Das Bezirks­ge­richt Ams­ter­dam hat gegen­über Meta eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung erlas­sen, die es dem Unter­neh­men ver­bie­tet, Daten des Antrag­stel­lers für ein KI-Modell zu ver­wen­den. Die Ent­schei­dung ist mir die­se Tage durch einen Hin­weis von den Kol­le­gen Stef­fen Groß und Luis Alber­to Mon­te­zu­ma bekannt gewor­den. Sie fin­den Sie hier in der nie­der­län­di­schen Ent­schei­dungs­da­ten­bank.

Kontext: DMA Private Enforcement

Die­se Ent­schei­dung steht in einem inter­es­san­ten Kon­text mit zwei Ent­schei­dun­gen aus Deutsch­land, eben­so im einst­wei­li­gen Rechts­schutz und eben­so wegen Metas geplan­tem KI-Trai­ning mit Nut­zer­da­ten. Das OLG Köln hat­te einen Eil­an­trag aus mate­ri­el­len Grün­den abge­lehnt, weil es kei­ne Daten­zu­sam­men­füh­rung im Sin­ne des Art. 5 Abs. 2 DMA sah und das Vor­ge­hen auch für daten­schutz­recht­lich zuläs­sig hielt. Das OLG Schles­wig hat­te einen Eil­an­trag aus pro­zess­recht­li­chen Grün­den abge­lehnt, weil es an der erfor­der­li­chen Dring­lich­keit feh­le. Der Antrag wur­de erst nach Ein­lei­ten des frag­li­chen Vor­ge­hens gestellt. Letz­te­res hat­te aber in einem kur­zen Obiter Dic­tum geäu­ßert, dass wohl Ver­stö­ße gegen Art. 9 DSGVO vorlägen.

Einordnung der Entscheidung des Bezirksgerichts Amsterdam

Und jetzt kommt das Bezirks­ge­richt Ams­ter­dam. Die Ent­schei­dung stammt bereits vom 19.5.2025 und wur­de am 11.6.2025 ver­öf­fent­licht. Sie hat also ein paar Wochen ihren Weg in die deutsch­spra­chi­ge Öffent­lich­keit gesucht. Der Antrag auf Erlass einer einst­wei­li­gen Maß­nah­me stamm­te vom 30.4.2025, also recht zügig nach dem Bekannt­wer­den der Plä­ne Metas. Es han­delt sich nach der Inhalts­an­ga­be um ein Ver­fah­ren für gering­fü­gi­ge For­de­run­gen, was Meta als unpas­send rügt. Mir ist nicht bekannt, ob die Ent­schei­dung rechts­kräf­tig ist.

Es han­delt sich aber wohl um einen Antrag einer Ein­zel­per­son. Das bedeu­tet, die­se Ent­schei­dung hat allein Rele­vanz für den Ein­zel­fall. Rück­schlüs­se für ein Public Enforce­ment oder eine kol­lek­ti­ve Rechts­durch­set­zung durch einen Ver­band las­sen sich nicht entnehmen.

Die Ent­schei­dung ist nur auf nie­der­län­disch ver­füg­bar und ich grei­fe auf eine Über­set­zung zu. Der Antrag­stel­ler hat­te eine eng­li­sche Aus­fer­ti­gung bean­tragt. Das Gericht sieht dafür aber kei­ne recht­li­che Möglichkeit.

Anträge und Argumente des Antragstellers

Mit dem Antrag soll­te die Zusam­men­füh­rung der per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten oder zumin­dest der Infor­ma­tio­nen des Antrag­stel­lers zwi­schen Face­book und/​oder Insta­gram und ande­ren Diens­ten unter­sagt wer­den. Dies bezieht sich auf das geplan­te Vor­ha­ben, die Daten aus den bei­den Diens­ten für ein KI-Trai­ning zu ver­wen­den. Der Antrag­stel­ler argu­men­tiert dafür, es sei eine Ein­wil­li­gung nach dem DMA erfor­der­lich. Ein Opt-out rei­che nicht aus. Der Wort­laut des Antrags ori­en­tiert sich also aus­drück­lich am Art. 5 Abs. 2 DMA. 

Zudem müs­se der Antrag­stel­ler für die­ses Opt-out sich in sei­nem Kon­to zu den Bedin­gun­gen Meta anmel­den, was er ablehnt. Mit die­ser auf den ers­ten Blick etwas sper­ri­gen Argu­men­ta­ti­on trifft der Antrag­stel­ler einen wich­ti­gen Punkt: Die Nut­zer kön­nen sich gegen die Daten­nut­zung nach Metas Plä­nen in kei­ner ange­mes­se­nen Form weh­ren, da sie zunächst die Bedin­gun­gen Metas akzep­tie­ren müss­ten. In jedem Fall hät­te Meta damit also wei­ter­hin die Gestal­tungs­macht über die Nutzerverträge.

Aus der Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hat zunächst kei­ne pro­zes­sua­len Ein­wän­de gegen den Erlass einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung. Es lie­ge ein aus­rei­chen­der Bezug zum Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor. In letz­te­rem begehrt der Klä­ger wohl die Klä­rung der recht­li­chen Bezie­hung zu Meta über die Nut­zung von Face­book und Insta­gram. Der Antrag­stel­ler müs­se der Daten­nut­zung wider­spre­chen und die Situa­ti­on der Daten­zu­sam­men­füh­rung erschei­ne unum­kehr­bar. Des­halb bestehe eine drin­gen­des Inter­es­se.

Meta hat­te auch noch aus­rei­chend Gele­gen­heit zur Stel­lung­nah­me. Die­se hät­te das Unter­neh­men aller­dings allein für pro­zes­sua­le Ein­wän­de genutzt. Es sei dem Unter­neh­men zudem bekannt gewe­sen, dass der Antrag­stel­ler die Daten­zu­sam­men­füh­rung zum KI-Trai­ning nicht wünscht und eine Ein­spruch gegen die Nut­zung erklärt hat­te. Mit ande­ren Wor­ten lag danach also sogar ein Opt-out vor. 

Ent­spre­chend kurz läuft hier auch die mate­ri­ell­recht­li­che Wür­di­gung des Falls. Erwä­gun­gen wie die des OLG Köln las­sen sich der Ent­schei­dung jeden­falls nicht ent­neh­men. Das nie­der­län­di­sche Gericht nimmt also eine Daten­zu­sam­men­füh­rung durch das KI-Trai­ning an.

Bemer­kens­wert ist die Aus­sa­ge des Gerichts zu sei­ner Andro­hung einer Geld­bu­ße für einen etwa­igen Ver­stoß. Es bestehe zwar grund­sätz­lich kein Grund, da Meta nach Aus­sa­ge der nie­der­län­di­schen Daten­schutz­be­hör­de jedem Ein­spruch statt­ge­ben wür­de. In die­sem Ver­fah­ren hat­te sich Meta aber wider­sprüch­lich ver­hal­ten. Das Unter­neh­men hat­te for­mel­le Ein­wän­de gegen den Antrag vor­ge­bracht und eine Frist zur inhalt­li­chen Stel­lung­nah­me bean­tragt. Das spricht für das Gericht dafür, dass dem Ein­spruch in die­sem Fall gera­de nicht nach­ge­kom­men wer­de. Das liest sich aus der deut­schen Per­spek­ti­ve ähn­lich wie die Mög­lich­keit einer Erle­di­gung durch Klaglosstellung.

Wie lautet der Tenor?

Um die Ent­schei­dung nach­zu­voll­zie­hen, fin­den Sie hier noch den Tenor im Zitat als Übersetzung:

“Der Amts­rich­ter:

ver­bie­tet Meta, die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten von [Antrag­stel­ler] , zumin­dest sei­ne „Infor­ma­tio­nen“, zwi­schen Face­book und/​oder Insta­gram und/​oder ande­ren Diens­ten von Meta zu kom­bi­nie­ren, für die Meta Ads, Meta AI, „KI-Tools für Wer­be­ma­te­ri­al“ und/​oder (die Gene­rie­rung von) Model­len, dar­un­ter Model­le, die Meta in Meta AI ver­wen­det und über eine offe­ne Platt­form anbie­tet, und die­se offe­ne Platt­form, und ver­bie­tet Meta, die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten des [Antrag­stel­lers] , zumin­dest sei­ne „Infor­ma­tio­nen”, für ande­re Diens­te von Meta als Face­book oder Insta­gram und/​oder ande­re Diens­te von Meta, dar­un­ter Meta Ads, Meta AI, „KI-Tools für Wer­be­ma­te­ria­li­en” und/​oder (die Erstel­lung von) Model­len, dar­un­ter Model­le, die Meta in Meta AI ver­wen­det und über eine offe­ne Platt­form anbie­tet, und die­se offe­ne Platt­form, und zwar für die Dau­er des Ver­fah­rens in der Haupt­sa­che CV FORM 23 – 14577, alles unter Andro­hung einer Geld­stra­fe von 100.000,00 € für jeden Ver­stoß gegen die­ses Verbot;

ver­ur­teilt Meta zur Tra­gung der Kos­ten des Ver­fah­rens, die bis heu­te auf Sei­ten des [Antrag­stel­lers] auf 100,00 € ver­an­schlagt wer­den, sowie der nach die­ser Ent­schei­dung ent­stan­de­nen Kos­ten, ein­schließ­lich der Kos­ten für die Zustellung;

erklärt die Ver­ur­tei­lun­gen für vor­läu­fig vollstreckbar;

weist die wei­te­ren oder ande­ren Anträ­ge zurück.”

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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