Gemäß § 155 Abs. 1 TKG können Telekommunikationsunternehmen offenen Netzzugang zu öffentlich geförderten Telekommunikationslinien verlangen. Kommt keine Einigung zustande, kann die BNetzA im Wege eines Streitbeilegungsverfahrens angerufen werden, allerdings erst, wenn seit Eingang des Antrags zwei Monate vergangen sind. In einem aktuellen Verfahren hat das Verwaltungsgericht Köln hierzu genauer ausgeführt, welche formellen Anforderungen an einen solchen Antrag zu stellen sind.
Zugangsverfahren und Streitbeilegungsverfahren
Ein behördliches Streitbeilegungsverfahren wegen Auseinandersetzungen über den offenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG kommt nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG in Betracht. Die BNetzA kann dann eine verbindliche Entscheidung zwischen den Parteien treffen. Vorher muss jedoch der Zugang begehrende Betreiber eines Telekommunikationsnetzes nach dieser Verfahrensvorschrift einen Antrag gestellt haben. Ist dies nicht der Fall, ist das Streitbeilegungsverfahren formell unzulässig.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass vor dem behördlichen Streitbeilegungsverfahren zwingend ein Antrag bei dem Netzbetreiber oder Netzeigentümer zu stellen ist, je nachdem von wem der offene Netzzugang begehrt wird. Dieser Antrag muss zwei Monate vergangen sein, ohne dass zwischen den Beteiligten eine Einigung zustande gekommen ist. Dieses mindestens zwei Monate dauernde vorhergehende Verfahren ist ein bilaterales Zugangsverfahren.
In dem betreffenden gerichtlichen Verfahren war die Durchführung eines solchen vorhergehenden bilateralen Zugangsverfahrens zweifelhaft. So blieb bis zuletzt umstritten, ob der Zugangsnachfrager einen ausreichenden Antrag gestellt hatte. Er hatte den Betreiber vorher aufgefordert, ein “Angebot für den Zugang zu unbeschalteten Glasfasern” auf noch zu bezeichnenden Strecken zu erstellen.
Anforderungen an den zu stellenden Antrag
In seiner Entscheidung weist das VG Köln zunächst darauf hin, dass keine ausdrücklichen Regelungen zum Antrag vorgesehen sind. Insbesondere sei nicht vorgesehen, ob der Zugangsnachfrager notwendige Angaben machen müsse. Dies ist etwa bei Mitnutzungsansprüchen nach § 138 Abs. 1 S. 1 TKG oder § 154 Abs. 1 S. 2 TKG der Fall. Deshalb richten sich die Anforderungen an den zu stellenden Antrag nach den allgemeinen Regeln, wobei regelmäßig in solchen Fällen §§ 133, 157 BGB entsprechend herangezogen werden können. Für den Verpflichteten müsse bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung erkennbar sein, dass es sich um einen Antrag auf offenen Netzzugang handelt.
Dieser letzte Satz hat eine besondere formelle Bedeutung. Ist ein Antrag nämlich nicht als solcher nach § 155 Abs. 1 TKG im bilateralen Zugangsverfahren erkennbar, so kann er nicht später im behördlichen Streitbeilegungsverfahren geheilt werden. Auch nicht ausreichend sind nachträgliche “Erinnerungen”, die zwar weitergehende Informationen enthalten, jedoch allein an einer nicht ausreichenden vorherigen Kommunikation anknüpfen. Im Zweifel empfiehlt es sich deshalb immer, vor Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens hilfsweise letztmalig einen besonders ausdrücklich formulierten Antrag zu übersenden.
Was für den Verpflichteten erkennbar sein muss, entnimmt das Gericht wiederum aus § 155 Abs. 1 TKG. Danach zielt die Vorschrift auf eine vertragliche Vereinbarung über den offenen Netzzugang ab. Dasselbe ergibt sich im Umkehrschluss aus § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG, der eine Einigung voraussetzt. Das VG entnimmt dem ein Einigungsgebot mit entsprechenden Mitwirkungsobliegenheiten. Auf den Antrag des Zugangsnachfragers müsse ein entsprechendes Angebot des Verpflichteten folgen, welches dann Gegenstand einer Einigung (oder auch nicht) sein kann. Der Verpflichtete müsse aber überhaupt in die Lage versetzt werden, ein Angebot mit den für den offenenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG erforderlichen essentialia negotii zu erstellen. Entsprechend müsse der Zugangsnachfrager wesentliche Informationen zu dem begehrten Netzzugang liefern.
Mögliche Informationen sind:
- Formulierung als ausdrücklicher Antrag, nicht lediglich als Erinnerungsschreiben
- Ort des Netzzugangs
- Bezüge zu vorhergehendem Förderverfahren
- Ausdrückliche Nennung des § 155 Abs. 1 TKG sowie der Nachfrage nach einem diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zum geförderten Netz zu fairen und angemessenen Bedingungen
- Hinweise auf die Zwei-Monats-Frist und ein etwa durchzuführendes Streitbeilegungsverfahren
- Insbesondere Erläuterungen und/oder Abgrenzungen zu anderen Kooperationen, die bereits zwischen Unternehmen bestehen
Ergänzend müsse für den Verpflichteten erkennbar sein, dass die zweimonatige Einigungsfrist des bilateralen Zugangsverfahrens zu laufen beginnt. Erkennbar bedeutet dabei nicht, dass zwingend auf die Frist hingewiesen werden muss, wobei dies sicher hilfreich ist. Stattdessen muss für den Verpflichteten klar sein, dass es um eine Einigung über einen offenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG geht und er mit einer Mitwirkung an einer Einigung ein Streitbeilegungsverfahren vermeiden kann.
Besonders ist bei dieser Entscheidung auch, dass sich das Gericht mit dem besonderen Umgangston zwischen den Unternehmen beschäftigt hat. Diese pflegten bereits sehr lange Geschäftsbeziehungen, verwendeten dabei üblicherweise keine formellen oder juristischen Formulierungen und insbesondere keine Vorschriften. Nach Ansicht des Gerichts geht der gesetzliche Anspruch aus § 155 TKG über die “normalen” vertraglichen Geschäftsbeziehungen der Beteiligten hinaus. Diese Aussage ist sehr kritisch und wichtig: Sie besagt, dass im regulierten Umfeld besondere formelle Maßstäbe für die Kommunikation zwischen den Beteiligten gelten.