Letz­te Woche hat die EU-Kom­mis­si­on bekannt gege­ben, dass sie meh­re­re gro­ße euro­päi­sche Auto­her­stel­ler mit kar­tell­recht­li­chen Buß­gel­dern belegt hat. Die voll­stän­di­ge Pres­se­mit­tei­lung dazu fin­den Sie hier. Die Ent­schei­dung der Kom­mis­si­on mit ihrer recht­li­chen Begrün­dung ist noch nicht im Voll­text ver­füg­bar, aber ein paar ers­te Hin­wei­se las­sen sich entnehmen.

Was wirft die Kommission vor?

Die Buß­geld­ent­schei­dun­gen betref­fen die drei Kon­zer­ne BMW, Volks­wa­gen und Daim­ler. Bei Volks­wa­gen ist über die Eigen­mar­ke dann auch Audi und Por­sche mit­er­fasst. Ins­ge­samt wur­den etwas über 875 Mio. EUR Buß­gel­der ver­hängt (Davon 502.362.000 EUR gegen­über Volks­wa­gen und 372.827.000 EUR gegen­über BMW). Daim­ler wird nicht bebußt, weil das Unter­neh­men als Kron­zeu­ge maß­geb­lich zur Auf­de­ckung bei­getra­gen hat. Aber auch die Buße gegen­über dem Volks­wa­gen­kon­zern wur­de erheb­lich nach der Kron­zeu­gen­re­ge­lung abge­senkt, da das Unter­neh­men bereits sehr früh und umfäng­lich an der Auf­de­ckung mit­ge­wirkt hatte.

Inter­es­sant ist dabei die recht­li­che Begrün­dung der Kom­mis­si­on: Denn sie bezieht sich nicht etwa auf abge­stimm­te Ver­hal­tens­wei­sen in der Form von Gebiets- oder Preis­ab­spra­chen. Statt­des­sen ist der Vor­wurf eine zwi­schen den Unter­neh­men abge­spro­che­ne Beschrän­kung des Innovationswettbewerbs.

Zwi­schen den Unter­neh­men gab es Fach­tref­fen. Bei die­sen wur­de auch über Adblue-Tech­no­lo­gie und Die­sel­an­trieb gespro­chen. Die Tech­no­lo­gie ver­rin­gert umwelt­schäd­li­che Emis­sio­nen durch die Ein­sprit­zung eines Harn­stoffs (Adblue), der in einem eige­nen Tank am PKW mit­ge­führt wird. Es gibt gesetz­li­che Min­dest­vor­ga­ben, was die­se Tech­no­lo­gie kön­nen soll. Die tat­säch­lich tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung geht jedoch dar­über hin­aus. Die Min­dest­vor­ga­ben könn­ten also grund­sätz­lich qua­li­ta­tiv über­trof­fen werden.

Der Vor­wurf der Kom­mis­si­on lau­tet nun, dass die Auto­her­stel­ler die wei­te­ren tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen nicht genutzt haben, weil sie sich mit­ein­an­der dar­über abge­spro­chen hat­ten. Statt­des­sen sei die Grö­ße der Adblue-Tanks und Reich­wei­ten fest­ge­legt wor­den. Damit besei­tig­ten sie wett­be­werb­li­che Unge­wiss­heit über die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung. Das ist ein ganz typi­sches Merk­mal abge­stimm­ter Verhaltensweisen.

Deut­lich äußert sich die Kom­mis­si­on auch zu Abschalt­ein­rich­tun­gen: Es gebe kei­ne Hin­wei­se dar­auf, dass die Par­tei­en Abspra­chen über die Ver­wen­dung ille­ga­ler Abschalt­ein­rich­tun­gen zur Mani­pu­la­ti­on von Abgas­tests getrof­fen haben. Was außer­halb des Kar­tell­rechts bewer­tet wird, ist dabei eine ande­re Sache.

Wettbewerb und der New Green Deal

Die Kom­mis­si­on sieht ihr Vor­ge­hen auch als Unter­stüt­zung des soge­nann­ten New Green Deal. Um des­sen ehr­gei­zi­ge Zie­le errei­chen zu kön­nen, bräuch­te es Inno­va­ti­on und für eine rege Inno­va­ti­ons­tä­tig­keit bräuch­te es Wett­be­werb. Das ist inso­fern nicht falsch. Aber man soll­te beden­ken, dass Inno­va­ti­on bereits als Teil des wirk­sa­men Wett­be­werbs ist. Es han­delt sich nicht allein um ein Mit­tel oder Ziel, son­dern bereits um einen Zweck. Wird Inno­va­ti­on beschränkt, kann damit unmit­tel­bar auch Wett­be­werb beschränkt wer­den. Damit kön­nen neben dem New Green Deal auch wei­te­re poli­ti­sche Ziel­vor­stel­lun­gen beein­träch­tigt werden.

Die Kom­mis­si­on teilt in ihrer Pres­se­mit­tei­lung auch mit, dass sie Hin­wei­se dar­auf gege­ben habe, wel­che Zusam­men­ar­bei­ten sie als wett­be­werb­lich unbe­denk­lich sehe. Das ist sicher sehr hilf­reich für die betrof­fe­nen Unter­neh­men. Aber auch im Übri­gen bedeu­tet die­ser Hin­weis, dass nicht etwa jede Zusam­men­ar­beit im Zusam­men­hang mit Inno­va­ti­on oder tech­no­lo­gi­scher Ent­wick­lung ein Pro­blem dar­stellt. So kann es etwa auch wett­be­werbs­im­ma­nen­te Grün­de für Abspra­chen geben.

Die Kom­mis­si­on sieht dies bei fol­gen­den Maßnahmen:

  • Stan­dar­di­sie­rung des AdBlue-Ein­füll­stut­zens – das könn­te dann etwa für mehr Wett­be­werb auf dem Markt der Befül­ler oder Stut­zen­her­stel­ler sor­gen oder bes­se­re Inter­ope­ra­bi­li­tät sicherstellen
  • Gesprä­che über Qua­li­täts­nor­men für AdBlue – Qua­li­tät ist Bestand­teil wirk­sa­men Wett­be­werbs. Wird also ein hoher Qua­li­täts­maß­stab gesetzt, kön­nen damit gleich­zei­tig Bedin­gun­gen für bes­se­ren Wett­be­werb geschaf­fen werden
  • gemein­sa­me Ent­wick­lung einer Soft­ware-Platt­form für die AdBlue-Dosie­rung – Hier könn­te der Anlass gewe­sen sein, dass sich die Kom­mis­si­on schon über die Vor­tei­le gemein­sa­mer Platt­for­men bewusst ist. Sie kön­nen zu ein­fa­che­rer, effi­zi­en­te­rer und schnel­le­rer Ent­wick­lung bei­tra­gen oder Inno­va­ti­ons­hin­der­nis­se besei­ti­gen. So kön­nen sie auch dazu bei­tra­gen, über­flüs­si­ge oder kos­ten­in­ten­si­ve Abläu­fe zu ersetzen

Mehr zu die­ser Pro­ble­ma­tik der Inno­va­ti­ons­be­schrän­kung als Form der Beschrän­kung wirk­sa­men Wett­be­werbs in Form einer abge­stimm­ten Ver­hal­tens­wei­se habe ich in mei­ner Dok­tor­ar­beit geschrieben.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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