… wenn Sie nicht auch Ohrfeigen einstecken können

Letz­te Woche hat das Land­ge­richt Mün­chen I die Kla­ge eines Foto-Jour­na­lis­ten gegen die Stadt Mün­chen abge­wie­sen, in der es um soge­nann­te Blau­licht-Foto­gra­fie geht (Az.: 37 O 4665/19).

Doch zunächst etwas Poli­tik außer­halb die­ser Pres­se­mit­tei­lung: Gleich am sel­ben Tag kri­ti­sier­te der Baye­ri­sche Jour­na­lis­ten­ver­band die­se Ent­schei­dung als „Ohr­fei­ge für alle frei­en Pres­se­fo­to­gra­fen“ (hier über archi­ve gesi­chert). Dem­nach wür­den durch die­se Ent­schei­dung die Frei­hei­ten der Medi­en als sol­che beschränkt und die Exis­tenz der Ver­bands­mit­glie­der gefähr­det. In der Fol­ge – so die Aus­sa­ge aus der Stel­lung­nah­me des Ver­bands – könn­ten „der Münch­ner Ober­bür­ger­meis­ter schon bald die Sei­ten der loka­len Pres­se fül­len oder die kom­mu­na­le Ver­wal­tung die Bericht­erstat­tung über ihre Sit­zun­gen in der Pres­se gleich selbst übernehmen“.

Was also war gesche­hen, dass den Ver­band zu die­sen dras­ti­schen Aus­sa­gen ver­lei­te­te? Die abge­wie­se­ne Kla­ge des Foto-Jour­na­lis­ten rich­te­te sich gegen das Vor­ge­hen der Mün­che­ner Berufs­feu­er­wehr. Die­se doku­men­tiert ihre Ein­sät­ze regel­mä­ßig und fer­tigt dabei auch Foto­gra­fien an. Anschlie­ßend wer­den die­se Bil­der der frei­en Pres­se gegen eine gerin­ge Auf­wands­ent­schä­di­gung zur Ver­fü­gung gestellt oder auch über sozia­le Medi­en geteilt. Gera­de dies stör­te den Foto-Jour­na­lis­ten aber, da er sein Ein­kom­men auch aus soge­nann­ten Blau­licht-Foto­gra­fien zieht. Er sucht also Unfäl­le auf, foto­gra­fiert die­se und bie­tet sei­ne Fotos anschlie­ßend eben­so Ver­tre­tern der frei­en Pres­se an. Sei­ne Kla­ge stütz­te er auf zwei recht­li­che Argu­men­te: Ers­tens dür­fe die Feu­er­wehr auf­grund des Gebots der Staats­fer­ne der­ar­ti­ge Doku­men­ta­tio­nen nicht vor­neh­men; zwei­tens schlie­ße sie ihn vom Markt für Blau­licht-Foto­gra­fie aus, indem sie „als ers­te am Ort des Gesche­hens Foto­auf­nah­men“ anfer­ti­ge und damit Geld verdiene.

Die voll­stän­di­gen recht­li­chen Erwä­gun­gen des Gerichts las­sen sich vor­erst nur auf­grund der Pres­se­mit­tei­lung nach­voll­zie­hen. Die­se ist aber bereits sehr deut­lich. Hier ein Aus­zug mit mei­nen Hervorhebungen:

Die Staats­fer­ne der Pres­se ver­lan­ge, so die Kam­mer, dass sich die jewei­li­ge Kom­mu­ne in ihren Publi­ka­tio­nen wer­ten­der oder mei­nungs­bil­den­der Ele­men­te ent­hal­te und sich auf Sach­in­for­ma­tio­nen beschrän­ke. Bezo­gen auf den Inhalt einer gemeind­li­chen Publi­ka­ti­on sei staat­li­che Infor­ma­ti­on mit dem Ziel, Poli­tik ver­ständ­lich zu machen, die Bevöl­ke­rung über Poli­tik und Recht im jewei­li­gen Auf­ga­ben­kreis zu infor­mie­ren und staat­li­che Tätig­keit trans­pa­rent zu gestal­ten, auch in pres­se­ähn­li­cher Form grund­sätz­lich zuläs­sig.

Die Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung sei Teil der Öffent­lich­keits­ar­beit und damit auch Auf­ga­be der Berufs­feu­er­wehr Mün­chen. Eine bou­le­vard­mä­ßi­ge Illus­tra­ti­on der Bei­trä­ge fin­de gera­de nicht statt. Es fehl­ten auch klas­sisch redak­tio­nel­le Ele­men­te wie Mei­nun­gen oder Kom­men­ta­re. Wei­ter sei bei den ange­grif­fe­nen Ver­öf­fent­li­chun­gen unschwer erkenn­bar, dass es sich um einen Bericht der Berufs­feu­er­wehr Mün­chen han­de­le. Eine Gefähr­dung der neu­tra­len Bericht­erstat­tung über Ein­sät­ze der Berufs­feu­er­wehr Mün­chen sei durch die Pres­se­be­rich­te nicht gege­ben. Wei­ter sei zu berück­sich­ti­gen, dass sich die ver­öf­fent­lich­ten Pres­se­be­rich­te haupt­säch­lich gezielt an Redak­tio­nen sowie an die Pres­se im All­ge­mei­nen rich­te­ten. Die Pres­se­be­rich­te der Berufs­feu­er­wehr Mün­chen hät­ten daher kei­nen die Pres­se erset­zen­den Cha­rak­ter; viel­mehr sei­en sie dazu gedacht, Bericht­erstat­tung durch die Medi­en anzu­sto­ßen.

Natur­ge­mäß tref­fe zwar in aller Regel die Feu­er­wehr frü­her am Ein­satz­ort ein als Foto­jour­na­lis­ten. Den­noch bestehe auch für die­se die Mög­lich­keit, selbst Fotos vom Ein­satz zu fer­ti­gen und auf die­se Wei­se ihre Sicht des Gesche­hens zum Aus­druck zu brin­gen. Für Jour­na­lis­ten bestehe zudem die Mög­lich­keit, sich bei einem Pres­se­ruf der Berufs­feu­er­wehr anzu­mel­den, um so durch SMS und/​oder Sprach­nach­richt jeden­falls bei Groß­scha­dens­la­gen zeit­nah über einen Ein­satz der Feu­er­wehr infor­miert zu wer­den und für die Anfer­ti­gung eige­ner Auf­nah­men zum Ein­satz­ort zu gelangen.

Ein Aus­schluss des Klä­gers vom sach­lich und ört­lich rele­van­ten Markt für soge­nann­te „Blau-licht-Foto­gra­fie“ im Bereich Mün­chen sei – vor die­sem Hin­ter­grund – nicht gege­ben, so dass kein kar­tell­recht­li­cher Unter­las­sungs­an­spruch bestehe.

Hin­sicht­lich bei­der Argu­men­te ist die Ent­schei­dung des Gerichts nach­voll­zieh­bar. Sicher sind die Inter­es­sen des Foto­gra­fen und das Grund­recht der frei­en Pres­se aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG betrof­fen, aus dem sich auch das Gebot der Staats­fer­ne der Pres­se ablei­tet. Die­ses zwingt den Staat jedoch nicht zur voll­stän­di­gen Infor­ma­ti­ons­di­stanz zu sich selbst. Es gibt zahl­rei­che öffent­li­che Stel­len, die über ihre eige­nen Tätig­kei­ten berich­ten und sie mit selbst ange­fer­tig­ten Foto­gra­fien doku­men­tie­ren. Ein gutes Bei­spiel sind der­zeit die Bil­der aus abge­si­cher­ten Kran­ken­häu­sern. Die­se Tätig­keit ist grund­sätz­lich erlaubt und es han­delt sich kei­nes­falls um eine „stil­le Über­nah­me“ der Presse.

Noch deut­li­cher wird dies aber bei dem kar­tell­recht­li­chen Argu­ment. So ist bereits frag­lich, ob die Feu­er­wehr hier über­haupt als wirt­schaft­li­che Ein­heit tätig wird und damit als Unter­neh­men Adres­sat des kar­tell­recht­li­chen Miss­brauchs­ver­bots sein könn­te. Denn die Vor­schrift des § 19 Abs. 1 GWB wie auch sein euro­päi­sches Pen­dant rich­ten sich an Unter­neh­men. Dies kann bei öffent­li­chen Stel­len aus­ge­schlos­sen sein, selbst wenn sie im Anschluss die Bil­der gegen eine Auf­wands­ent­schä­di­gung an Drit­te wei­ter geben. Aber auch die wei­te­ren Tat­be­stands­merk­ma­le des Markt­macht­miss­brauchs­ver­bots sind nicht erfüllt. So könn­te man zwar noch eine markt­be­herr­schen­de Stel­lung anneh­men, weil die Feu­er­wehr gewis­ser­ma­ßen den Zugang zum Foto­gra­fie-Objekt ihres Ein­sat­zes kon­trol­liert. Die­ser Zugang wird aber nicht aus­ge­schlos­sen, wie auch das Gericht bemerkt. Viel­mehr geht es dem Jour­na­lis­ten dar­um, dass die Feu­er­wehr als ers­tes Fotos anfer­tigt und die­se im Anschluss frei­gibt. Damit wird ihm wahr­schein­lich der bes­ser ver­markt­ba­re ers­te oder sogar exklu­si­ve Foto­gra­fie-Zugriff genom­men. Ein der­art exklu­si­ves Recht gibt aber noch nicht ein­mal das Grund­recht auf Pres­se­frei­heit her, wenn die­ses als sol­ches ansons­ten nicht beein­träch­tigt wird. Es gibt ins­be­son­de­re kei­ne Garan­tie auf einen bestimm­ten wirt­schaft­li­chen Erfolg der ange­fer­tig­ten eige­nen Bil­der. Die­ses bliebt dem Wett­be­werb und der Qua­li­tät der jour­na­lis­ti­schen Tätig­keit über­las­sen. Für die Feu­er­wehr besteht im Rah­men ihrer erlaub­ten Tätig­keit sogar eine objek­ti­ve Recht­fer­ti­gung, die ihr kei­ne Rück­sicht­nah­me auf Jour­na­lis­ten abver­langt. Ins­be­son­de­re ist sie nicht zum Abwar­ten verpflichtet.

Es stan­den bei die­ser Kla­ge also wirt­schaft­li­che Inter­es­sen im Raum, die als sol­che nicht durch das Kar­tell­recht geschützt sind. In sol­chen und ähn­li­chen Fäl­len tre­ten kom­pli­zier­te Abgren­zungs­fra­gen auf, die sich im Wesent­li­chen auf eine Fra­ge kon­zen­trie­ren: Was ist Schutz­zweck des Kar­tell­rechts? Dass selbst sehr bedeu­ten­de Inter­es­sen wie die Pres­se­frei­heit nur bedingt dabei recht­lich berück­sich­tigt wer­den kön­nen, ist dabei kei­ne Ohrfeige.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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