In einer Eilentscheidung des VG Köln aus diesem Sommer wurde eine Frage zur Durchsetzung eigenständiger förderrechtlicher Ansprüche aufgeworfen, die nicht direkt dem offenen Netzzugang dienen (Az.: 1 L 372/24). Hintergrund ist ein Antrag gewesen, bei dem ein Unternehmen gleichzeitig die Erfüllung des Informationsanspruchs und den offenen Netzzugang beantragt hatte. Das VG Köln hatte im vorläufigen Rechtsschutz gegen die Streitentscheidung durch die BNetzA aus meiner Sicht sehr übermäßige formale Anforderungen an den vorhergehenden Antrag gestellt. Der eigenständige förderrechtliche Informationsanspruch sei eigenständig durchzusetzen und könne nicht im Wege des Streitbeilegungsverfahrens durch die BNetzA mitentschieden werden.
Doch wie soll eine derartige eigenständige Entscheidung erfolgen? Das VG hat hierzu keine weiteren Ausführungen geliefert.
Bleibt die Entscheidung bestehen?
Ob diese restriktive Entscheidungspraxis überhaupt Bestand haben wird, erscheint fraglich. Die BNetzA hat zunächst als Reaktion auf die Entscheidung eine Rücknahme ihres Beschlusses erwogen und eine Befragung der beteiligten und interessierten Unternehmen und Verbände in dem Streitbeilegungsverfahren durchgeführt. Deren Rücknahme war sehr kritisch. In der Folge hat sich die zuständige Beschlusskammer entschlossen, an ihrer Entscheidung festzuhalten und im Hauptsacheverfahren die streitigen Fragen weiter zu diskutieren. Die Entscheidungspraxis kann sich also auch noch einmal ändern.
Auf der anderen Seite scheint die Einschätzung zu bestehen, dass etwa eine private Rechtsdurchsetzung nicht möglich ist. In der Literatur wird zu der Historie des § 155 TKG ausgeführt, der offene Netzzugang habe vorher mangels Anspruchsgrundlage nicht eigenständig durchgesetzt werden können. Das würde dann so weiterhin für den eigenständigen förderrechtlichen Informationsanspruch gelten. Demnach müsse der jeweilige Nachfrager darauf hinwirken, dass die jeweilige Gebietskörperschaft die Pflichten des Betreibers durchsetze. In der Praxis funktioniert dies nicht gut.
Auch das Argument ist sehr sinnvoll, dass die Bereitstellung von Informationen immanenter Nebenansruch oder ein enthaltenes “Minus” zu dem Antrag auf offenen Netzzugang darstellen. Hiergegen hatte das VG Köln den Einwand, dass Informations- und Netzzugangsantrag ausdrücklich als zwei eigenständige Ansprüche gestellt wurden. Um dies zu widerlegen, müsste also lediglich ein Antrag auf offenen Netzzugang gestellt werden, der entweder auch nach Informationen fragt oder diese schlicht als gegeben voraussetzt.
Das VG Köln hatte sich nicht weiter zu der eigenständigen Durchsetzung geäußert.
Was ist der eigenständige förderrechtliche Informationszugangsanspruch?
§ 9 Gigabit-RR und ebenso § 8 NGA-RR schreiben Informations- und Dokumentationspflichten hinsichtlich der geförderten Infrastrukturen vor. Genau genommen handelt es sich um mehrere nebeneinander liegende Pflichten:
- § 9 Abs. 1 S. 1 Gigabit-RR: Dokumentationspflicht zu geförderten Infrastrukturen
- § 9 Abs. 1 S. 2 Gigabit-RR: B2G-Bereitstellungspflicht zu Daten über neu geschaffene Infrastrukturen an zentrale Informationsstelle des Bundes (ZIB) innerhalb von acht Wochen
- § 9 Abs. 2 Gigabit-RR: B2B-Bereitstellungspflicht zu allen erforderlichen Informationen innerhalb von vier Wochen an Unternehmen, die Interesse an einer Mitverlegung haben oder die geförderte Infrastruktur nutzen wollen.
Wie kann der B2B-Informationsanspruch durchgesetzt werden?
Die Gigabit-RR und NGA-RR sind im Kontext des Beihilferechts zu verstehen. Grundsätzlich sind gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Dieses europäische Beihilfeverbot wird von der Kommission durchgesetzt. Gemäß Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV müssen Beihilfen von den Mitgliedstaaten bei der Kommission notifiziert werden, damit diese die Maßnahmen auf ihre Übereinstimmung mit Art. 107 Abs. 1 AEUV prüfen kann. Erfüllen die Maßnahmen diese Voraussetzungen, so erklärt die Kommission diese durch Beschluss für verbindlich. Die Mitgliedstaaten müssen sich dann an diese Vorgaben halten.
Für die auf diese Weise notifizierten Förderregelungen gilt damit also, dass sie zwar keine parlamentarischen Gesetze darstellen. Mit ihrer Genehmigung durch den Kommissionsbeschluss sind sie aber verbindlich. Werden die Regeln nicht eingehalten, so stellt dies gleichzeitig einen Verstoß als nicht notifizierte Beihilfe dar. Hier greift dann die Regel des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV, dass die Mitgliedstaaten eine Beihilfe nicht durchsetzen dürfen, wenn sie gegen das Beihilferecht verstößt. Diese Vorschrift ist materiell unmittelbar durch Unternehmen durchsetzbar.
Weiterhin hat der BGH vor einiger Zeit bereits klargestellt, dass jedenfalls das Beihilfeverbot sowohl ein Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB als auch eine Marktverhaltensregel gemäß § 3a UWG darstellt (Az.: I ZR 136/09). Unternehmen könnten sich dann also entweder direkt auf die daraus folgenden Anspruchsgrundlagen stützen und eine Einhaltung des Beihilferechts verlangen. Noch nicht durch die Rechtsprechung abschließend geklärt ist die Frage, ob dies auch unmittelbar für die Regeln aus der Gigabit-RR und NGA-RR gilt. Dafür spricht, dass es lediglich auf den Rechtsnormcharakter ankommt, der auch schon bei einem Kommissionsbeschluss erfüllt sein kann.
Sollte sich diese Rechtsauffassung nicht durchsetzen, wäre der andere Argumentationsweg allerdings ebenso einfach: Sofern die Regeln der jeweiligen Förderregelung nicht eingehalten werden, verstößt eine Maßnahme gegen das Beihilfeverbot und Unternehmen können deshalb die Unterlassung und Beseitigung geltend machen.