Vor eini­gen Wochen hat das Land­ge­richt Kiel eine Ent­schei­dung getrof­fen, die sich mit der Haf­tung von Betrei­bern für KI-Ergeb­nis­se befasst. Die Ent­schei­dung ist soweit ersicht­lich eine der ers­ten die­ser Art in Deutsch­land. Sie lässt sich mit ihren Schluss­fol­ge­run­gen sowohl für den Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reich als auch das Kar­tell­recht übertragen.

Hintergrund: Fehlerhafte Mitteilung über Insolvenz

Hin­ter­grund ist eine Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen einem mit­tel­stän­di­schen Fami­li­en­un­ter­neh­men (Klä­ge­rin) und einem Por­tal­be­trei­ber (Beklag­te), der Wirt­schafts­in­for­ma­tio­nen über deut­sche Fir­men bereit­hält. Die Klä­ge­rin begehr­te die Durch­set­zung eines Unterlassungsanspruchs.

Der Por­tal­be­trei­ber stellt auf sei­ner Web­sei­te ver­schie­de­ne Infor­ma­tio­nen über Fir­men zur Ver­fü­gung. Die­se Infor­ma­tio­nen erhält er aus Pflicht­ver­öf­fent­li­chun­gen unter ande­rem im Bun­des­an­zei­ger, Han­dels­re­gis­ter und Insol­venz­re­gis­ter. Die­se Ver­öf­fent­li­chun­gen wer­den auto­ma­ti­siert abge­ru­fen, ana­ly­siert, zusam­men­ge­stellt und anschlie­ßend den Por­tal­nut­zern ange­zeigt. Die­se Auto­ma­ti­sie­rung fin­det durch Ein­satz einer KI-Soft­ware statt.

Im Rah­men die­ses auto­ma­ti­schen Vor­gangs wur­den in dem Por­tal dem mit­tel­stän­di­schen Fami­li­en­un­ter­neh­men unwah­re Infor­ma­tio­nen zuge­ord­net, näm­lich dass die Löschung wegen Ver­mö­gens­lo­sig­keit beab­sich­tigt sei.

Die Klä­ge­rin wies die Beklag­te auf die­se feh­ler­haf­te Zuord­nung hin, wor­auf­hin die­se die Mit­tei­lung unver­züg­lich gelöscht hat­te. Eine straf­be­wehr­te Unter­las­sungs- und Ver­pflich­tungs­er­klä­rung hat­te die Beklag­te aber verweigert.

Die Entscheidung: Störerhaftung nicht trotz, sondern gerade auch bei KI-Einsatz

Das Gericht sprach den gel­tend gemach­ten Unter­las­sungs­an­spruch im Grund­satz zu. Es sieht den Anspruch vor allem im Zusam­men­hang mit den Grund­sät­zen der Stö­rer­haf­tung als begrün­det. Danach ist unab­hän­gig von einem Ver­schul­den jeder als unmit­tel­ba­rer Stö­rer für eine Rechts­ver­let­zung haft­bar, der eine Stö­rung kau­sal her­bei­führt oder des­sen Ver­hal­ten eine Beein­träch­ti­gung befürch­ten lässt. Sofern jemand wil­lent­lich und adäquat kau­sal an der Her­bei­füh­rung der rechts­wid­ri­gen Beein­träch­ti­gung mit­ge­wirkt hat, kann er auch als mit­tel­ba­rer Stö­rer erfasst sein.

Die­se Grund­sät­ze der Stö­rer­haf­tung wen­det das Gericht dann auch bei Ein­satz einer KI-Soft­ware an und sieht in dem Por­tal­be­trei­ber einen unmit­tel­ba­ren Stö­rer. Ins­be­son­de­re kön­ne sich die Beklag­te dabei nicht durch einen Ver­weis dar­auf exkul­pie­ren, sie sei an den eigent­li­chen auto­ma­ti­schen Vor­gän­gen nicht betei­ligt gewesen. 

Die Beklag­te setz­te die KI-Soft­ware wil­lent­lich zur Beant­wor­tung von Anfra­gen über ihr Por­tal ein und ver­knüpf­te sie. Damit mach­te sie sich auch deren Ergeb­nis­se zu eigen und über­nahm aus der Sicht eines ver­stän­di­gen Durch­schnitts­nut­zers nach außen erkenn­bar die inhalt­li­che Verantwortung.

Folgen für Betreiber

Die Grün­de der Ent­schei­dung gel­ten hier nur für den delikt­i­schen Anspruch, nicht für ver­trag­li­che Ansprü­che. Macht sich ein Unter­neh­men KI-Leis­tun­gen in sei­nem Ange­bot zu eigen, so haf­tet es voll. Feh­ler auf der Vor­leis­tungs­ebe­ne muss es sich dann zurech­nen lassen.

Bei Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men gilt noch die Beson­der­heit inso­fern, sofern sie Daten allein trans­por­tie­ren. Etwas ande­res gilt aber, wenn sie sich KI-Leis­tun­gen wie Mehr­wert­leis­tun­gen zu eigen machen. Das könn­te dann wie­der­um bei einem Voice-Bot der Fall sein. Hier wür­den dann zwar regel­mä­ßig ver­trags- und ver­brau­cher­recht­li­che Ansprü­che vor­ran­gig sein, aber auch das Delikts­recht kann grei­fen. Denk­bar wären etwas eher­ver­let­zen­de Auskünfte.

Im Kar­tell­recht gel­ten eh bereits die Grund­sät­ze des EuGH aus sei­ner Etu­ras-Recht­spre­chung vor eini­gen Jah­ren. Dort wur­den abge­stimm­te Ver­hal­tens­wei­sen auch schon durch platt­form­be­ding­te Daten­kon­so­li­die­run­gen ange­nom­men. Auf den Wahr­heits­ge­halt kommt es dort nicht an, allein schon die Wett­be­werbs­be­schrän­kung reicht aus. Das Risi­ko liegt dann nicht etwa in der Zurech­nung von KI-Leis­tun­gen zum eige­nen Unter­neh­men allein, son­dern in der Abstim­mung mit ande­ren Unternehmen.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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