Aktu­ell schwelt die Debat­te dar­über, was ein offe­ner Netz­zu­gang ist, der lang­läu­fig auch Open Access genannt wird. Ver­schie­de­ne poli­ti­sche For­de­run­gen hän­gen damit zusam­men, beson­ders kri­tisch etwa auch nach einem damit ein­her gehen­den phy­si­schen Zugang zu Leer­roh­ren. Noch offen ist auch der Betrach­tungs­maß­stab. Wer defi­niert eigent­lich offe­nen Netzzugang? 

Eine ein­heit­li­che juris­ti­sche Ant­wort wird es hier­bei nicht geben. Denn der offe­ne Netz­zu­gang ist in ver­schie­de­ne Berei­chen mit unter­schied­li­chen Details gere­gelt. Die­ser Bei­trag soll eine ers­te Über­sicht über Gemein­sam­kei­ten und Unter­schie­de geben.

Eine erste Übersicht

Wo fin­det man den offe­nen Netz­zu­gang im aktu­el­len Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­recht? Zum einen gibt es im TKG seit 2021 drei Rege­lungs­be­rei­che, die im Wort­laut an den offe­nen Netz­zu­gang anknüp­fen. Zum ande­ren wur­de auch schon eine brei­te Selbst­ver­pflich­tung von Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men bzw. der Bran­che ins Spiel gebracht. Ent­spre­chend lässt sich über fol­gen­de Berei­che diskutieren:

  1. Offe­ner Netz­zu­gang bei öffent­li­cher För­de­rung — § 155 Abs. 1 TKG
  2. Offe­ner Netz­zu­gang als Sub­si­tut zur abge­lehn­ten Mit­nut­zung — § 141 Abs. 2 Nr. 7 TKG
  3. Offe­ner Netz­zu­gang als Schutz vor Regu­lie­rungs­maß­nah­men — § 22 Abs. 2 S. 3 TKG
  4. Offe­ner Netz­zu­gang auf­grund frei­wil­li­ger Selbstverpflichtungen

Je nach­dem, in wel­chem Zusam­men­hang hier­bei der offe­ne Netz­zu­gang betrach­tet wird, kön­nen sich dabei unter­schied­li­che Anfor­de­run­gen ergeben.

Offener Netzzugang bei öffentlicher Förderung

Einen ers­ten und nahe­lie­gen­den Zugang zum Begriff Open Access bie­tet die Vor­schrift in § 155 Abs. 1 TKG. Danach müs­sen Betrei­ber und Eigen­tü­mer öffent­li­cher Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze einen dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en, offe­nen Netz­zu­gang zu öffent­lich geför­der­ten Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­li­ni­en oder Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­zen gewäh­ren. Der offe­ne Netz­zu­gang muss zu fai­ren und ange­mes­se­nen Bedin­gun­gen erfolgen. 

Fair­ness und Ange­mes­sen­heit bil­den einen wett­be­werb­li­chen Bezug, der auch der Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis der Vor­schrift ist. Sie steht näm­lich im Zusam­men­hang mit öffent­li­cher För­de­rung. Grund­sätz­lich gilt der Vor­rang des eigen­wirt­schaft­li­chen, pri­va­ten Aus­baus vor staat­li­cher För­de­rung. Aus­nahms­wei­se darf der Staat jedoch dort ein­grei­fen und unter­stüt­zen, wo ein Markt­ver­sa­gen fest­ge­stellt wird und auf abseh­ba­re Zeit nicht durch die Pri­vat­wirt­schaft abge­stellt wird. Dies erfolgt durch ver­schie­de­ne Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen, etwa Zuschüs­se oder eine ver­güns­tig­te Ver­pach­tung eines eige­nen Net­zes. Durch der­ar­ti­ge För­der­maß­nah­men wird dabei zwar einer­seits ein Markt­ver­sa­gen aus­ge­gli­chen, ande­rer­seits stel­len sie einen Ein­griff in den Wett­be­werb dar und begüns­ti­gen ein Unter­neh­men ein­sei­tig im Infra­struk­tur­aus­bau­wett­be­werb. Drit­te Unter­neh­men gehen bei die­ser Begüns­ti­gung leer aus.

Der offe­ne Netz­zu­gang stellt eine Abhil­fe gegen die wett­be­werb­li­chen Nach­tei­le der ein­sei­ti­gen Begüns­ti­gung im Rah­men der För­de­rung dar. Statt des Wett­be­werbs um das Netz, den der Staat durch sein Ein­grei­fen ein­sei­tig zuguns­ten eines Unter­neh­mens ent­schie­den hat, soll nun­mehr Wett­be­werb auf dem Netz statt­fin­den. Bis­lang sahen die För­der­richt­li­ni­en hier­bei vor, dass sich das geför­der­te Unter­neh­men selbst ver­pflich­te­te, einen offe­nen Netz­zu­gang bereit­zu­stel­len. § 155 Abs. 1 TKG hat die­se Ver­pflich­tung in der TKG-Novel­le 2021 als Direkt­an­spruch kodi­fi­ziert. Das bedeu­tet, dass im Bereich der För­de­rung bereits ein gesetz­li­cher und unmit­tel­ba­rer Anspruch auf offe­nen Netz­zu­gang gilt.

Mit der Ent­kop­pe­lung von der Selbst­ver­pflich­tung wird auch deut­lich, dass es sich hier um eine umfas­sen­de Vor­leis­tungs­pflicht han­delt. Die Wett­be­wer­ber des geför­der­ten Unter­neh­mens müs­sen durch den offe­nen Netz­zu­gang so gestellt wer­den, dass sie kei­ne wett­be­werb­li­chen Nach­tei­le durch die ein­sei­ti­ge Begüns­ti­gung des geför­der­ten Unter­neh­mens erlei­den. Der offe­ne Netz­zu­gang soll also den aus­ge­fal­le­nen Wett­be­werb erset­zen. In die­sem aus­ge­fal­le­nen Wett­be­werb wür­den die Wett­be­wer­ber frei ihre Leis­tun­gen bestim­men. Ent­spre­chend muss ihnen dies auch bei dem Sub­sti­tut mög­lich sein. Das bedeu­tet, dass die Nach­fra­ger den Umfang des offe­nen Netz­zu­gangs bestim­men und der Anbie­ter die­sen nicht ein­sei­tig beschrän­ken darf. 

Die­ser offe­ne Netz­zu­gang ist im Ver­gleich der am wei­tes­ten rei­chen­de. Etwa­ige unfai­re oder unan­ge­mes­se­ne Beschrän­kun­gen kön­nen Wett­be­wer­ber im Rah­men eines Streit­bei­le­gungs­ver­fah­rens angrei­fen. Dabei hat die BNetzA gemäß § 149 Abs. 4 TKG die Mög­lich­keit, die Bedin­gun­gen und Ent­gel­te des offe­nen Netz­zu­gang festzulegen.

Offener Netzzugang als Subsitut zur abgelehnten Mitnutzung

Eine wei­te­re Rege­lung mit Bezug zu offe­nem Netz­zu­gang sieht § 141 Abs. 2 Nr. 7 TKG vor. Sie steht im Zusam­men­hang mit § 138 TKG, der einen Anspruch auf Mit­nut­zung vor­sieht. Danach kön­nen Eigen­tü­mer oder Betrei­ber öffent­li­cher Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze bei den Eigen­tü­mern oder Betrei­bern öffent­li­cher Ver­sor­gungs­net­ze die Mit­nut­zung der pas­si­ven Netz­in­fra­struk­tu­ren der öffent­li­chen Ver­sor­gungs­net­ze für den Ein­bau von Kom­po­nen­ten von Net­zen mit sehr hoher Kapa­zi­tät bean­tra­gen. Der jewei­li­ge Betrei­ber oder Eigen­tü­mer hat jedoch die Mög­lich­keit, die­se Mit­nut­zung abzu­leh­nen, wobei § 141 Abs. 2 TKG einen abschlie­ßen­den Kata­log vorsieht.

Neben vor­wie­gen tech­nisch ori­en­tier­ten Ableh­nungs­grün­den beschreibt § 141 Abs. 2 Nr. 7 TKG als Ableh­nungs­grund den Über­bau eines Glas­fa­ser­net­zes, das einen “dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en, offe­nen Netz­zu­gang zur Ver­fü­gung stellt”. In die­sem Fall kann also der Leer­rohr­zu­gang abge­lehnt wer­den. Damit ent­hält die­se Vor­schrift eine wett­be­werbs­för­dern­de Aus­rich­tung, indem sie Unter­neh­men mehr Selbst­ge­stal­tung über ihre Infra­struk­tur zurück­gibt, wenn und soweit die­se offe­nen Netz­zu­gang gewähren.

Nicht jedes Glas­fa­ser­netz ist damit gegen Über­bau geschützt. Es muss zusätz­lich für Wett­be­wer­ber dis­kri­mi­nie­rungs­frei und offen zur Ver­fü­gung stel­len. Aller­dings bestimmt hier der Anbie­ter das Ange­bot, mit dem er die Mit­nut­zung ableh­nen darf. Die Rege­lung beschreibt hier kei­ne umfas­sen­de Vor­leis­tungs­pflicht, ins­be­son­de­re weil sie ledig­lich eine Aus­nah­me zu dem Direkt­an­spruch auf phy­si­sche Mit­nut­zung dar­stellt. Der offe­ne Netz­zu­gang ist in die­sem Zusam­men­hang nicht direkt erzwing­bar. Bereits die Mit­nut­zung soll hier aus­rei­chend Wett­be­werb dar­stel­len und die­se bestimmt sich nach der Nach­fra­ge — aller­dings beschränkt durch die wei­te­ren Ableh­nungs­grün­de des § 141 Abs. 2 TKG.

Die­ser offe­ne Netz­zu­gang kann gemäß § 149 Abs. 2 TKG als Ver­sa­gungs­grund eben­so im Rah­men eines Streit­bei­le­gungs­ver­fah­rens bewer­tet wer­den. Ein Ver­sa­gungs­grund besteht dabei nur, wenn der gewähr­te Netz­zu­gang dis­kri­mi­nie­rungs­frei und offen ist. Sofern dies nicht der Fall ist, muss die Mit­nut­zung gewährt wer­den. Es ist damit also kei­ne bestimm­te Form eines offe­nen Netz­zu­gangs erzwing­bar, son­dern auto­ma­tisch erstarkt wie­der der direk­te Mit­nut­zungs­an­spruch, wenn ein Ange­bot nicht aus­rei­chend ist. Die­ser Vor­rang der Mit­nut­zung spricht auch dafür, dass der offe­ne Netz­zu­gang hier nur ein­ge­schränkt über­prüft wird. 

Eine ähn­li­che Rege­lung ver­folgt hier­bei § 143 Abs. 4 Nr. 3 TKG. Danach ist ein Antrag auf Koor­di­nie­rung von Bau­ar­bei­ten abzu­leh­nen, wenn durch die zu koor­di­nie­ren­den Bau­ar­bei­ten ein geplan­tes öffent­lich geför­der­tes Glas­fa­ser­netz, das einen dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en, offe­nen Netz­zu­gang zur Ver­fü­gung stellt, über­baut würde.

Offener Netzzugang als Schutz vor Regulierungsmaßnahmen

§ 22 Abs. 1 TKG sieht Mög­lich­kei­ten für die BNetzA vor, Zugangs­ver­pflich­tun­gen bei Hin­der­nis­sen für die Repli­zier­bar­keit von Infra­struk­tu­ren auf­zu­er­le­gen. Die Aus­nah­men die­ser Rege­lung sind in § 22 Abs. 2 TKG gere­gelt. Danach darf zum einen kei­ne Zugangs­ver­pflich­tung gegen­über Who­le­sa­le-Only-Unter­neh­men auf­er­legt wer­den, wenn die­se trag­fä­hi­ge Zugangs­al­ter­na­ti­ven zu FRAND-Grund­sät­zen anbie­ten. Zum ande­ren kann die BNetzA von einer Auf­er­le­gung von Zugangs­ver­pflich­tun­gen gegen­über ande­ren Unter­neh­men abse­hen, wenn die­se FRAND-Zugang zu ihrem VHC-Netz gewäh­ren. Ande­re erfass­te Unter­neh­men sind dabei ver­ti­kal inte­grier­te Betrei­ber, die nicht nur Who­le­sa­le anbie­ten, son­dern zusätz­lich auf den nach­ge­la­ger­ten Mark­tebe­nen tätig sind.

Die­se Form des offe­nen Netz­zu­gangs ist allein als Abhil­fe­maß­nah­me zur Abwen­dung von Regu­lie­rungs­ver­pflich­tun­gen gedacht. Ent­spre­chend unter­liegt sie zunächst allein der Über­prü­fung durch die BNetzA in ihrem Regu­lie­rungs­ver­fah­ren. Dabei wird die Behör­de jedoch nicht jedes Ange­bot berück­sich­ti­gen kön­nen. Denn “gewäh­ren” liegt wohl nur dann vor, wenn ein der­ar­ti­ger Zugang auch eine gewis­se Markt­wir­kung hat. Ent­spre­chend muss die BNetzA prü­fen, ob und wie weit der offe­ne Netz­zu­gang hier­bei wett­be­werb­lich als Abhil­fe­maß­nah­me wirkt. Dabei kann etwa eine Rol­le spie­len, ob das betref­fen­de Unter­neh­men Drit­ten die Mög­lich­keit ein­räumt, einen Direkt­an­spruch gegen sich gel­tend zu machen. Dafür gibt es aber kei­nen Automatismus. 

Die Maß­nah­men wer­den im Ver­fah­ren der Regu­lie­rungs­ver­fü­gung über­prüft. Wird ein sol­ches ein­ge­lei­tet, so muss die BNetzA dabei inzi­dent auch die Gewäh­rung eines FRAND-Zugangs zum VHC-Netz überprüfen.

Offener Netzzugang aufgrund freiwilliger Selbstverpflichtungen

Schließ­lich wird noch ver­ein­zelt ange­regt, einen ein­heit­li­chen Markt­stan­dard zu eta­blie­ren. Hier gibt es Stim­men, die dar­auf drän­gen, die Details eines offe­nen Netz­zu­gangs mög­lichst breit als Gegen­stand einer bran­chen­wei­ten Erklä­rung zu machen. Damit wür­de dann auch für die oben dar­ge­stell­ten recht­li­chen Zusam­men­hän­ge eine ein­heit­li­che recht­li­che Bewer­tung ange­strebt. In Streit­fäl­len könn­te dann teil­wei­se dar­auf abge­stellt wer­den, dass sich auch Wett­be­wer­ber zu einer bestimm­ten Selbst­ver­pflich­tung erklärt hätten.

Pro­ble­ma­tisch ist hier­bei dass mög­li­cher­wei­se Frik­tio­nen mit gesetz­li­chen Pflich­ten mög­lich sind. So könn­te etwa die Nach­fra­ge hin­sicht­lich § 155 Abs. 1 TKG sehr stark von den Umstän­den des Ein­zel­falls abhän­gen, etwa vor Ort. Dann wür­de eine bran­chen­wei­te Selbst­ver­pflich­tung hier eine Ein­schrän­kung dar­stel­len. Dies wür­de noch ein­mal mehr gel­ten, wenn eine sol­che Gegen­stand von Ver­fah­ren vor der BNetzA wer­den und damit Grund­la­ge von Ent­schei­dungs­feh­lern wer­den. Des­halb machen Dif­fe­ren­zie­run­gen nach dem jewei­li­gen Zweck sehr viel Sinn. Nicht zuletzt soll­te es den Unter­neh­men im Ein­zel­fall selbst über­las­sen sein, die wett­be­werb­li­chen Bedin­gun­gen eines offe­nen Netz­zu­gangs zu definieren.

Ein Markt­stan­darf kann aber aus ande­ren Grün­den sinn­voll sein. Er kann näm­lich einer­seits für eine gute Aus­las­tung bereits bestehen­der Net­ze die­nen. Ande­rer­seits kann er Grund­la­ge für brei­te zuläs­si­ge Koope­ra­tio­nen in der Bran­che sein. Die­se könn­ten sich mit­tel­bar auch auf die Betrach­tung miss­bräuch­li­cher Ver­drän­gungs­stra­te­gien aus­wir­ken. Wer­den damit näm­lich die Kos­ten der Netz­nut­zung bes­ser trans­pa­rent, kann ein nicht-effi­zi­en­tes Markt­ver­hal­ten eines markt­be­herr­schen­den Unter­neh­mens ein­fa­cher als miss­bräuch­lich iden­ti­fi­ziert werden.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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