Was können Hersteller unternehmen, um ihr selektives Vertriebssystem zu schützen? Diese Frage stellt sich häufig bei Herstellern hochpreisiger Angebote. Denn es nützt nicht, zunächst die eigenen (berechtigten) Interessen in einem Selektivvertrieb festzulegen, diese im Anschluss aber nicht auch konsequent zu verfolgen.
Für die eigene Gruppe!
Viele Hersteller entscheiden sich für den Selektivvertrieb. Dabei suchen sich die Hersteller ihre Vertriebspartner nach selbst gesetzten Kriterien aus. Gleichzeitig schließen sie Unternehmen aus ihrem Vertriebssystem aus, die diesen Kriterien nicht entsprechen. Dieses Vorgehen ist kartellrechtlich unbedenklich, wenn es entweder bereits Ausdruck wirksamen Wettbewerbs ist oder aber die Vereinbarungen jedenfalls nach der Vertikal-GVO freigestellt sind.
Bei einem selektiven Vertriebssystem verkleinern Hersteller also im Ergebnis die Gruppe derjenigen, die ihre Angebote vertreiben dürfen. Wer nicht zu dieser Gruppe gehört, soll dabei auch in der Vertriebskette im Ergebnis ausgeschlossen werden. Für den Bestand des Selektivvertriebs ist es aber wichtig, dieses Vorgehen auch konsequent einzuhalten.
Dies kann bereits auf der vertraglichen Ebene erfolgen, indem die Vertriebspartner streng an die zulässigen Vorgaben des Selektivvertriebssytems gebunden werden. Dieses Vorgehen ist eher präventiv und soll vor allem Verhindern, dass an Außenseiter geliefert wird. Verstoßen die Vertragspartner gegen diese Vorgaben, so können Hersteller repressiv vorgehen und abmahnen, gegebenenfalls auch auf Unterlassung klagen oder die Geschäftsbeziehung kündigen.
In der Praxis besonders wirksam sind zusätzliche Kontrollnummernsysteme, mit denen der Vertrieb von Waren nachverfolgt werden kann. Dadurch lässt sich etwa bei Testkäufen nachvollziehen, von welchem zugelassenen Vertriebshändler ein nicht zugelassener Außenseiter Waren erlangt hat.
Gegen die nicht zugelassenen Außenseiter!
Was aber ist mit Außenseitern, die die herstellereigenen Angebote vertreiben und damit die berechtigten Vertriebsinteressen der Hersteller beeinträchtigen? Wenn es keine vertragliche Vereinbarung mit den Herstellern gibt, gibt es zunächst keine unmittelbaren Pflichten, die einzuhalten wären. Mehr noch, kann aus dem Markenrecht der Erschöpfungsgrundsatz greifen, wonach einmal in den Markt gelangte Waren danach frei vertrieben werden dürfen.
Dennoch bieten sich für Betreiber eines Selektivvertriebssystems auch Möglichkeiten, direkt gegen Außenseiter vorzugehen und diese auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Grundlagen dafür sind zum einen das Markenrecht und zum anderen das Lauterkeitsrecht.
Markenrecht
Hersteller können grundsätzlich einen immaterialgüterrechtlichen Schutz ihrer Unternehmenskennzeichen geltend machen. Dazu gehören auch die Kennzeichen auf den Angeboten. Wer keine vertragliche oder gesetzliche Erlaubnis zur Nutzung hat, darf die Kennzeichen nicht nutzen und der Hersteller kann Unterlassung verlangen.
Die meisten Fälle spielen sich in diesem Zusammenhang rund um den markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz ab. Dieser ist in § 24 Abs. 1 MarkenG geregelt. Im übernationalen Bereich gelten gleiche Regeln. Hiernach kann der Inhaber einer Marke nicht die Benutzung für Waren untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht wurden. In diesem Fall gilt grundsätzlich der Vorrang des freien Warenverkehrs und jedes Unternehmen kann die Waren vertreiben.
Auf den Erschöpfungsgrundsatz müssten sich Außenseiter berufen. Hierbei tragen sie die Beweislast, sodass sie im Ergebnis ihre Bezugsquelle offen legen müssten. Damit könnte jedenfalls Wissen über einen Vertragshändler erlangt werden, der sich vertragsbrüchig verhalten hat und den nicht zugelassenen Außenseiter beliefert hat.
Jedoch regelt § 24 Abs. 2 MarkenG eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz. Danach kann der Markeninhaber sich der Erschöpfung und damit dem freien Warenvertrieb bei berechtigten Gründen widersetzen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach dem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert wird. In diesem Fall wiederum kann der Hersteller vollständig alle Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht geltend machen. Für die Voraussetzungen der Ausnahme zum Erschöpfungsgrundsatz ist er beweispflichtig. In diesem Zusammenhang erlangen wiederum die Bedingungen für den Selektivvertrieb eine wichtige Bedeutung. Ein typischer Fall ist hierbei das Aufbringen neuer Verpackung mit anderer Werbung. Aber auch der selektive Vertrieb schafft hier Argumente. Denn dient dieser der Wahrung einer besonders hohen Qualität, Sicherheit oder eines herausragenden Images, kann auch der nicht autorisierte Weitervertrieb dadurch geschädigt werden. Ebenso ist die Täuschung über eine Autorisierung weiterhin untersagungsfähig.
Schon gar nicht erst anwendbar ist der Erschöpfungsgrundsatz jedoch für Dienstleistungen. Das bedeutet, dass hier der Markeninhaber sofort alle weiteren Rechte hat. Das gewinnt etwa eine hohe Bedeutung, wenn nicht nur etwa die hergestellten Waren vertrieben werden, sondern weitere Leistungen des Herstellers/Anbieters. Hier wird auch besonders gut deutlich, worauf sich das berechtigte Interesse am Selektivvertrieb stützen kann: Werden Direktleistungen vertrieben, identifiziert der Endkunde die Qualität des Vertriebs unmittelbar mit der Qualität des Angebots. Entsprechend muss sich der Betreiber des Selektivvertriebssystems auch aussuchen, wer nach seinen Kriterien in der Lage ist, diese Identifizierungswirkung angemessen zu begleiten.
Lauterkeitsrecht
Neben dem Markenrecht gibt es die Möglichkeit, auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage Außenseiter zur Unterlassung zu verpflichten. Dabei gibt es zwei Ansatzpunkte: Erstens den Warenbezug von zugelassenen Händlern, zweitens die Irreführung der Kunden über die Zulassung als autorisierter Händler.
Grundsätzlich ist der Bezug von Produkten oder Leistungen durch einen nicht zugelassenen Händler nicht untersagungsfähig. Erst wenn er etwa über seine Zulassung als Vertragshändler täuscht oder die Vertragshändler zum Vertragsbruch verleitet, verhält er sich unlauter. Aus diesem Grund kann es Sinn machen, den zugelassenen Unternehmen nicht nur den Vertrieb an Außenseiter zu untersagen, sondern ihnen auch die Pflicht zur Abfrage der Zulassung aufzuerlegen. Alternativ könnte es ein Opt-in über die eigene Verbrauchereigenschaft geben. Wenn der Außenseiter hier erklärt, er sei Verbraucher, stellt dies ebenso einen Schleichbezug dar.
Daneben kann die Verwendung der Unternehmenskennzeichen unlauter sein, wenn damit dem Publikum suggeriert wird, der Außenseiter sei tatsächlich zugelassener Händler. Er täuscht dann über seine Eigenschaft als im Selektivvertrieb zugelassener Händler. Auch dafür muss das Selektivvertriebssystem konsequent durchgesetzt werden.