Ende letz­tes Jahr hat­te ich über die Ein­füh­rung einer neu­en Vor­schrift im ZAG berich­tet, den § 58a ZAG. Sie fin­den die­se Vor­schrift dort in Gän­ze zitiert. Sie ent­hält Rege­lun­gen zur sek­tor­spe­zi­fi­schen Zugangs­re­gu­lie­rung. Mit ihr sol­len wett­be­werb­li­che Miss­stän­de im Bereich mobi­ler Pay­ment-Lösun­gen über­wun­den wer­den. Die­se Vor­schrift wird auch „Lex Apple Pay“ genannt, weil sie sich poli­tisch vor allem gegen den gro­ßen Tech­no­lo­gie­kon­zern rich­tet, der mit einer eige­nen Bezahl­lö­sung die Ban­ken­welt ziem­lich in Auf­ruhr gebracht hat­te. Doch Ein­zel­fall­ge­set­ze sind zum einen aus ver­fas­sungs­recht­li­cher Sicht unzu­läs­sig. Zum ande­ren gibt der Wort­laut der Vor­schrift weit­rei­chen­de­re Aus­le­gun­gen her und ist nicht etwa auf Apple beschränkt. Denn er rich­tet sich an soge­nann­te „Sys­tem­un­ter­neh­men“. Doch was sind die­se Sys­tem­un­ter­neh­men? Las­sen sich die­se über­haupt bestim­men? Wel­che Maß­stä­be gelten?

Zunächst der Wort­laut: § 58a Abs. 1 S. 1 ZAG ent­hält gleich am Anfang eine Legal­de­fi­ni­ti­on des Sys­tem­un­ter­neh­mens. Dem­nach müs­se es sich um Unter­neh­men han­deln, die durch tech­ni­sche Infra­struk­tur­leis­tun­gen zu dem Erbrin­gen von Zah­lungs­diens­ten oder dem Betrei­ben des E‑Geld-Geschäfts im Inland bei­tra­gen. In sei­ne Bestand­tei­le zer­legt, stellt sich das so dar:

  1. Unter­neh­men
  2. tech­ni­sche Infrastrukturleistungen
  3. Bei­trag zum Erbrin­gen von Zah­lungs­diens­ten oder Betrei­ben des E‑Geld-Geschäfts
  4. im Inland

Das sieht zunächst eini­ger­ma­ßen über­schau­bar aus. Etwas von Apple Pay lässt sich dem noch nicht ent­neh­men. Mehr noch: wie Susan­ne Grohé auf pay​tech​law​.com zutref­fend sagt, könn­ten zahl­rei­che tech­ni­sche Leis­tun­gen erfasst sein, sofern sie die Vor­aus­set­zun­gen der Legal­de­fi­ni­ti­on erfül­len. Das Betriebs­sys­tem eines Autos könn­te dar­un­ter fal­len, wenn über das Cock­pit Zah­lun­gen aus­ge­löst wer­den kön­nen. Das aller­dings wie­der­um nicht, wenn über das Cock­pit ledig­lich die Smart­phone-Anwen­dung dar­ge­stellt wird, die für sich den Zah­lungs­vor­gang steu­ert. War­um nicht? Weil in die­sem Fall zwar eine tech­ni­sche Infra­struk­tur­leis­tung vor­liegt, die aber nicht zum Erbrin­gen von Zah­lungs­diens­ten oder Betrei­ben von E‑Geld-Geschäf­ten bei­trägt. Es kommt nicht dar­auf an, was über­haupt eine tech­ni­sche Infra­struk­tur­leis­tung ist.

Das für die Pra­xis maß­geb­li­che Merk­mal ist näm­lich das Wort „bei­trägt“. Mit die­sem Ope­ra­tor kön­nen tech­ni­sche Infra­struk­tur­leis­tun­gen in rele­vant und irrele­vant nach die­ser Vor­schrift auf­ge­teilt wer­den. Nur die­je­ni­gen Infra­struk­tur­leis­tun­gen sol­len erfasst wer­den, die im Sin­ne die­ser Vor­schrift auch zu dem Erbrin­gen von Zah­lungs­diens­ten oder dem Betrei­ben des E‑Geld-Geschäfts bei­tra­gen. Doch wie ist die­ser Ope­ra­tor recht­lich aus­zu­le­gen? Zunächst spricht der Wort­laut dafür, dass eine tat­säch­li­che Unter­stüt­zung die­ser bei­den genann­ten Diens­te vor­lie­gen müss­te. Also nicht bloß eine Eig­nung, son­dern die Leis­tun­gen müs­sen für die ZAG-Diens­te von dem Unter­neh­men eröff­net wor­den sein. Dabei liegt es nahe, dass nicht jede mög­li­che Kau­sa­li­tät bereits ein „Bei­tra­gen“ ist. Son­dern das Merk­mal müss­te dem Zweck der Vor­schrift nach aus­ge­legt wer­den, also Wett­be­werbs­schutz bzw. anders­her­um Ver­hin­de­rung wett­be­werbs­be­schrän­ken­der Aus­schluss­prak­ti­ken. Hier wer­den in der Pra­xis auch eini­ge dog­ma­ti­sche Aspek­te aus dem Kar­tell­echt, der miss­bräuch­li­chen Geschäfts­ver­wei­ge­rung und der Essen­ti­al-Faci­li­ties-Dok­trin eine Rol­le spie­len. Ein rele­van­tes Bei­tra­gen der Infra­struk­tur wür­de dann vor­lie­gen, wenn ohne sie die betrof­fe­nen Unter­neh­men vom Wett­be­werb aus­ge­schlos­sen wären. Das ent­spricht auch dem Zweck der Vor­schrift eines sek­tor­spe­zi­fi­schen Zugangs­rechts. Die Vor­schrift soll also kein all­ge­mei­ner „plat­form bus­ter“ sein, son­dern viel­mehr einen geziel­ten Zugangs­an­spruch gewäh­ren. Ein wei­te­res Kor­rek­tiv ist die in § 58 Abs. 2 ZAG auf­ge­nom­me­ne De-mini­mis-Regel. Sie nimmt bestimm­te klei­ne Unter­neh­men aus dem Anwen­dungs­be­reich des Zugangs­rechts aus. Bei die­sen besteht weni­ger Gefahr für nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen auf den Wettbewerb.

Für die Anwen­dung die­ser Vor­schrif­ten bedeu­tet dies, dass die wett­be­werb­li­chen Aspek­te beach­tet wer­den müs­sen. Die Vor­schrif­ten müs­sen also ihrem wett­be­werb­li­chen Zweck nach aus­ge­legt wer­den. Dabei las­sen sich eini­ge Erfah­run­gen aus dem Kar­tell­recht über­tra­gen, etwa der Bedeu­tung von Infra­struk­tu­ren, Platt­for­men oder ande­ren Res­sour­cen. So lässt sich die Reich­wei­te die­ses Zugangs­rechts nach regu­la­to­ri­schen Maß­stä­ben betrach­ten. Auch die wei­te­re Aus­ge­stal­tung der Zugangs­be­din­gun­gen ist etwas, was sich in mei­ner kar­tell­recht­li­chen Bera­tung zu digi­ta­len Platt­for­men öfter wie­der findet.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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