Das Aufsehen war groß in den letzten Wochen. Eine sehr kritische Kampagne imitierte den Plakatstil der Grünen und stellte dabei deren politische Ansichten als vermeintlich sehr drastisch dar. Der sehr polemische und teilweise arg aus dem Kontext gerissene Stil dieser Aktion ließ auch Kritik an dem Werbeunternehmen Ströer aufkommen.
Mussten diese Aktionen überhaupt sein? Hätte Ströer den Auftrag sogar ablehnen dürfen? Hätte man ihn ablehnen müssen?
Für eine Folge des Podcasts Rechtsbelehrung durfte ich damals meine fachliche Einschätzung abgeben. Hintergrund war nämlich der Einwand des Werbeunternehmens Ströer, aus wettbewerblichen Gründen zur Annahme des Auftrags verpflichtet gewesen zu sein. Ich hatte dagegen argumentiert: Das Unternehmen hätte selbst als marktbeherrschendes Unternehmen noch die Möglichkeit, sachliche und willkürfreie Qualitätskriterien aufzustellen, die auch über die Annahme von Aufträgen bestimmen. Das ist dasselbe Argument, mit dem etwa der BGH vor einigen Wochen angenommen hat, dass Facebook Nutzer auch nach Kriterien unterhalb einer Strafbarkeitsschwelle aussperren darf.
Gleichzeitig kann daraus nicht entnommen werden, dass Ströer diesen Auftrag hätte ablehnen müssen. Denn gerade dies liegt auch in der unternehmerischen Freiheit. Es handelt sich dabei um eine moralische Frage.
Die Kehrtwende von seiner ursprünglichen Argumentation hat das Unternehmen in der Folge vollzogen. Es will nach eigener Aussage überhaupt keine parteipolitische Werbung mehr darstellen. Dies führt es auf diverse verbale und aggressive Anfeindungen. Gleichzeitig sah es sich mit einer Rechercheanfrage konfrontiert, die sich mit den Hintergründen der grünenfeindlichen Kampagne befasst. Das Unternehmen fühlt sich dabei dem Vorwurf ausgesetzt, politisch der AfD nahezustehen.
Aber auch diese totale Absage an jegliche parteipolitische Werbung wäre rechtlich nicht zwingend gewesen. Möglicherweise resultiert sie aus einer überspannten Interpretation des Diskriminierungsverbots, das Ströer für sich als anwendbar sehen könnte. Allerdings wären qualitative Differenzierungen möglich gewesen. So handelte es sich bei der sonstigen Werbung um solche, die ausdrücklich von einer Partei in Auftrag gegeben wurde, die auch offiziell zum Bundestagswahlkampf angetreten war. Man hätte dies durchaus als formelles Kriterium aufstellen dürfen. Zudem dürfen qualitative Differenzierungen auch dann vorgenommen werden, sofern sie sachlich gerechtfertigt sind. Das könnte bei dieser Kampagne etwa der Grund sein, keine mutwillig desinformierenden Plakate zu publizieren.