Vor einiger Zeit hatte das Bundeskartellamt bekannt gegeben, dass es den Alphabet-Konzern und damit Google als Unternehmen nach § 19a Abs. 1 GWB sieht. Die Behörde hat also festgestellt, dass es sich dabei um ein Unternehmen handelt, dem eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt.
Was folgt daraus konkret? Die Entscheidung hat keine unmittelbare Auswirkung, von der jemand profitieren könnte. Sie dient lediglich als erster Schritt in dem neuen Verfahren nach § 19a GWB, das dem Bundeskartellamt seit knapp einem Jahr offen steht. Danach kann das Bundeskartellamt gemäß § 19a Abs. 1 GWB die Adressatenstellung eines Unternehmens feststellen (erste Stufe). Erst danach kann das Bundeskartellamt gemäß § 19a Abs. 2 GWB dort festgelegte bestimmte Handlungen untersagen (zweite Stufe).
Die gestern bekannt gegebene Entscheidung ist eine Verfügung der ersten Stufe. Die zweite Stufe gilt nicht automatisch. Google/Alphabet sind also nicht etwa jetzt „freigeschalteten“ zusätzlichen Vorschriften unterworfen, sondern die Behörde muss diese Verbote erst noch prüfen und aussprechen – ihr sind also zusätzliche Befugnisse freigeschaltet worden. Ob und wie sie diese Befugnisse überhaupt nutzen kann, ist eine Frage des Kartellverwaltungsrechts. Es laufen bereits zwei Verfahren wegen möglicher Maßnahmen.
Die Hervorhebung des Wortlauts „kann“ oben soll verdeutlichen, dass die Behörde nach dem Gesetzeswortlaut Entscheidungsspielräume hat. Auf der Tatbestandsebene sind das Beurteilungsspielräume, etwa bei der Bewertung der Adressatenstellung auf der ersten Stufe oder der Bewertung der konkreten Wettbewerbsgefährdung auf der zweiten Stufe hinsichtlich der konkreten Untersagungsbefugnisse; auf der Tatbestandsebene sind das auf beiden Stufen Ermessensspielräume. Beide Entscheidungsspielräume sind gerichtlich überprüfbar, wegen § 73 Abs. 5 GWB nur noch der BGH. Google hat laut Pressemitteilung des Bundeskartellamts angekündigt, gegen diese Entscheidung auf der ersten Stufe kein Rechtsmittel einzulegen.
Wichtig ist hierbei, dass es sich um kein Verstoßverfahren handelt. Das wird zwar auch aus der Gesetzesbegründung nicht ganz klar, weil der Gesetzgeber von Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr spricht. Diese würde wohl einen konkreten Verstoß voraussetzen. Aufgelöst wird dies jedoch mit dem Zweck der Vorschrift, bereits auf einer Vorstufe des Missbrauchs konkrete bloße Gefährdungen für den Wettbewerb zu erfassen.
Kommen Verfahren der zweiten Stufe zu einem Abschluss, kann das Bundeskartellamt eine Untersagungsverfügung erlassen. Diese wäre gemäß § 33 Abs. 1 GWB durch Unternehmen durchsetzbar oder könnte sogar nach § 33a GWB einen Anspruch auf Kartellschadensersatz auslösen. Das setzt jeweils jedoch voraus, dass es sich um eine hinreichend konkretisierte Verfügung handelt, auf deren Grundlage die Unternehmen Rechte durchsetzen können.
Möglich ist auch, dass das Bundeskartellamt Verfahren nach der zweiten Stufe einstellt. Das kann der Fall sein, wenn sich der Verdacht einer möglichen Wettbewerbsgefährdung nicht bestätigt. Außerdem hat Google die Möglichkeit zur Mitwirkung. So wäre es möglich, ausgemachte Probleme durch Einlenken oder Verpflichtungszusagen zu beseitigen.
Am Ende hierzu noch einmal deutlich, weil es in der öffentlichen Berichterstattung derzeit häufig lautet, das Bundeskartellamt hätte Google einer Regulierung unterworfen: Google ist durch den aktuellen Schritt noch lange nicht reguliert. Die Behörde darf jetzt Maßnahmen prüfen und dann gegebenenfalls erlassen. Die rechtlichen Anforderungen an die Behörde sind aber sehr hoch. Der sehr weite Anwendungsbereichsbegriff des § 19a Abs. 1 GWB wird durch den Anforderungskatalog des § 19a Abs. 2 GWB sehr stark eingeschränkt.