Generalanwalt Rantos mit den Schlussanträgen zum deutschen Meta-Fall

Der Gene­ral­an­walt am EuGH hat kei­ne grund­sätz­li­chen Ein­wän­de dage­gen, dass eine Wett­be­werbs­be­hör­de bei der Anwen­dung des wett­be­werbs­recht­li­chen Markt­macht­miss­brauchs­ver­bots Vor­schrif­ten der DSGVO inzi­dent prüft. Dabei soll die Wett­be­werbs­be­hör­de eine etwa zustän­di­ge Daten­schutz­be­hör­de infor­mie­ren, sich mit die­ser abstim­men und ggf. vor­han­de­ne Ent­schei­dun­gen zur Anwen­dung des Daten­schutz­rechts berück­sich­ti­gen. Dies betrifft die ers­te und sieb­te Vor­la­ge­fra­ge des OLG Düs­sel­dorf. Sofern sich der EuGH die­ser Ein­schät­zung anschlie­ßen wür­de, wäre eine gewich­tig gestell­te Fra­ge erle­digt. Ins­be­son­de­re besteht kei­ner­lei Sperr­wir­kung durch die DSGVO, wie gele­gent­lich argu­men­tiert wird. Der Gene­ral­an­walt sieht im Übri­gen auch die Abstim­mung des BKar­tA mit den Daten­schutz­be­hör­den in tat­säch­li­cher Hin­sicht aus­rei­chend erfüllt.

Eine Ver­ar­bei­tung sen­si­bler per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten lie­ge schon bei blo­ßer Ein­ga­be von Daten durch einen Nut­zer vor, wenn die­se Daten mit dem Nut­zer­kon­to des sozia­len Netz­werks ver­knüpft und ver­wen­det wer­den, sofern die­se Daten ent­we­der ein­zeln oder agg­re­giert betrach­tet die Erstel­lung eines Nut­zer­pro­fils mit Kate­go­rien ermög­li­chen, die sich aus sen­si­blen per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten erge­ben. Die blo­ße Ein­ga­be der Daten oder das Hin­ter­las­sen die­ser auf Inter­net­sei­ten oder Apps durch den Nut­zer stel­le kein offen­sicht­li­ches öffent­lich Machen dar. Dies betrifft die zwei­te Vorlagefrage.

Hin­sicht­lich der wei­ter­ge­hen­den Ein­zel­fra­gen zur Aus­le­gung der DSGVO äußert der Gene­ral­an­walt Zwei­fel dar­an, ob es sich um statt­haf­te Vor­la­ge­fra­gen han­delt, da sie nicht die Aus­le­gung, son­dern die Anwen­dung auf den kon­kre­ten Fall betref­fen. Er fasst hier­bei die drit­te und fünf­te Vor­la­ge­fra­ge zusam­men. Jeden­falls müss­ten die jewei­li­gen Aus­nah­men für jede Daten­ver­ar­bei­tungs­mo­da­li­tät im Ein­zel­nen durch das vor­le­gen­de Gericht geprüft werden.

Schließ­lich ist der Gene­ral­an­walt der Mei­nung, dass der blo­ße Umstand einer beherr­schen­den Stel­lung eines Unter­neh­mens nicht gegen die Wirk­sam­keit einer ihm gegen­über abge­ge­be­nen Ein­wil­li­gung spricht. Aller­dings müs­se das beherr­schen­de Unter­neh­men nach­wei­sen, dass die Ein­wil­li­gung frei­wil­lig erfolg­te. Dabei müs­se ein offen­sicht­li­ches Macht­un­gleich­ge­wicht berück­sich­tigt wer­den. Dies betrifft die sechs­te Vorlagefrage.

Der Voll­text der Schluss­an­trä­ge ist hier online ver­füg­bar. Dis­clai­mer: Ich ver­tre­te den Betei­lig­ten Ver­brau­cher­zen­tra­le Bun­des­ver­band e.V. in die­sem Ver­fah­ren auch vor dem EuGH.

Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung im Ver­fah­ren C‑252/21; Hei­ko Dün­kel und Sebas­ti­an Louven

Detaillierte Analyse

Zur ersten Vorlagefrage

Die ers­te Vor­la­ge­fra­ge bezieht sich auf die grund­le­gen­de Zustän­dig­keit der Wett­be­werbs­be­hör­de und ob die­se in der kon­kre­ten Situa­ti­on aus­ge­schlos­sen sein könne.

Der Gene­ral­an­walt liest die Vor­la­ge­fra­ge so, dass sie sich auf eine unmit­tel­ba­re Ent­schei­dung über einen Ver­stoß gegen Daten­ver­ar­bei­tungs­vor­schrif­ten der DSGVO bezie­hen. In dem strei­ti­gen Beschluss des BKar­tA wer­de jedoch kein Ver­stoß gegen die DSGVO geahn­det, son­dern allein ein Markt­macht­miss­brauch. Es erfolgt also allein eine kar­tell­recht­li­che Prü­fung, bei der die Behör­de unter ande­rem die Unver­ein­bar­keit des Ver­hal­tens des Unter­neh­mens mit den Bestim­mun­gen der DSGVO her­an­ge­zo­gen hat. Eine Zustän­dig­keits­fra­ge kön­ne sich bereits des­halb nicht stel­len, da die DSGVO einen har­mo­ni­sier­ten Durch­set­zungs­me­cha­nis­mus vor­se­he, auf­grund des­sen nur die Daten­schutz­be­hör­den zustän­dig sei­en. Eine Ent­schei­dung einer Wett­be­werbs­be­hör­de mit inzi­den­ter Prü­fung kann in die­se Zustän­dig­keit nicht eingreifen.

Da die ers­te Teil­fra­ge jedoch eine unmit­tel­ba­re Ent­schei­dung der Wett­be­werbs­be­hör­de über die Anord­nung der Abstel­lung eines DSGVO-Ver­sto­ßes betref­fe, gehe sie ins Lee­re. Die zwei­te Teil­fra­ge bezieht sich auf die Mög­lich­kei­ten zur Ver­fol­gung etwa­iger Daten­schutz­ver­stö­ße und gehe eben­so ins Leere.

Zur siebten Vorlagefrage

Die sieb­te Vor­la­ge­fra­ge bezieht sich auf die mate­ri­ell­recht­li­che Mög­lich­keit zur inzi­den­ten Fest­stel­lung von DSGVO-Ver­stö­ßen bei der Ver­fol­gung von Ver­stö­ßen gegen das Wett­be­werbs­recht. Gleich­zei­tig umfasst sie Fra­gen zur Rück­sicht­nah­me auf Daten­schutz­be­hör­den, die sich mit den DSGVO-Ver­stö­ßen unmit­tel­bar befassen.

Grundsätzlich zulässige inzidente Prüfung der DSGVO

Hier­zu stellt der Gene­ral­an­walt zunächst fest, dass die DSGVO der Wett­be­werbs­be­hör­de zwar kei­ne Befug­nis zur Fest­stel­lung eines Ver­sto­ßes zuspricht. Die DSGVO schließt aber auch eine inzi­den­te Berück­sich­ti­gung bei der Prü­fung des Miss­brauchs­ver­bo­tes nicht aus. Mit Inzi­dent meint der Gene­ral­an­walt dabei eine mit­tel­ba­re Prü­fung im Rah­men der eigent­li­chen Anwen­dung der kar­tell­recht­li­chen Vor­schrif­ten. Die­se dür­fe nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, da ansons­ten die wirk­sa­me Anwen­dung des Wett­be­werbs­rechts in Fra­ge gestellt wür­de. Und obwohl die Prü­fung inzi­dent erfolgt, könn­te sie im Rah­men des regu­lä­ren gericht­li­chen Rechts­schut­zes erneut zu Vor­la­ge­fra­gen über die Aus­le­gung führen.

Unterschiedliche Schutzzwecke und Indizwirkung des DSGVO-Verstoßes

Die Unver­ein­bar­keit eines Ver­hal­tens mit der DSGVO kön­ne also ein wich­ti­ges Indiz für die Fest­stel­lung sein, ob ein Ver­hal­ten noch den Ein­satz von Mit­teln eines nor­ma­len Wett­be­werbs dar­stellt. Dies ent­spricht der Recht­spre­chung des BGH, der auch schon von einer Indi­z­wir­kung, nicht aber einer Bedin­gung gespro­chen hat­te. Jedoch stellt der Gene­ral­an­walt deut­lich klar, dass sich die Miss­bräuch­lich­keit oder ihr Feh­len nicht aus der Ver­ein­bar­keit oder Unver­ein­bar­keit mit der DSGVO oder ande­ren Vor­schrif­ten außer­halb des Wett­be­werbs­rechts erge­be. Kon­kre­ter wird er in Fuß­no­te 18, wonach es auf der Hand lie­ge, dass ein die Daten­ver­ar­bei­tung betref­fen­des Ver­hal­ten auch dann einen Ver­stoß gegen das Wett­be­werbs­recht dar­stel­len kann, wenn es mit der DSGVO ver­ein­bar ist, und dass umge­kehrt ein im Sin­ne der DSGVO rechts­wid­ri­ges Ver­hal­ten nicht zwangs­läu­fig dar­auf schlie­ßen lässt, dass es gegen das Wett­be­werbs­recht ver­stößt. Es kommt also auf eine allein kar­tell­recht­li­che Prü­fung an. Wei­ter heißt es in der­sel­ben Fuß­no­te, dass eine aus­schließ­li­che Anknüp­fung der Miss­brauchs­prü­fung an einen DSGVO-Ver­stoß das Ziel des Wett­be­werbs­schut­zes gefähr­den könn­te. Die­se Aus­sa­ge ist sehr hilf­reich, da sie die unter­schied­li­chen Schutz­zwe­cke des Wett­be­werbs­rechts einer­seits und des Daten­schutz­rechts ande­rer­seits ver­deut­licht, wobei ers­te­res poten­zi­ell wei­ter gefasst ist. Dies ver­deut­lich der Gene­ral­an­walt erneut in Fuß­no­te 21, wonach die Aus­le­gung der DSGVO durch die Wett­be­werbs­be­hör­de allein für Zwe­cke der wett­be­werbs­recht­li­chen Vor­schrift erfolgt. Es han­delt sich also um unter­schied­li­che Ver­stö­ße, die durch die jeweils zustän­di­gen Behör­den geprüft wer­den kön­nen. Erfreu­lich ist dabei die Klar­stel­lung am Ende, dass es wegen die­ser unter­schied­li­chen Gegen­stän­de auch kei­nen Ver­stoß gegen den Grund­satz ne bis in idem geben kann.

Gefahr der nicht einheitlichen Auslegung der DSGVO

Recht aus­führ­lich wid­met sich der Gene­ral­an­walt anschlie­ßend mit der hin­ter der Vor­la­ge­fra­ge ste­hen­den Pro­ble­ma­tik, dass aus­ge­rech­net eine – nicht für die Durch­set­zung der DSGVO zustän­di­ge – Wett­be­werbs­be­hör­de bei ihrer inzi­den­ten Prü­fung die DSGVO-Vor­schrif­ten aus­legt und damit die Gefahr einer nicht ein­heit­li­chen Aus­le­gung besteht. Die­se Gefahr sei jedem Bereich inhä­rent, der durch sek­tor­spe­zi­fi­sche Vor­schrif­ten gere­gelt wer­de, die die Wett­be­werbs­be­hör­de bei der Beur­tei­lung der wett­be­werbs­recht­li­chen Zuläs­sig­keit eines bestimm­ten Ver­hal­tens berück­sich­ti­gen muss oder kann. Eine ein­deu­ti­ge Rege­lung sei im Uni­ons­recht dazu nicht ent­hal­ten, weder in der DSGVO noch in der für das Wett­be­werbs­recht ein­schlä­gi­gen Durch­füh­rungs­ver­ord­nung. Des­halb kom­me es auf den Grund­satz der loya­len Zusam­men­ar­beit nach Art. 4 Abs. 3 EUV an. Die Wett­be­werbs­be­hör­de sei bei der Anwen­dung des Uni­ons­rechts an den Grund­satz der ord­nungs­ge­mä­ßen Ver­wal­tung als all­ge­mei­nem Grund­satz gebun­den. Hier­aus erge­be sich eine umfas­sen­de Sorg­falts- und Für­sor­ge­pflicht der natio­na­len Behör­den. Dar­aus lei­tet der Gene­ral­an­walt Informations‑, Aus­kunfts- und Koope­ra­ti­ons­pflich­ten gegen­über zustän­di­gen Behör­den bei der Aus­le­gung der DSGVO unter Beach­tung von Äqui­va­lenz und Effek­ti­vi­tät ab. Dies kön­ne sogar grund­sätz­lich ana­log zu den Ver­fah­rens­vor­schrif­ten der DSGVO lau­fen, wobei die­se ent­spre­chend ange­passt wer­den müss­ten und kein Ent­schei­dungs­ent­wurf vor­ge­legt wer­den müsste.

Im Kon­kre­ten folgt für den Gene­ral­an­walt aus die­sen Vor­ga­ben, dass eine Wett­be­werbs­be­hör­de nicht von den Äuße­run­gen der zustän­di­gen feder­füh­ren­den Auf­sichts­be­hör­de zur Anwen­dung bestimm­ter DSGVO-Vor­schrif­ten in Bezug auf glei­ches oder ähn­li­ches Ver­hal­ten abwei­chen darf und sich mit die­ser abstim­men muss. Spiel­raum besteht hier­bei noch bei der Bewer­tung, was glei­ches oder ähn­li­ches Ver­hal­ten ist. Denn nicht schon jeder gerüg­te Ver­stoß dürf­te erfasst sein. Ansons­ten wäre die Effek­ti­vi­tät der Durch­set­zung des Wett­be­werbs­rechts beein­träch­tigt. Auf der ande­ren Sei­te kann eine Abstim­mung gera­de die­sen Zweck erfül­len, näm­lich Zwei­fel zwi­schen den Behör­den dar­über aus­zu­räu­men. Außer­dem bedeu­ten die Aus­sa­gen des Gene­ral­an­walts nicht, dass die Wett­be­werbs­be­hör­de nicht tätig wer­den darf, son­dern nur dass sie sich abstim­men muss. Nach Ein­schät­zung des Gene­ral­an­walts rei­che wegen des umfas­sen­den Sys­tems der Zusam­men­ar­beit im Daten­schutz­recht die Abstim­mung mit der jeweils natio­na­len Auf­sichts­be­hör­de aus.

Für das Aus­gangs­ver­fah­ren sieht der Gene­ral­an­walt die Sorg­falts­pflich­ten des BKar­tA als erfüllt an. Es habe eine Abstim­mung gemäß § 50f GWB mit der natio­na­len Daten­schutz­be­hör­de gege­ben und zudem eine infor­mel­le Kon­takt­auf­nah­me mit der iri­schen Daten­schutz­be­hör­de. Zudem hät­ten die­se bestä­tigt, der­zeit kein Ver­fah­ren in Bezug auf den Gegen­stand ein­ge­lei­tet zu haben.

C‑252/21, nach der Ver­hand­lung. Dr. Sebas­ti­an Louven

Zur zweiten Vorlagefrage

Die zwei­te Vor­la­ge­fra­ge betrifft ers­tens die Ein­ord­nung von Daten durch Auf­ruf von Inter­net­sei­ten und Apps Drit­ter und ob es sich dabei schon um eine Ver­ar­bei­tung sen­si­bler per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten han­delt. Als zwei­tes wer­de gefragt, ob durch die blo­ße Ein­ga­be schon ein öffent­lich Machen vorliege.

Der Gene­ral­an­walt ver­weist hier­zu zunächst auf den Erwä­gungs­grund 51 DSGVO, wonach die Ver­ar­bei­tung sen­si­bler per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten erheb­li­che Risi­ken für Grund­rech­te und Grund­frei­hei­ten mit sich brin­gen kann. Es wer­de zudem nicht unter­schie­den zwi­schen Daten, die sen­si­bel sind, weil aus ihnen eine bestimm­te Situa­ti­on her­vor­geht, und ihrem Wesen nach sen­si­blen Daten. Auch sei es nicht mög­lich zu unter­schei­den, ob eine Anfra­ge ent­we­der aus blo­ßem Inter­es­se an einer bestimm­ten Infor­ma­ti­on erfol­ge oder auf­grund der eige­nen Zuge­hö­rig­keit der betrof­fe­nen Per­son zu einer der erfass­ten Kate­go­rien. Es kom­me des­halb stets auf die Umstän­de des Ein­zel­falls an.

Möglichkeit zur Profilerstellung

Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um zur Anwen­dung des Art. 9 Abs. 1 DSGVO sei, ob die ver­ar­bei­te­ten Daten die Erstel­lung eines Nut­zer­pro­fils im Hin­blick auf die Kate­go­rien ermög­li­chen, die sich aus der Auf­zäh­lung sen­si­bler per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten ergeben.

Maß­geb­lich ist dabei für den Gene­ral­an­walt die Erwä­gung, dass ein Unter­neh­men wie Meta es selbst in der Hand habe, durch die Art sei­ner Ver­ar­bei­tung die Ein­ord­nung als sen­si­ble per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten zu ver­hin­dern und damit nicht den stren­ge­ren Vor­schrif­ten unter­wor­fen zu wer­den. Damit lie­ße sich die Situa­ti­on ver­mei­den, die auch Meta befürch­tet, dass näm­lich das Unter­neh­men stan­dard­mä­ßig gegen die DSGVO ver­stö­ße, weil es nicht ver­hin­dern kön­ne, durch auto­ma­ti­sier­te Mit­tel Infor­ma­tio­nen zu erlan­gen, die einen sol­chen indi­rek­ten Bezug her­zu­stel­len geeig­net sind. Mit ande­ren Wor­ten kommt also die Kate­go­ri­sie­rung durch den Ver­ant­wort­li­chen zustan­de. Sie muss nicht wahr sein, da schon die über­haupt vor­ge­nom­me­ne Ein­ord­nung Gefah­ren für Grund­rech­te und Grund­frei­hei­ten birgt. Eben­so sei nicht das Wis­sen oder die Absicht zur Ver­ar­bei­tung durch den Ver­ant­wort­li­chen erforderlich.

Kein offensichtliches öffentlich Machen bei bloßer Eingabe

Die zwei­te Teil­fra­ge bezieht sich auf einen Aus­nah­me­tat­be­stand. Wenn näm­lich sen­si­ble per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten bereits der Öffent­lich­keit bekannt sind, besteht kein Bedarf mehr an einem beson­de­ren Schutz der betrof­fe­nen Per­son. Da es sich um eine Aus­nah­me zu den stren­gen Ver­bots­vor­schrif­ten han­delt, ver­langt der Gene­ral­an­walt eine beson­ders strik­te Aus­le­gung. Der Nut­zer müs­se ein vol­les Bewusst­sein über die Preis­ga­be der Infor­ma­tio­nen haben und eine aus­drück­li­che Hand­lung vor­neh­men, was einer Ein­wil­li­gung schon sehr nahe komme.

Ein blo­ßer Auf­ruf rei­che hier­für noch nicht. Die blo­ße Sei­ten­ab­fra­ge gebe die Daten allein an den Betrei­ber, nicht an die Öffent­lich­keit. Ein Wil­le zur Preis­ga­be an die All­ge­mein­heit las­se sich hier­aus nicht ent­neh­men. Zudem weist der Gene­ral­an­walt auf Art. 5 abs. 2 DSGVO hin und die hier­aus für den Ver­ant­wort­li­chen sich erge­ben­de Beweis­last hin­sicht­lich der die Recht­mä­ßig­keit der Daten­ver­ar­bei­tung begrün­den­den Umstän­de. Schließ­lich sei auch kei­ne Ein­wil­li­gung auf der Grund­la­ge der Coo­kie-Richt­li­nie aus­rei­chend, da die­se einen spe­zi­fi­schen Zweck ver­fol­ge und nicht die Ver­ar­bei­tung sen­si­bler per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten betref­fe. Eine Gleich­set­zung mit dem Wil­len zum öffent­lich Machen kön­ne aus einer sol­chen Ein­wil­li­gung nicht ent­nom­men werden.

Zur dritten, vierten und fünften Vorlagefrage

Eini­ge Fra­gen betref­fen kon­kre­te Ver­ar­bei­tungs­si­tua­tio­nen durch den Meta-Kon­zern. Der Gene­ral­an­walt sieht hier schon die Vor­aus­set­zun­gen an eine Vor­la­ge­fra­ge nicht als erfüllt, da sie sich ledig­lich auf die Anwen­dung und nicht die Aus­le­gung bezie­hen und zudem die Zwei­fel hin­sicht­lich der Aus­le­gung für den kon­kre­ten Fall durch das vor­le­gen­de Gericht nicht dar­ge­legt wor­den sei­en. Den­noch gibt der Gene­ral­an­walt auch hier Antworten.

Zunächst weist er auch hier auf Art. 5 Abs. 2 DSGVO und die dar­aus fol­gen­de Beweis­last des Ver­ant­wort­li­chen hin. Gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. c DSGVO muss der Ver­ant­wort­li­che die ver­folg­ten berech­tig­ten Inter­es­sen ange­ben. Das umfas­se auch die Anga­be, wel­cher Ver­ar­bei­tungs­vor­gang auf wel­ches berech­tig­te Inter­es­se gestützt werde.

Wenn es in der Fol­ge im die Aus­le­gung des Merk­mals „Erfor­der­lich­keit“ gehe, so sei dar­un­ter eine objek­ti­ve Not­wen­dig­keit zu ver­ste­hen. Nicht aus­rei­chend sei, dass die Daten­ver­ar­bei­tung ledig­lich bei Erfül­lung des Ver­tra­ges erfolgt, im Ver­trag erwähnt wird oder ledig­lich nütz­lich für die Erfül­lung ist. Es müs­se statt­des­sen kei­ne rea­lis­ti­schen und weni­ger ein­schnei­den­den Lösun­gen geben. Die Ver­ar­bei­tung müs­se inte­gra­ler Bestand­teil des ver­trag­li­chen Diens­tes sein und die ange­mes­se­ne Sicht der betrof­fe­nen Per­son wür­di­gen. Han­de­le es sich um meh­re­re Diens­te, müss­ten alle iso­liert auf ihre Erfor­der­lich­keit über­prüft wer­den. Das bedeu­tet etwa für die platt­form­mä­ßi­ge Ver­bin­dung meh­re­rer Nut­zer­grup­pen, dass hin­sicht­lich jeder Grup­pe eine eigen­stän­di­ge Erfor­der­lich­keits­prü­fung zu erfol­gen hat.

Erforderlichkeit zur Personalisierung

Metas Haupt­ar­gu­ment für eine Zusam­men­le­gung der Daten war stets, dass dies einem per­so­na­li­sier­ten Nut­zer­er­leb­nis dien­te. In recht­li­cher Hin­sicht ist die­ses Argu­ment nun mit der Vor­aus­set­zung über­ein zu brin­gen, ob die­ses Die­nen auch die Erfor­der­lich­keit begrün­den kann. Der Gene­ral­an­walt stellt hier­zu die rhe­to­ri­sche Fra­ge, wel­chen Grad an Per­so­na­li­sie­rung der Nut­zer erwar­ten kann. Denn mit die­sem Argu­ment könn­te nicht allein irgend­ei­ne Ver­bes­se­rung begrün­det wer­den. Jede Zusam­men­le­gung mit einer irgend­wie gestei­ger­ten Per­so­na­li­sie­rung wäre dann erfasst. Dann könn­te eine Platt­form allein schon mit die­sem Argu­ment jede ande­re Rechts­grund­la­ge aus­he­beln, allein weil sie ihr Geschäfts­mo­dell ent­spre­chend widmet.

Die­sel­be Rich­tung geht auch der Gene­ral­an­walt, der für die Ver­bin­dung von außer­halb der Platt­form lie­gen­den Daten die Ein­wil­li­gung für not­wen­dig hält. Dann sei die­se aber auch vor­ran­gig und kön­ne nicht unter­lau­fen wer­den. Zudem müs­se in unter­schied­li­che Ver­ar­bei­tun­gen jeweils geson­dert ein­ge­wil­ligt wer­den. Zudem sieht der Gene­ral­an­walt in der nicht per­so­na­li­sier­ten, chro­no­lo­gi­schen Anzei­ge des News­feeds eine aus­rei­chen­de Alter­na­ti­ve, sodass die Per­so­na­li­sie­rung nicht not­wen­dig ist.

Erforderlichkeit zur durchgängigen und nahtlosen Nutzung der konzerneigenen Dienste

Grund­sätz­lich sieht auch der Gene­ral­an­walt die Ver­bin­dung von Dienst­leis­tun­gen als nütz­lich oder manch­mal sogar erwünscht an. Aller­dings bestehe hin­sicht­lich jeder Dienst­leis­tung ein eige­ner Ver­trag, zu des­sen Zweck die Daten­ver­ar­bei­tung erfol­ge. Eine eigen­stän­di­ge Erfor­der­lich­keit kön­ne sich dar­aus nicht ablei­ten las­sen und es sei zweck­mä­ßi­ger, dem Nut­zer hier die Wahl zu über­las­sen. Da es nicht aus­rei­chend ist, dass eine Ver­ar­bei­tung ledig­lich von Nut­zen für den Ver­ant­wort­li­chen ist, kön­ne kei­ne Not­wen­dig­keit gese­hen wer­den. Pro­dukt­ver­bes­se­rung lie­ge zudem eher im Inter­es­se des Nut­zers als beim Ver­ant­wort­li­chen und stel­le des­halb nicht sein legi­ti­mes Inter­es­se dar.

In jedem Fall müs­se das vor­le­gen­de Gericht die ein­zel­nen Recht­mä­ßig­keits­grund­la­gen prüfen.

Zur sechsten Vorlagefrage

Die zuletzt behan­del­te Fra­ge betrifft die Aus­wir­kun­gen einer kar­tell­recht­li­chen Unter­su­chung auf die daten­schutz­recht­li­che Bewer­tung einer Ein­wil­li­gung. Eine sol­che muss frei­wil­lig erfol­gen. Dies wird teil­wei­se pau­schal mit dem Ver­weis auf die Markt­macht eines Unter­neh­mens abge­lehnt. Kri­te­ri­en für die Unfrei­wil­lig­keit einer Ein­wil­li­gung sind nach Erwä­gungs­grund 42 DSGVO, dass der Betrof­fe­ne kei­ne ech­te oder freie Wahl hat oder sei­ne Ein­wil­li­gung nicht ver­wei­gern oder zurück­zie­hen kann. Der Ver­ant­wort­li­che muss hier­bei den Nach­weis über die Recht­mä­ßig­keit der Ein­wil­li­gung erbringen.

Nach Ein­schät­zung des Gene­ral­an­walts schließt Markt­macht allein nicht schon die Gül­tig­keit einer Ein­wil­li­gung aus. Sie kann jedoch ein unglei­ches Macht­ver­hält­nis zwi­schen Ver­ant­wort­li­chem und betrof­fe­ner Per­son beschrei­ben. Ist die­ses offen­sicht­lich, so kann die Frei­wil­lig­keit einer Ein­wil­li­gung im kon­kre­ten Fall frag­lich sein. Der Ver­ant­wort­li­che kann jedoch auch bewei­sen, dass er die Ein­wil­li­gung auf frei­wil­li­ger Basis erlangt hat.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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