Kurze Anmerkungen zu den Leitsätzen der Stadionverbotentscheidung

Es ist bereits fast drei­ein­halb Jah­re her, dass das BVerfG sich mit Sta­di­on­ver­bo­ten befasst hat­te. Bei für das gesell­schaft­li­che Leben beson­ders wich­ti­gen Sozi­al­ver­an­stal­tun­gen besteht ein ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­rer Zugangs­an­spruch gegen­über dem Anbie­ter aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Ent­schei­dung hat auch im Face­book-Fall eine Bedeu­tung gewon­nen: Der BGH sieht näm­lich die Dog­ma­tik auf das sozia­le Netz­werk über­trag­bar. Ohne sach­li­che Begrün­dung dür­fen Pri­va­te also nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. In der Fol­ge kön­nen sie Ansprü­che auf Wie­der­her­stel­lung durch­set­zen, wie der BGH in einer wei­te­ren Ent­schei­dung vor kur­zem ent­schie­den hat. Gleich­zei­tig hat der BGH im Face­book-Beschluss vom 23.6.2020 auch das Argu­ment des OLG Düs­sel­dorf damit ent­kräf­tet, die Nut­zer könn­ten doch ohne wei­te­res auf ande­re Platt­for­men aus­wei­chen, wes­halb ein Kon­di­tio­nen­miss­brauch aus­schei­de. Liegt dar­in auch eine Auf­lö­sung des Pri­va­cy Para­dox? Dazu schrei­be ich dem­nächst noch ein­mal etwas.

Die Sta­di­on­ver­bot-Ent­schei­dung des BVerfG wur­de an ande­ren Stel­len bereits aus­führ­lich und kom­pe­tent ana­ly­siert. Ich möch­te hier bewusst eine selek­ti­ve Kom­men­tie­rung aus­schließ­lich der drei Leit­sät­ze vor­neh­men und die Fol­gen dar­aus für die Pra­xis darstellen:

  1. Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich auch nach den Grund­sät­zen der mit­tel­ba­ren Dritt­wir­kung kein objek­ti­ves Ver­fas­sungs­prin­zip ent­neh­men, wonach die Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen Pri­va­ten von die­sen prin­zi­pi­ell gleich­heits­ge­recht zu gestal­ten wären. Grund­sätz­lich gehört es zur Frei­heit jeder Per­son, nach eige­nen Prä­fe­ren­zen dar­über zu bestim­men, mit wem sie unter wel­chen Bedin­gun­gen Ver­trä­ge abschlie­ßen will. – Ers­tens, es gibt kei­nen Auto­ma­tis­mus, wonach Unter­neh­men stets an Grund­rech­te gebun­den sind. Zwei­tens, jedes Unter­neh­men ent­schei­det zunächst, mit wem und zu wel­chen Bedin­gun­gen es wie zu tun hat. Hier bestä­tigt der Senat das, was sich auch spä­ter beim BGH wie­der fin­det: die all­ge­mei­ne Selbst­be­stim­mung bei Unter­neh­men, die in einer Abwä­gung zu berück­sich­ti­gen ist. Das gilt auch für Abwä­gungs­ent­schei­dun­gen inner­halb der Aus­le­gung der kar­tell­recht­li­chen Vorschriften.
  2. Gleich­heits­recht­li­che Anfor­de­run­gen für das Ver­hält­nis zwi­schen Pri­va­ten kön­nen sich aus Art. 3 Abs. 1 GG jedoch für spe­zi­fi­sche Kon­stel­la­tio­nen erge­ben. Mit­tel­ba­re Dritt­wir­kung ent­fal­tet Art. 3 Abs. 1 GG etwa dann, wenn ein­zel­ne Per­so­nen mit­tels des pri­vat­recht­li­chen Haus­rechts von Ver­an­stal­tun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den, die von Pri­va­ten auf­grund eige­ner Ent­schei­dung einem gro­ßen Publi­kum ohne Anse­hen der Per­son geöff­net wer­den und wenn der Aus­schluss für die Betrof­fe­nen in erheb­li­chem Umfang über die Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben ent­schei­det. Die Ver­an­stal­ter dür­fen hier ihre Ent­schei­dungs­macht nicht dazu nut­zen, bestimm­te Per­so­nen ohne sach­li­chen Grund von einem sol­chen Ereig­nis aus­zu­schlie­ßen. – Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ist nur aus­nahms­wei­se her­an­zu­zie­hen bei der Kon­trol­le einer wich­ti­gen Sozi­al­ver­an­stal­tung. Das ist eine ähn­li­che Argu­men­ta­ti­on wie bei Markt­macht: Wenn der Anbie­ter durch die Kon­trol­le über den Zugang zu der Ver­an­stal­tung über die Teil­ha­be am sozia­len Leben selbst ent­schei­den kann, dann darf er das nur durch will­kür- und dis­kri­mi­nie­rungs­freie Grund­sät­ze. Es muss ein sach­li­cher Grund bestehen. Damit wird auch das Selbst­be­stim­mungs­recht der Unter­neh­men ein­ge­schränkt, das aber ansons­ten wei­ter gilt.
  3. Ein Sta­di­on­ver­bot kann auch ohne Nach­weis einer Straf­tat auf eine auf Tat­sa­chen grün­den­de Besorg­nis gestützt wer­den, dass die Betrof­fe­nen künf­tig Stö­run­gen ver­ur­sa­chen wer­den. Die Betrof­fe­nen sind grund­sätz­lich vor­her anzu­hö­ren und ihnen ist auf Ver­lan­gen vor­pro­zes­su­al eine Begrün­dung mit­zu­tei­len. – Hier bereits zeigt sich, dass bei der Kon­trol­le der wich­ti­gen Sozi­al­ver­an­stal­tung das Aus­nut­zen der unter­neh­me­ri­schen Gestal­tungs­spiel­räu­me mit Rech­ten zuguns­ten der Nut­zer in Ein­klang zu brin­gen ist.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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