Im Dezember letztes Jahr hatte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) auf seiner Webseite Bedingungen und Preise für den Zugang Dritter auf Vorleistungsebene zu geförderten Netzen veröffentlicht. Diese Veröffentlichung steht im Zusammenhang mit beihilferechtlichen Vorgaben und der Festlegung von Preisen durch die BNetzA bei Streitbeilegungsverfahren. Ein aktuelles Gutachten beschäftigt sich nun mit der Frage, ob hierfür eine gesetzliche Rechtsgrundlage erforderlich ist und verneint diese.
Welche Bedeutung hat diese Aussage? Wie ist nun mit diesen veröffentlichten Preisen umzugehen?
Beihilferechtlicher Kontext
Die Festlegung der Vorleistungspreise geht zurück auf einerseits die Breitbandleitlinien 2023 der Kommission und andererseits der jeweiligen Genehmigungsbeschlüsse der Kommission zu deutschen Förderprogrammen. Erstere sind Auslegungsregeln für die Kommission. Als Mitteilung haben sie zwar keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung. Da jedoch gemäß Art. 108 AEUV die Kommission die für die Durchsetzung des Beihilferechts allein zuständige Behörde ist, erhalten die Breitbandleitlinien hierüber wiederum verbindlichen Charakter.
Die Genehmigungsbeschlüsse binden den jeweiligen Mitgliedstaat. Er muss sich bei der Durchführung von Beihilfen an die Vorgaben in den Genehmigungsbeschlüssen halten. Ansonsten läuft er Gefahr, rechtswidrige Beihilfen zu gewähren.
Diese Beihilferegeln sehen vor, dass ein Zuwendungsempfänger beim geförderten Breitbandausbau anderen Unternehmen den offenen Netzzugang zu dem öffentlich geförderten Netz auf der Vorleistungsebene gewähren muss. Einfachgesetzlich ist dies in § 155 Abs. 1 TKG geregelt. Die Bedingungen und Preise müssen fair, angemessen und nichtdiskriminierend sein. Wenn die BNetzA im Streitfall entscheiden muss, muss sie sich an einem der drei folgenden Benchmarks orientieren, hier dargestellt aus Ziff. 151 Breitbandleitlinien 2023
- durchschnittliche veröffentlichte Vorleistungspreise, die in anderen vergleichbaren und wettbewerbsintensiveren Gebieten des Mitgliedstaats gelten,
- regulierte Preisen, die von den NRB für die betreffenden Märkte und Dienste bereits festgesetzt oder genehmigt wurden,
- Maßstab der Kostenorientierung oder ein nach dem sektoralen Rechtsrahmen vorgeschriebenes Verfahren.
Ziff. 131 Breitbandleitlinien 2023 lautet wiederum wie folgt:
Die Mitgliedstaaten müssen die Bedingungen und die Preise für Vorleistungszugangsprodukte in den Unterlagen für das wettbewerbliche Auswahlverfahren angeben und diese Informationen auf einer umfassenden nationalen oder regionalen Website veröffentlichen.
Ziff. 131 Breitbandleitlinien der Kommission 2023
Die vom BMVD Ende letztes Jahr veröffentlichten Vorleistungspreise sollen dem ersten dieser drei Benchmarks entsprechen. Ergänzend ergibt sich aus der aktuellen geltenden Gigabit-Rahmenregelung, dass der Bund die Vorleistungspreise unter Beteiligung der Bundesnetzagentur „verbindlich“ festlegt.
Suche nach einer gesetzlichen Grundlage
Was diese verbindliche Festlegung bedeutet, ergibt sich wohl aus dem Genehmigungsbeschluss. Er sieht die beihilferechtlichen Regeln vor, die für den Mitgliedstaat und den jeweiligen Zuwendungsempfänger gelten. Er bindet also die jeweils an der Beihilfe Beteiligten. Insofern besteht also wohl keine Außenwirkung dieser Bindung. Verbindlich bedeutet also wohl eher nicht abstrakt-generell mit gesetzlichem Charakter, sondern nur in Bezug auf sich selbst als beihilfegewährender Mitgliedstaat.
Nicht von dieser Bindungswirkung betroffen sind demnach Dritte. Für diese ergibt sich eine Bindungswirkung erst, wenn die Bundesnetzagentur als Streitbeilegungsstelle verbindlich über eine Einigung zum offenen Netzzugang entscheidet. Entsprechend ließe sich die Vorgabe einer verbindlichen Festlegung so verstehen, dass der Mitgliedstaat das Benchmark zur besseren Transparenz verbindlich macht.
Für diese Zwecke stellt die Festlegung, wenn auch für die Bundesrepublik verbindlich, ein schlichtes öffentliches Informationshandeln ohne unmittelbare rechtliche Wirkung für Private dar. Sofern Unternehmen also an einer Beihilfe nicht beteiligt sind, dürften die Festlegungen für sie also nicht unmittelbar bindend sein. Dafür spricht auch, dass erst die Entscheidung der BNetzA gemäß § 149 TKG binden für sie ist.
Entsprechend würde wohl auch der Wesentlichkeitsgrundsatz nicht gelten und eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage wäre nicht notwendig. Zudem gilt grundsätzlich, dass die Kommission allein für die Exekutive des Beihilferechts zuständig ist. Ein Gesetz könnte also auch einen Kompetenzverstoß darstellen.
Rechtsschutz im Zusammenhang mit Streitbeilegung
Eher relevant ist in diesem Zusammenhang aber wohl die Frage nach dem Rechtsschutz. Die BNetzA muss eine eigenständige behördliche Entscheidung treffen. Die beihilferechtlichen Vorgaben zu einer verbindlichen Festlegung der Vorleistungspreise können dies nicht ersetzen.
Mehr noch, einiges spricht aus meiner Sicht dafür, dass BMDV und BNetzA von fehlerhaften Annahmen ausgehen. Ein Benchmark erfordert nicht zwingend eine bundesweit vereinheitlichte Betrachtung. Vielmehr müssen die Vorleistungspreise nach wettbewerblichen Maßstäben festgelegt werden. Bei einer derart globalen Betrachtung wie hier spricht aber vieles dafür, dass die wettbewerblichen Umstände nicht hinreichend berücksichtigt wurden.
Darf die BNetzA trotz verbindlicher Festlegungen des Benchmarks abweichen? Sie muss das sogar, wenn anderenfalls mit Art. 107 AEUV nicht kompatible Vorleistungspreise von ihr entschieden würden. Zudem muss sie jede Entscheidung weiterhin begründen und darf die Vorgaben der Kommission nicht umgehen.
Selbst wenn also ein Benchmark veröffentlicht wird, eine konkrete rechtmäßige Entscheidung der BNetzA über die Entgelthöhe ersetzt dies nicht.