Mitt­ler­wei­le sind die ers­ten Kom­men­ta­re zum Data Act ver­füg­bar. Ich selbst kom­men­tie­re in dem von Bom­har­d/­Schmidt-Kes­sel her­aus­ge­ge­be­nen Kom­men­tar die Vor­schrif­ten Art. 8, 9 und 12 Data Act. Dort ver­tre­te ich unter ande­rem, dass der Daten­in­ha­ber vor­leis­tungs­pflich­tig ist. Die­se Aus­sa­ge ist im Ergeb­nis sehr rele­vant, denn ande­ren­falls könn­ten Daten­emp­fän­ger dar­auf ver­wie­sen wer­den, zunächst eine FRAND-kon­for­me Ver­ein­ba­rung abzu­schlie­ßen und erst gestützt auf die­se über­haupt einen (dann wohl ver­trag­li­chen) Anspruch auf Daten­be­reit­stel­lung durch­zu­set­zen. Mit ande­ren Wor­ten: kann ein ver­pflich­te­ter Daten­in­ha­ber eine Vor­ab­kom­pen­sa­ti­on ver­lan­gen oder muss er die Daten vor­her bereitstellen?

Mei­ner Ansicht nach han­delt es sich bei den Daten­be­reit­stel­lungs­pflich­ten regel­mä­ßig aber um Direkt­an­sprü­che. In den ers­ten ande­ren Kom­men­ta­ren lese ich hier­zu aller­dings Wider­spruch. Dar­auf wer­de ich in der nächs­ten Auf­la­ge und vor­ab in einem Bei­trag sicher noch ein­mal ver­tieft ein­ge­hen. Hier möch­te ich die wesent­li­chen Gedan­ken dazu ein­mal diskutieren.

Hintergrund der Fragestellung

Der Data Act soll die Eta­blie­rung von Daten­märk­ten för­dern. Dies soll zum einen durch die Umset­zung der Daten­be­reit­stel­lung gemäß Art. 5 Data Act erfol­gen. Zum ande­ren sol­len die Regeln des drit­ten Kapi­tels auch für ande­re Daten­be­reit­stel­lungs­pflich­ten gel­ten. Das aktu­el­le Kar­tell­recht ist davon übri­gens wegen Art. 12 Data Act nicht erfasst.

Art. 8 Data Act sieht die Anwen­dung von FRAND-Prin­zi­pi­en auf die erfass­ten Daten­be­reit­stel­lungs­pflich­ten vor. Art. 9 Data Act sieht Regeln für die Kom­pen­sa­ti­on des Daten­in­ha­bers vor. Der Data Act schafft dabei aller­dings kei­ne eigen­stän­di­ge Rechts­grund­la­ge zuguns­ten des Daten­in­ha­bers für einen Kom­pen­sa­ti­ons­an­spruch, son­dern stellt ledig­lich Rege­lun­gen für etwa­ige Ver­ein­ba­run­gen über eine der­ar­ti­ge Kom­pen­sa­ti­on bereit.

Argumente contra Vorleistungspflicht des Dateninhabers

Gegen eine Vor­leis­tungs­pflicht könn­te zunächst spre­chen, dass eine sol­che jeden­falls nicht aus­drück­lich im Data Act vor­ge­se­hen ist. Wei­ter­hin gilt der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit; solan­ge die­se FRAND-kon­form sind, kön­nen die Par­tei­en auch Vor­ab­zah­lun­gen vereinbaren.

Wei­ter­hin könn­te man argu­men­tie­ren, dass der Begriff „ange­mes­se­ne Gegen­leis­tung“ auch den Daten­in­ha­ber schützt und eine Vor­leis­tung des Emp­fän­gers recht­fer­tigt. Auch ein Miss­brauchs­ri­si­ko könn­te unter­bun­den werden.

Aus der Vor­leis­tungs­pflicht ergibt sich, dass der Daten­in­ha­ber grund­sätz­lich das vol­le Insol­venz­ri­si­ko trägt. Die­ses kann er nur aus­nahms­wei­se auf den Daten­emp­fän­ger über­tra­gen. Vor­aus­set­zung dafür ist, dass die Vor­aus­zah­lung nicht unfair ist und eine ange­mes­se­ne Höhe hat. Für bestimm­te Fäl­le wie etwa die in Art. 9 Abs. 4 Data Act Genann­ten dürf­te eine Ver­ein­ba­rung der Vor­aus­zah­lung aller­dings unfair sein, selbst wenn sie der Höhe nach ange­mes­sen sein könn­te. Auch eine Boni­täts­prü­fung dürf­te unfair sein.

Argumente pro Vorleistungspflicht des Dateninhabers

Die Vor­leis­tungs­pflicht lässt sich schon aus dem Wort­laut ablei­ten. In Art. 8 Abs. 1 Data Act lau­tet es „Ist […] ein Daten­in­ha­ber […] ver­pflich­tet, einem Daten­emp­fän­ger Daten bereit­zu­stel­len, so ver­ein­bart er mit einem Daten­emp­fän­ger die Aus­ge­stal­tung für die Bereit­stel­lung der Daten und […]“. Die Pflicht zur Daten­be­reit­stel­lung wird also vor­aus­ge­setzt, besteht also bereits. Erst als eine Fol­ge besteht eine Pflicht des Daten­in­ha­bers zum Abschluss einer Ver­ein­ba­rung. Der Daten­emp­fäm­ger wird nicht ver­pflich­tet. In Art. 9 Abs. 1 Data Act lau­tet es „Jede Gegen­leis­tung, die zwi­schen einem Daten­in­ha­ber und einem Daten­emp­fän­ger für die Bereit­stel­lung von Daten […] ver­ein­bart wird, muss[…]“. Eine Gegen­leis­tungs­pflicht besteht also nicht bereits, son­dern wird erst noch vereinbart.

Sys­te­ma­tisch bedeu­tet dies, dass das grund­sätz­li­che „Ob“ einer Pflicht zur Daten­be­reit­stel­lung gesetz­lich geklärt wird, das „Wie“ aber kann durch die Par­tei­en gere­gelt wer­den. Ein Zugang, der von einer Vor­aus­zah­lung abhän­gig gemacht wür­de, könn­te dage­gen unfair sein. Das wür­de jeden­falls für die Grup­pen aus Art. 9 Abs. 4 Data Act gel­ten, für die eine Vor­aus­zah­lung unzu­mut­bar ist.

Der Data Act sieht sei­nem Zweck nach kei­ne Kom­pen­sa­ti­ons­si­cher­heit vor. Viel­mehr steht im Vor­der­grund die För­de­rung von Daten­märk­ten. Dem wür­de es zwar nicht ent­spre­chen, wenn ein Daten­in­ha­ber völ­lig unkom­pen­siert gestellt wür­de. Dies wür­de aber selbst bei einer Vor­leis­tungs­pflicht nicht die Fol­ge sein. Der Daten­in­ha­ber trägt ledig­lich das Insolvenzrisiko.

Gera­de letz­te­res kann aber sys­te­ma­tisch wie­der­um mit einem Ver­weis auf Art. 11 Data Act auf­ge­fan­gen wer­den. So kann die Umge­hung von Schutz­me­cha­nis­men, etwa durch Täu­schung über die Zah­lungs­be­reit­schaft, einen Grund für nach­träg­li­che Ein­griffs­rech­te des Daten­ha­bers dar­stel­len. Er hat also die Mög­lich­keit, die Rechts­grund­la­ge für die Nut­zung der Daten durch den Daten­emp­fän­ger anzu­grei­fen. Dar­aus wie­der­um ergibt sich ein nur noch sehr gerin­ges schutz­be­dürf­ti­ges Inter­es­se nach einer Vorauszahlung.

Folgen einer Vorleistungspflicht für die Praxis

Die­se Erwä­gun­gen spre­chen alle nicht grund­sätz­lich gegen eine mög­li­che Zah­lungs­pflicht für eine Gegen­leis­tung. Ledig­lich der Zeit­punkt wird durch sie ange­spro­chen. Das recht­fer­tigt auch, dass die­se Fra­ge nicht allein mit Art. 9 Data Act geklärt wird, son­dern über Art. 8 Data Act und die Vor­aus­set­zung der Fair­ness einer sol­chen Vorauszahlungspflicht.

Es bleibt den Daten­in­ha­bern grund­sätz­lich aber mög­lich, beson­de­re Umstän­de zu begrün­den, die für eine Vor­aus­zah­lung spre­chen. Wei­ter­hin kön­nen sie sich durch tech­ni­sche Schutz­maß­nah­men absichern.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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