Wettbewerb wird mit Wettkampf und Streit assoziiert. Unternehmen stehen im Wettbewerb untereinander um bessere Ausgangssituationen etwa gegenüber Abnehmern. Eine solche kann sich so darstellen, dass sich mehr Abnehmer für das jeweilige Angebot entscheiden und damit die Umsätze steigen. Die Methoden im Wettbewerb sind zahlreich und reichen von weich bis hin zu aggressiv. Vereinzelt kann aggressives Verhalten dabei über das Lauterkeitsrecht erfasst werden, etwa wenn es grob unfair und unlauter ist. Davon abgesehen besteht jedoch kein Schutz vor aggressivem Verhalten im Wettbewerb. Ist ein Verhalten eines Unternehmens also nicht unlauter und deshalb verboten, so stellt sich die Frage, welche Hilfen das Kartellrecht bieten kann.
Was ist Verdrängungswettbewerb?
Nach der Einleitung könnte man meinen, dass Verdrängung mit Wettbewerb zusammenhängt. Möchte ein Unternehmen mehr Abnehmer und damit mehr Kunden erreichen, wird dies oft mit einer Verdrängung des Wettbewerbers einher gehen. Das muss aber zunächst nicht zwingend sein, da häufig auch eine schlichte Markterschließung zu denselben Ergebnissen führen kann. Das jeweilige Unternehmen würde damit also lediglich eine neue Kundengruppe erreichen. Aber auch wenn die Kundengruppe bereits feststeht, dann kann Verdrängung von Wettbewerbern stattfinden. Wettbewerb hat dabei eine Aussiebfunktion. Unternehmen könnten etwa deshalb aus dem Wettbewerb verschwinden, weil ihr Angebot den Maßstäben der jeweiligen Konsumenten nicht (mehr) genügt. Insofern kann Verdrängung im Wettbewerb etwas Natürliches sein. Die auf dem jeweiligen Markt teilnehmenden Unternehmen haben dann die Möglichkeit, sich den Bedürfnissen der jeweiligen Marktgegenseite anzupassen oder aus dem Markt auszuscheiden.
Welchen Schutz gibt es vor Verdrängung?
Doch auch wenn dieser Vorgang auf den ersten Blick natürlich erscheint, ist er deshalb nicht weniger anfällig für Wettbewerbsbeschränkungen. So dürfen etwa keine kollusiven Vereinbarungen oder Abstimmungen zwischen Unternehmen erfolgen, die ein Raushalten anderer Unternehmen aus dem Wettbewerb zum Gegenstand haben.
In der Praxis und Wissenschaft sehr relevant ist zudem das Marktmachtmissbrauchsverbot. Dieses verbietet Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung auf einem relevanten Markt und relativ marktmächtigen Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen den Missbrauch ihrer Marktstellung. Ganz typtische Formen des Missbrauchs sind dabei der Behinderungsmissbrauch und der Diskriminierungsmissbrauch, die auch für relativ marktmächtige Unternehmen nach § 20 Abs. 1 S. 1 GWB gelten. Verstößt ein Unternehmen gegen diese Verbote, so können betroffene Unternehmen einen Unterlassungsanspruch und ggf. sogar Kartellschadensersatz durchsetzen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn das wettbewerbliche Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens missbräuchlich ist.
Wie kann man also einen verbotenen Verdrängungsmissbrauch feststellen? Es gibt einige klassische Fallgruppen. Dazu gehört etwa die missbräuchliche Geschäftsverweigerung. Hier hat ein marktmächtiges Unternehmen die Möglichkeit, andere Unternehmen vom Wettbewerb auszuschließen, allein weil es nicht mit diesen zusammen arbeitet. In der Folge können die Betroffenen sogar einen Geschäftsabschlusszwang durchsetzen.
Aus großer Macht wächst große Verantwortung
Missbräuchliche Verdrängungspraktiken sind jedoch nicht auf diese klassischen Fälle beschränkt, sondern kann auch darüber hinaus festgestellt und gerichtlich untersagt werden. Grund dafür ist, dass marktmächtige Unternehmen eine besondere Verantwortung für den Restwettbewerb tragen, der durch ihre Anwesenheit bereits besonders geschwächt ist. Diese Verantwortung führt zu einer besonderen Rücksichtnahme. Die Pflicht zur Rücksichtnahme ist umso höher, je mehr der Wettbewerb bereits geschwächt ist. Was nicht mehr rücksichtsvoll ist, wird nach der EuGH-Rechtsprechung am Maßstab des Leistungswettbewerbs festgestellt.
Was Leistungswettbewerb genau ist, ist zwar nicht so einfach definierbar. Es gibt zudem unterschiedliche wissenschaftliche Einordnungen hierzu. So könnte es auch eine Leistung darstellen, die im Wettbewerb gewonnene Macht einzusetzen. Unklar ist auch, welche Leistung gerade noch im Wettbewerb geschützt ist und welche nicht mehr. Letztlich läuft es also auf eine “Abgrenzung zwischen guter und nicht mehr gewünschter Leistung” hinaus. Dies könnte jedenfalls nach der in der BGH-Rechtsprechung typischen Abwägungslehre erfolgen. Danach kommt es auf den Schutzzweck des Missbrauchsverbots an. Dieses dient der Offenhaltung des Wettbewerbsprozesses und dem Schutz der diesen Prozess ausmachenden grundsätzlichen Interessen und Freiheiten. In der ersten Facebook-Entscheidung hat der BGH hierzu außerdem klargestellt, dass diese Abwägung eine Einbeziehung der Grundrechte verlangt.
Diese Abwägung der Grundrechte hat sich allerdings streng am Missbrauchsverbot zu orientieren. Nicht jede Abwägung jeglicher Grundrechte ist also maßgeblich, sondern 1. nur die in ihrem Schutzbereich betroffener Grundrechte und 2. nur im Rahmen des Schutzzwecks der angewandten Vorschrift.
Welche Maßnahmen sind zulässig und welche nicht?
Eine allgemeine Pflicht zur Offenhaltung des Wettbewerbs besteht für das marktmächtige Unternehmen zunächst nicht. Das kann sich jedoch bei sehr starker Marktmacht ändern. Insbesondere wenn es selbst über den Zutritt zum Wettbewerb entscheidet, darf es keine unbillig behindernden oder diskriminierenden Praktiken anwenden. Es muss also die Verbote vermeiden. Nach dem allgemeinen Kartellrecht nicht zwingend ist dabei die Sicherstellung der Bestreitbarkeit, also dass es Vorkehrungen trifft, damit andere Unternehmen seine Marktstellung angreifen können. Derartige Pflichten können sich aus dem sektorspezifischen Regulierungsrecht und insbesondere dem DMA ergeben. Jedoch kann es sehr hilfreich sein, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen proaktiv wettbewerbsschützende Maßnahmen ergreift.
Grundsätzlich weiterhin zulässig bleibt auch, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen auf anderen Märkten tätig wird. Besonders vorsichtig muss es aber sein, wenn es sich in einer Hybridstellung befindet und auf unterschiedlichen Marktstufen tätig wird. Diese Situation ist bereits bei marktbeherrschenden Anbietern von Vorleistungen bekannt, die gleichzeitig auf einer nachgelagerten Stufe mit ihren Abnehmern konkurrieren — sogenannte vertikale Integration. Ähnlich kann dies bei digitalen Plattformen sein, die gleichzeitig ähnlich wie ihre gewerblichen Nutzer Produkte oder Leistungen anbieten und diese auf der Plattform vertreiben. In derartigen Fällen könnte die Plattform den Marktzugang kontrollieren und zusätzlich die wesentlichen Bedingungen bestimmen. Unzulässig ist hier etwa ein Self-Preferencing oder ein Aneignen von Geschäftsmodellen. Die Plattform darf also nicht etwa selbst als Kuckucks-Ei vermeintlich harmlos auch als gewerblicher Nutzer tätig werden und dabei den anderen Unternehmen auf diesem Segment die Wettbewerbsanteile wegfressen.