Interpersonelle Telekommunikationsdienste mit untergeordneter Nebenfunktion

Mit der letz­ten TKG-Novel­le wur­de der Anwen­dungs­be­reich des all­ge­mei­nen und spe­zi­el­len Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­rechts erwei­tert. Dies hängt ganz maß­geb­lich mit der Auf­nah­me von soge­nann­ten inter­per­so­nel­len Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­ten zusam­men. Die­se stel­len eine drit­te Kate­go­rie neben den Inter­net­zu­gangs­diens­ten und den Diens­ten zur über­wie­gen­den Signal­über­tra­gung dar.

Für die Pra­xis ist dies beson­ders rele­vant, weil zahl­rei­che Diens­te nun­mehr aus­drück­lich vom Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­recht erfasst wer­den. Damit kön­nen sie auch von zahl­rei­chen Pflich­ten erfasst wer­den, ganz vor­ne dem stren­gen Telekommunikationsdatenschutz.

Der Gesetz­ge­ber gibt aller­dings auch die Mög­lich­keit, wann ein Ange­bot jeden­falls nicht mehr als Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst erfasst ist: Wenn die Diens­te eine inter­per­so­nel­le und inter­ak­ti­ve Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on ledig­lich als untrenn­bar mit einem ande­ren Dienst ver­bun­de­ne unter­ge­ord­ne­te Neben­funk­ti­on ermöglichen.

Um die­se soge­nann­ten unter­ge­ord­ne­ten Neben­funk­tio­nen geht es in die­sem Bei­trag. Dabei wird sich zei­gen, dass nicht allein schon die Ver­knüp­fung mit ande­ren Nicht-Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tun­gen aus­reicht und die­se Rück­aus­nah­me sehr eng aus­ge­legt wer­den wird.

Wie ist die Rechtslage?

Die Ein­ord­nung eines Diens­tes ent­schei­det dar­über, wel­che mate­ri­ell-recht­li­chen Pflich­ten für ihn gel­ten. Vor allem die Vor­schrif­ten des TTDSG rich­ten sich nach den Begriff­lich­kei­ten des TKG. Das TTDSG regelt unter ande­rem den bereichs­spe­zi­fi­schen Daten­schutz für Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on und das Fern­mel­de­ge­heim­nis. § 3 Abs. 2 TTDSG nimmt unter ande­rem Anbie­ter von öffent­lich zugäng­li­chen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­ten und Anbie­ter von ganz oder teil­wei­se geschäfts­mä­ßig ange­bo­te­nen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­ten in den Pflich­ten­be­reich mit auf.

Es gibt noch wei­te­re Rege­lun­gen, die an den Begriff des Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­tes anknüp­fen, hier nur eine ers­te Auswahl:

  • Mel­de­pflicht nach § 5 TKG
  • Jah­res­fi­nanz­be­richt nach § 6 TKG
  • Kun­den­schutz nach Teil 3
  • Öffent­li­che Sicher­heit nach Teil 10 Abschnitt 1

Was ein Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst ist, defi­niert § 3 Nr. 61 TKG. Die­se Defi­ni­ti­on erfasst drei Gruppen

  1. Inter­net­zu­gangs­diens­te
  2. inter­per­so­nel­le Telekommunikationsdienste
  3. Diens­te, die ganz oder über­wie­gend in der Über­tra­gung von Signa­len bestehen, wie Über­tra­gungs­diens­te, die für Maschi­ne-Maschi­ne-Kom­mu­ni­ka­ti­on und für den Rund­funk genutzt werden

Die zwei­te Grup­pe ist neu auf­ge­nom­men wor­den. Sie geht zurück auf eine ent­spre­chen­de Aus­wei­tung des Begriffs „elek­tro­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst“ in Art. 2 Nr. 4 EECC-Richt­li­nie (Richt­li­nie EU 2018/1972), der ent­spre­chend die Auf­nah­me eines „inter­per­so­nel­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­tes“ vor­sieht. Die­ser inter­per­so­nel­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst ist in der Richt­li­nie in Art. 2 Nr. 5 EECC definiert:

gewöhn­lich gegen Ent­gelt erbrach­ter Dienst, der einen direk­ten inter­per­so­nel­len und inter­ak­ti­ven Infor­ma­ti­ons­aus­tausch über elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze zwi­schen einer end­li­chen Zahl von Per­so­nen ermög­licht, wobei die Emp­fän­ger von den Per­so­nen bestimmt wer­den, die die Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­an­las­sen oder dar­an betei­ligt sind; dazu zäh­len kei­ne Diens­te, die eine inter­per­so­nel­le und inter­ak­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on ledig­lich als untrenn­bar mit einem ande­ren Dienst ver­bun­de­ne unter­ge­ord­ne­te Neben­funk­ti­on ermög­li­chen;

Art. 2 Nr. 5 EECC; Her­vor­he­bung nicht im Original

Ent­spre­chend wur­de für die deut­sche Rege­lung eine Defi­ni­ti­on in § 3 Nr. 24 TKG aufgenommen:

Im Sin­ne die­ses Geset­zes ist oder sind […]

„inter­per­so­nel­ler Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst“ ein gewöhn­lich gegen Ent­gelt erbrach­ter Dienst, der einen direk­ten inter­per­so­nel­len und inter­ak­ti­ven Infor­ma­ti­ons­aus­tausch über Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze zwi­schen einer end­li­chen Zahl von Per­so­nen ermög­licht, wobei die Emp­fän­ger von den Per­so­nen bestimmt wer­den, die die Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on ver­an­las­sen oder dar­an betei­ligt sind; dazu zäh­len kei­ne Diens­te, die eine inter­per­so­nel­le und inter­ak­ti­ve Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on ledig­lich als untrenn­bar mit einem ande­ren Dienst ver­bun­de­ne unter­ge­ord­ne­te Neben­funk­ti­on ermög­li­chen;

§ 3 Nr. 24 TKG; Her­vor­he­bung nicht im Original

Die begriff­li­chen Unter­schie­de zwi­schen „Kom­mu­ni­ka­ti­on“ in der Richt­li­nie und Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on im Gesetz sind für unse­re Zwe­cke zunächst nicht rele­vant. Her­vor­he­ben möch­te ich viel­mehr den jeweils zwei­ten Halb­satz in bei­den Vor­schrif­ten, der eine Rück­aus­nah­me regelt, wann also bestimm­te Diens­te nicht als inter­per­so­nel­le Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te erfasst wer­den. Maß­geb­lich ist dafür, dass der Dienst eine nur unter­ge­ord­ne­te Neben­funk­ti­on bei einem ande­ren Dienst darstellt.

Welcher Dienst hat eine untergeordnete Nebenfunktion?

Die unter­ge­ord­ne­te Neben­funk­ti­on stellt also ein Nega­tiv­merk­mal dar. In die­sen Fäl­len wer­den Diens­te also nicht als inter­per­so­nel­le Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te ein­ge­ord­net, sodass die oben dar­ge­stell­ten Beson­der­hei­ten des Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­rechts nicht gel­ten wür­den. Es liegt also völ­lig nahe zu wis­sen, was unter die­se Aus­nah­me­re­gel fällt.

Unmit­tel­bar aus dem Gesetz ergibt sich dazu nichts. Jedoch las­sen sich aus dem Zweck der Vor­schrift und der Ent­ste­hungs­ge­schich­te eini­ge Rück­schlüs­se zie­hen. So heißt es etwa in Erwä­gungs­grund 17 EECC-Richtlinie:

Ein Dienst soll­te aus­nahms­wei­se nicht als inter­per­so­nel­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst betrach­tet wer­den, sofern es sich bei der inter­per­so­nel­len und inter­ak­ti­ven Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tung ledig­lich um eine unbe­deu­ten­de und mit einem ande­ren Dienst ver­bun­de­ne rei­ne Neben­funk­ti­on han­delt, die aus objek­ti­ven tech­ni­schen Grün­den nicht ohne den Haupt­dienst genutzt wer­den kann, und sofern sei­ne Inte­gra­ti­on nicht dazu dient, die Anwend­bar­keit der Vor­schrif­ten für elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te zu umge­hen. Als Bestand­tei­le einer Aus­nah­me von der Begriffs­be­stim­mung soll­ten der Begriff „unbe­deu­tend“ und das Bestim­mungs­wort „rei­ne Neben­funk­ti­on“ eng und vom objek­ti­ven Stand­punkt des End­nut­zers betrach­tet aus­ge­legt wer­den. Ein Merk­mal einer inter­per­so­nel­len Kom­mu­ni­ka­ti­on könn­te als unbe­deu­tend ange­se­hen wer­den, wenn es nur einen sehr begrenz­ten objek­ti­ven Nut­zen für den End­nut­zer auf­weist und in der Rea­li­tät von End­nut­zern kaum ver­wen­det wird. Ein Bei­spiel für ein Merk­mal, das als nicht unter die Defi­ni­ti­on des Begriffs „inter­per­so­nel­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te“ fal­lend ange­se­hen wer­den könn­te, könn­te grund­sätz­lich und je nach den Merk­ma­len der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tung des Diens­tes ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal in Online-Spie­len sein.

Erwä­gungs­grund 17 EECC; Her­vor­he­bun­gen nicht im Original

Die meis­ten sprin­gen hier bis zum letz­ten Satz und neh­men das Bei­spiel des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nals in Online-Spie­len als Refe­renz. Das mag wohl ein Fall von denen sein, die der Richt­li­ni­en­ge­ber aus­drück­lich nicht mehr erfasst sieht. Davor ent­hält der Erwä­gungs­grund jedoch noch ein paar Hin­wei­se, die ich hier ein­mal zusam­men­fas­se. Eine unter­ge­ord­ne­te Neben­funk­ti­on liegt danach also nahe, wenn:

  • der Dienst aus objek­tiv tech­ni­schen Grün­den nicht ohne den Haupt­dienst genutzt wer­den kann. Bei dem ange­spro­che­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal in einem Online-Spiel etwa müss­te man sich bei den meis­ten wohl zunächst ein­wäh­len oder anmel­den bzw. das Spiel star­ten. Man hat hier das Bei­spiel eines gemein­sa­men cap­tu­re the flag vor Augen, bei dem sich die akti­ven Spie­ler unter­ein­an­der absprechen.
  • die Inte­gra­ti­on des Diens­tes nicht dazu dient, die Anwend­bar­keit der Vor­schrif­ten für elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te zu umge­hen. Die Begriffs­er­wei­te­rung dient in Tei­len auch der Mög­lich­keit, Über­wa­chungs­vor­schrif­ten aus­zu­wei­ten. Es liegt nahe, dass der Gesetz­ge­ber hier auch schon an die Mög­lich­keit einer Umge­hung denkt.
  • die inter­per­so­nel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on nur einen sehr begrenz­ten objek­ti­ven Nut­zen für den End­nut­zer aufweist.
  • die inter­per­so­nel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on ansons­ten von End­nut­zern kaum ver­wen­det wird.

Der Richt­li­ni­en­ge­ber weist dar­auf hin, dass das Merk­mal eng aus­zu­le­gen ist. Es lässt sich also auch eine Kon­troll­fra­ge stel­len: Kann der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst trotz sei­ner Inte­gra­ti­on auch iso­liert ver­wen­det wer­den? Hier­zu später.

Die Erläu­te­run­gen zur unbe­deu­ten­den Neben­funk­ti­on macht sich der Gesetz­ge­ber der TKG-Novel­le 2021 weit­ge­hend zuei­gen. So fin­det sich in der Begrün­dung des Bun­des­ta­ges fol­gen­der Abschnitt:

Nicht als inter­per­so­nel­ler Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst gel­ten auch Diens­te, deren inter­per­so­nel­le und inter­ak­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tung nur eine unter­ge­ord­ne­te, unbe­deu­ten­de und mit einem ande­ren Dienst ver­bun­de­ne rei­ne Neben­funk­ti­on ein­nimmt, die aus objek­tiv tech­ni­schen Grün­den nicht ohne den Haupt­dienst genutzt wer­den kann, und sofern sei­ne Inte­gra­ti­on nicht dazu dient, die Anwend­bar­keit der Vor­schrif­ten für Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te zu umge­hen. Als Bestand­tei­le einer Aus­nah­me von der Begriffs­be­stim­mung soll­ten der Begriff „unbe­deu­tend“ und das Bestim­mungs­wort „rei­ne Neben­funk­ti­on“ eng und vom objek­ti­ven Stand­punkt des End­nut­zers betrach­tet aus­ge­legt wer­den. Ein Merk­mal einer inter­per­so­nel­len Kom­mu­ni­ka­ti­on könn­te als unbe­deu­tend ange­se­hen wer­den, wenn es nur einen sehr begrenz­ten objek­ti­ven Nut­zen für den End­nut­zer auf­weist und in der Rea­li­tät von End­nut­zern kaum ver­wen­det wird. Ein Bei­spiel für ein Merk­mal, das als nicht unter die Defi­ni­ti­on des Begriffs „inter­per­so­nel­le Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te“ fal­lend ange­se­hen wer­den könn­te, könn­te grund­sätz­lich und je nach den Merk­ma­len der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tung des Diens­tes ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal in Online-Spie­len sein (vgl. hier­zu ins­ge­samt Erwä­gungs­grund 17 Richt­li­nie (EU) 2018/1972).

BT-Drs 19:26108, S. 231 f.

Hier kommt ledig­lich noch die Erläu­te­rung hin­zu, dass es auf den objek­ti­ven Stand­punkt des End­nut­zers ankommt, nicht also die sub­jek­ti­ve Wid­mung des Diens­te­an­bie­ters. Damit ist also die genann­te Rück­aus­nah­me auf einen sehr engen Anwen­dungs­be­reich begrenzt und wird regel­mä­ßig bei inte­grier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­tio­nen eher nicht greifen.

Wann werden untergeordnete Dienste isoliert genutzt?

Die Erläu­te­run­gen in Erwä­gungs­grund 17 der EECC-Richt­li­nie deu­ten bereits dar­auf hin, dass es auf eine iso­lier­te Nutz­bar­keit des Diens­tes ankommt. Dies nimmt auch der deut­sche Gesetz­ge­ber wie­der mit auf.

Die Inte­gra­ti­on von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­tio­nen in Gesamt­an­ge­bo­te stellt aller­dings auch wie­der­um kei­ne Aus­nah­me dar. Sie kommt nicht all­zu sel­ten vor. Die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­tio­nen eines Meta­ver­sums dürf­ten etwa zu gro­ßen Tei­len in die vir­tu­el­len Erleb­nis­wel­ten inte­griert wer­den. Denn es kommt dort nicht mehr allein auf das Kom­mu­ni­zie­ren an sich an, son­dern auch den vir­tu­el­len Kontext.

Und damit wie­der­um könn­te es Spie­le bei Meta geben, die zusätz­lich Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­tio­nen ent­hal­ten. Ent­spricht dies noch dem Bei­spiel aus der Richt­li­nie und der Geset­zes­be­grün­dung? Unter­ge­ord­net wäre sie wohl nicht, eher sogar ein Haupt­zweck. Es liegt näher, dass hier bei einer engen Aus­le­gung auch ein inter­per­so­nel­ler Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst ange­nom­men wird.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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