenden öffentlichen Interesse auch überragende Lösungen geben wird. Hintergrund ist folgender neuer § 1 Abs. 1 S. 2 ganz am Anfang des TKG
„Die Verlegung und die Änderung von Telekommunikationslinien zum Ausbau von öffentlichen Telekommunikationsnetzen liegen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 im überragenden öffentlichen Interesse.“
Was auf den ersten Blick deklaratorisch wirkt, ist in Wahrheit rechtlich folgenreich – insbesondere für kommunale Planungsträger. Es muss aber auch so angewandt werden. Dafür verspricht die neue Vorschrift keine Gewähr.
Gesetzgeberisches Ziel: Abwägung auch schon in der Planungsebene
Der Gesetzgeber betont in seiner Begründung ausdrücklich, dass das überragende öffentliche Interesse nicht erst in Genehmigungsverfahren, sondern bereits in der vorgelagerten Planung zu berücksichtigen ist. Auch Planungsbehörden – insbesondere Kommunen – müssen diese gesetzgeberische Wertung als Abwägungsbelang einbeziehen. Unterbleibt dies, drohen Planungsfehler.
Das betrifft etwa Flächennutzungspläne, städtebauliche Vorgaben oder die Koordinierung von Tiefbaumaßnahmen. Die gesetzgeberische Aussage ist eindeutig: Der Vorrang des Telekommunikationsnetzausbaus beginnt nicht mit dem Antrag, sondern mit der Planung.
Abgrenzung gegenüber kommunaler Eigensteuerung
Noch weiter reicht die gesetzliche Festlegung bei einer „angemaßten Planungshoheit“ der Kommunen. Denn das überragende öffentliche Interesse gilt nicht nur innerhalb der kommunalen Planungsspielräume, sondern auch gegenüber Maßnahmen, die außerhalb gesetzlicher Zuständigkeit erfolgen, etwa durch informelle Steuerung oder operative Koordinierungsanordnungen.
Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen Kommunen versuchen, konkurrierende Anbieter durch Vorgaben zur Mitverlegung oder Bauzeitabstimmung einzuschränken – etwa auf Grundlage eines vermeintlichen Ermessens nach § 127 TKG. Die Neufassung des § 1 Abs. 1 TKG schließt derartige Eingriffe normativ weiter ein: Das unternehmerische Netzausbauvorhaben steht unter gesetzlichem Vorrangschutz.
Öffentliche Daseinsvorsorge durch privatwirtschaftliche Umsetzung
Die Gesetzesbegründung ordnet die Änderung in einen größeren Zusammenhang ein: Pandemien, Naturkatastrophen und geopolitische Krisen hätten gezeigt, wie zentral leistungsfähige Telekommunikationsnetze für die Funktionsfähigkeit staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen sind.
Gleichzeitig bleibt die unternehmerische Entscheidung über Art und Umfang des Ausbaus unberührt. Der Gesetzgeber erklärt ausdrücklich: Das öffentliche Interesse an Verlegung und Änderung umfasst jede Maßnahme, die dem Netzausbau dient – unabhängig von Motivation oder Adressat. Das stärkt die Rechtsposition privatwirtschaftlicher Vorhaben gegenüber verzögernden oder steuernden Eingriffen Dritter.
Die neue gesetzliche Formulierung verschiebt die rechtliche Gewichtung zugunsten des Ausbaus – nicht nur im Verfahren, sondern bereits in der Konzeption. Planung, die das überragende öffentliche Interesse nicht berücksichtigt oder relativiert, wird rechtlich angreifbar.
Wenn Sie in Ihrem beruflichen Umfeld mit Planungshoheit, Tiefbausteuerung oder strategischer Regulierung befasst sind – und jemanden kennen, für den diese Einordnung relevant sein könnte: Empfehlen Sie uns gerne oder leiten Sie diesen Beitrag weiter!