Vor weni­gen Wochen hat das Bun­des­kar­tell­amt erneut bekannt gege­ben, ein Ver­fah­ren nach dem neu­en § 19a GWB gegen­über Goog­le eröff­net zu haben. Die­ses Mal will die Behör­de die Geschäfts­prak­ti­ken rund um News Show­ca­se unter­su­chen. Ich will mich in die­sem Bei­trag einem sehr spe­zi­el­len Detail die­ses Ver­fah­rens widmen.

Hintergründe des neuen Verfahrens

Zuvor hat­te sie bereits zwei Ver­fah­ren gegen­über Goog­le ein­ge­lei­tet, eins zur Unter­su­chung der Regu­lie­rungs­be­dürf­tig­keit nach § 19a Abs. 1 GWB und ein wei­te­res nach § 19a Abs. 2 GWB im Zusam­men­hang mit den Daten­ver­ar­bei­tungs­prak­ti­ken. Das ers­te Ver­fah­ren ist dabei grund­le­gen­de Vor­aus­set­zung, dass die­ses neue Ver­fah­ren über­haupt zu einem Ende kom­men kann. Denn die Vor­schrift des § 19a GWB ent­hält ein zwei­stu­fi­ges Regu­lie­rungs­ver­fah­ren. Im ers­ten Schritt muss die Behör­de fest­stel­len, dass ein Unter­neh­men eine über­ra­gen­de markt­über­grei­fen­de Bedeu­tung für den Wett­be­werb hat. Erst danach kann sie im zwei­ten Schritt bestimm­te Maß­nah­men tref­fen, um Gefähr­dun­gen des Wett­be­werbs abzuwenden.

Seit eini­gen Mona­ten bie­tet Goog­le die Opti­on eines News Show­ca­se an. Dabei han­delt es sich um eine eige­ne und optisch abge­grenz­te Rubrik bei Goog­le, in der aus­ge­wähl­te und lizen­sier­te Nach­rich­ten ange­zeigt wer­den. Goog­le erwirbt also ver­ein­zelt die Rech­te von Ver­la­gen, um dar­auf­hin Inhal­te im News Show­ca­se anzuzeigen.

Die urhe­ber­recht­li­che Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft Corint Media hat sich beim Bun­des­kar­tell­amt über Goog­le im Zusam­men­hang mit die­sem Geschäfts­mo­dell beschwert. Dem­nach prüft die Behör­de jetzt, ob sich Goog­le selbst bevor­zugt oder die Ange­bo­te Drit­ter behin­dert. Aus einem Neben­satz ergibt sich, dass auch unter­sucht wer­den sol­le, „ob die zu Grun­de lie­gen­den Ver­trags­be­din­gun­gen die teil­neh­men­den Ver­la­ge unan­ge­mes­sen benach­tei­li­gen, ins­be­son­de­re ihnen eine Durch­set­zung des von Bun­des­tag und Bun­des­rat im Mai 2021 beschlos­se­nen Leis­tungs­schutz­rechts der Pres­se­ver­le­ger unver­hält­nis­mä­ßig erschwe­ren.“

Das ist nicht über­ra­schend, weil sich auf der Sei­te der Befür­wor­ter des Leis­tungs­schutz­rechts immer mal wie­der der Wunsch einer Durch­set­zung mit­tels kar­tell­recht­li­cher Instru­men­te fin­det. In Frank­reich hat­te ein ers­ter Vor­stoß der Ver­le­ger-Lob­by dahin­ge­hend letz­tes Jahr bereits Erfolg.

Leistungsschutzrecht und Kartellrecht

Aber wie hän­gen das Leis­tungs­schutz­recht und das Kar­tell­recht zusam­men? Das aktu­el­le Leis­tungs­schutz­recht ist im Wesent­li­chen dem­je­ni­gen nach­emp­fun­den, das es in Deutsch­land bereits ein­mal gege­ben hat­te. Ver­gan­gen­heit des­halb, weil der Gesetz­ge­ber ver­ges­sen hat­te, die deut­sche Rege­lung zu noti­fi­zie­ren. Ein Feh­ler, auf des­sen Fol­gen Simon Assi­on und ich schon früh auf Tele­me­di­cus hin­ge­wie­sen hat­ten. Der EuGH erklär­te die Vor­schrift wegen die­ses Form­feh­lers für nich­tig.

Den­noch hat­te die Ver­le­ger-Bran­che bereits Anstren­gun­gen zur Durch­set­zung unter­nom­men. Auch kar­tell­recht­lich hat­te sich das BKar­tA mit der Ange­le­gen­heit zu befas­sen. Es ent­schied 2015 noch, dass es kei­nen Anlass zum behörd­li­chen Tätig­wer­den wegen eines etwa­igen Ver­sto­ßes gegen die kar­tell­recht­li­chen Ver­bots­vor­schrif­ten sehe. Die Maß­nah­me Goo­gles, eine soge­nann­te Null-Lizenz ein­ge­räumt zu erhal­ten, sei sach­lich gerecht­fer­tigt. Denn das Unter­neh­men habe ein berech­tig­tes Inter­es­se dar­an, gera­de nicht gegen das Leis­tungs­schutz­recht zu verstoßen.

Das ist zunächst recht ein­leuch­tend. Es han­del­te sich bei dem Pres­se-Leis­tungs­schutz­recht um ein Ver­bots­recht. Die Ver­la­ge konn­ten also ver­bie­ten, dass die betref­fen­den Snip­pets von Goog­le genutzt wer­den kön­nen. Aus dem Ver­bie­ten-kön­nen folgt jedoch nicht unmit­tel­bar ein Lizen­sie­ren-müs­sen – und um die­ses geht es den Ver­la­gen doch eigent­lich, am bes­ten mit einer Zah­lungs­pflicht des Suchmaschinenkonzerns.

Lizenzeinholungszwang und Must-carry

Grund­sätz­lich sind Unter­neh­men im wirt­schaft­li­chen Leben frei und kön­nen selbst ent­schei­den, mit wem sie Geschäf­te abschlie­ßen. Das Kar­tell­recht setzt dem teil­wei­se Schran­ken. So kön­nen markt­mäch­ti­ge Unter­neh­men etwa nicht mehr voll­stän­dig auto­nom han­deln, soweit dies einen Miss­brauch ihrer Markt­macht dar­stel­len wür­de. Das kann auch bei Geschäfts­ver­wei­ge­run­gen der Fall sein. In die­sem Fall kann aus dem Markt­macht­miss­brauchs­ver­bot ein Kon­tra­hie­rungs­zwang folgen.

Die­ser Kon­tra­hie­rungs­zwang ist etwa eta­bliert, wenn es um Zugang zu wesent­li­chen Ein­rich­tun­gen geht. Zu die­sen Ein­rich­tun­gen kön­nen etwa Infra­struk­tu­ren, Imma­te­ri­al­gü­ter­rech­te oder auch schlicht wett­be­werb­lich bedeu­ten­de Infor­ma­tio­nen zäh­len. Muss ein Unter­neh­men den Zugang gewäh­ren, kann es dafür grund­sätz­lich auch einen Aus­gleich in Höhe eines ange­mes­se­nen Ent­gelts verlangen.

Der Streit um das Leis­tungs­schutz­recht hat hier jedoch teil­wei­se umge­kehr­te Vor­zei­chen. Statt eines Lizenz­ge­wäh­rungs­zwangs – also der Pflicht, eine Lizenz für eine Ein­rich­tung ein­zu­räu­men – soll ein Lizenz­ein­ho­lungs­zwang durch­ge­setzt wer­den. Goog­le soll also im Ergeb­nis ver­pflich­tet sein, als Betrei­ber einer Ein­rich­tung die Inhal­te nut­zen und lizen­sie­ren zu müs­sen. Eine ähn­li­che Rege­lung hat etwa die fran­zö­si­sche Wett­be­werbs­be­hör­de ange­ord­net. Ich hat­te das damals hier zusam­men gefasst.

Entgeltkontrolle?

Grund­sätz­lich ist der kar­tell­recht­li­che Kon­tra­hie­rungs­zwang nicht auf Zugangs­fäl­le limi­tiert. Es spricht also nichts dage­gen, auch ande­re Kon­stel­la­tio­nen zu erfas­sen. Erfor­der­lich ist aber für einen Kon­tra­hie­rungs­zwang, dass die Ver­wei­ge­rung eines Geschäfts grund­sätz­lich oder zu ande­ren als den gewoll­ten Bedin­gun­gen miss­bräuch­lich wäre.

Dane­ben ver­birgt sich in die­ser Gemenge­la­ge auch eine klas­si­sche Kon­stel­la­ti­on des Zugangs zu einer wesent­li­chen Ein­rich­tung. Es geht den Ver­la­gen näm­lich dar­um, in der Ein­rich­tung Goo­gles berück­sich­tigt zu wer­den, bzw. die­se für ihre gewerb­li­chen Zwe­cke zu nut­zen. Aller­dings kommt das Unter­neh­men die­ser Zugangs­nach­fra­ge im Grund­satz sogar nach, näm­lich indem es das Ange­bot für eine Koope­ra­ti­on stellt – in Form der News Showcase.

Es besteht also nicht ein­mal Zwei­fel dar­über, dass Goog­le wei­ter­hin an den Ver­lags­in­hal­ten inter­es­siert ist und die­se wei­ter­hin ein­bin­den möch­te. Der Streit ent­zün­det sich viel­mehr an den inhalt­li­chen Geschäfts­be­din­gun­gen und ins­be­son­de­re dem Preis. Denn die Ver­la­ge wol­len am liebs­ten, dass ihre Inhal­te genutzt und bezahlt wer­den und zwar mit einem Ent­gelt, das höher als Null ist. Es geht also um eine Ent­gelt­kon­trol­le. Erst aus die­ser ergibt sich dann wie­der­um im Umkehr­schluss der Lizenzeinholungszwang.

Ist dafür aber ein Ver­fah­ren nach § 19a GWB der rich­ti­ge Platz?

Wettbewerbspolitische Ergebniskontrolle

Die Befür­wor­ter des Leis­tungs­schutz­rechts argu­men­tie­ren hier ger­ne etwas eso­te­risch mit dem soge­nann­ten Geist oder Gedan­ken des Pres­se-Leis­tungs­schutz­rechts. Des­sen Zweck sei es, einen ange­mes­se­nen Aus­gleich für die Nut­zung ihrer Inhal­te her­zu­stel­len. Wäre dies wirk­lich der Fall, so hät­te man wohl auch auch eine aus­drück­li­che Ent­gelt­zah­lungs­pflicht regeln kön­nen oder einen Preis fest­le­gen kön­nen, der über Null liegt.

Das wie­der­um führt zu einem typi­schen Ein­wand gegen­über der kar­tell­recht­li­chen Ent­gelt­kon­trol­le und dem Aus­beu­tungs­miss­brauch. Bei­des hat eine Ten­denz dazu, dass in der Wir­kung Ergeb­nis­se des Wett­be­werbs kon­trol­liert wer­den. Dabei wie­der­um besteht die Gefahr, dass der Staat sich Wis­sen anmaßt und dabei Frei­hei­ten im Wett­be­werb ein­schränkt. Das Kar­tell­recht ist aber wett­be­werbs­po­li­tisch neu­tral – muss es sogar sein. Das bedeu­tet, dass die wett­be­werb­li­chen Erwä­gun­gen also nicht ohne wei­te­res durch außer-kar­tell­recht­li­che Geset­ze ersetzt wer­den können.

Wie lässt sich das in die­sem Ver­fah­ren nach § 19a GWB betrach­ten? Das Abhil­fe­ver­fah­ren nach § 19a Abs. 2 GWB hät­te eine Gefähr­dung des Wett­be­werbs­pro­zes­ses zum Gegen­stand. Auf einen Miss­brauch käme es also nicht erst an. Das senkt einer­seits den Maß­stab und ermög­licht der Behör­de, bereits wett­be­werbs­kri­ti­sche Vor­feld­maß­nah­men zu betrach­ten. Dabei ist aber frag­lich, ob ein von einer Sei­te nicht gewünsch­tes wett­be­werbs­po­li­ti­sches Ergeb­nis gleich­zei­tig eine der ange­spro­che­nen Gefähr­dun­gen für den Wett­be­werb darstellt.

Ande­rer­seits muss die Behör­de ihre Ent­schei­dung nach § 19a Abs. 2 GWB im pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen aus­üben. Das bedeu­tet zwar auf der einen Sei­te, dass sie einen Spiel­raum hat. Auf der ande­ren Sei­te sind ihre Ent­schei­dun­gen gericht­lich auf Ermes­sens­feh­ler über­prüf­bar. Typi­sche Feh­ler sind dabei Ermes­sens­nicht­ge­brauch, Ermes­sens­über­schrei­tung oder Ermessensfehlgebrauch.

Ein Ermes­sens­fehl­ge­brauch liegt ins­be­son­de­re dann nah, wenn die Behör­de die Befug­nis­norm nicht dem Zweck ent­spre­chend anwen­det. Im Zusam­men­hang mit dem Leis­tungs­schutz­recht könn­te die Behör­de hier vor den­sel­ben Schwie­rig­kei­ten ste­hen, wie dies bei ihrer ursprüng­li­chen Begrün­dung der Face­book-Ent­schei­dung der Fall war. Denn die Schutz­zwe­cke des Kar­tell­rechts kön­nen nicht ohne wei­te­res durch außer-kar­tell­recht­li­che Vor­schrif­ten ersetzt oder defi­niert wer­den, geschwei­ge denn wer­den die Abwä­gungs­er­geb­nis­se indiziert.

War­um ins­be­son­de­re letz­te­res nicht der Fall sein kann, ergibt sich auch aus der Sys­te­ma­tik des Leis­tungs­schutz­rechts. Die­ses bezieht wei­ter­ge­hen­de wett­be­werb­li­che Erwä­gun­gen nicht mit ein. So wird ein ent­spre­chen­des Mone­ta­ri­sie­rungs­in­ter­es­se Goo­gles etwa nicht berück­sich­tigt. Die Leis­tun­gen der Such­ma­schi­ne sind aber poten­zi­ell ent­gelt­lich und es müss­ten nur weni­ge Para­me­ter in der Kos­ten­struk­tur sich ver­schie­ben oder ändern und auch die Prei­se einer Markt­sei­te könn­ten sich ändern. Dann wäre auch die Situa­ti­on denk­bar, dass Goog­le sei­ne Leis­tun­gen gegen­über den Ver­la­gen ver­rech­net. Die­se Sal­die­rung der Leis­tun­gen wird durch das Leis­tungs­schutz­recht nicht abgebildet.

Die­se Erwä­gun­gen müss­te auch das Bun­des­kar­tell­amt in sei­ner Ermes­sens­ent­schei­dung berück­sich­ti­gen. Es erscheint frag­lich, ob und wel­che Abhil­fe­ver­fü­gung dann am Ende eines Ver­fah­rens ste­hen könn­te. Auch offen ist, inwie­weit eine der­ar­ti­ge Ent­schei­dung dann den Ver­la­gen zugu­te kommt – bzw. hilf­reich wäre.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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