Vor eini­ger Zeit wur­de noch dar­über gestrit­ten, ob die Eltern eines tra­gisch zu Tode gekom­me­nen Mäd­chens gegen­über Face­book den Zugang zu des­sen Nut­zer­kon­to ver­lan­gen könn­ten. Der BGH been­de­te die­se Dis­kus­si­on mit einem – zunächst – deut­li­chen „Ja“ (Ent­sch. v. 12.7.2018 – III ZR 183/17). Eine sehr gelun­ge­ne Bespre­chung die­ser Ent­schei­dung zu vie­len ihrer offe­nen Fra­gen kön­nen Sie von Prof. Pei­fer im Ver­fas­sungs­blog lesen.

Jetzt steht eine wei­te­re Fra­ge im Raum, die eben­so recht­lich inter­es­sant ist, näm­lich die der Voll­stre­ckung der Zugangs­an­sprü­che. Das Kam­mer­ge­richt Ber­lin hat­te näm­lich dar­über zu ent­schei­den, ob Face­book den Anspruch aus­rei­chend erfüllt hat (Beschl. v. 3. Dezem­ber 2019 , Az: 21 W 11/19). Zuge­ge­ben, da geht es nicht um die Art von wett­be­werbs­recht­li­chen oder regu­la­to­ri­schen Zugangs­an­sprü­chen, mit denen ich ansons­ten zu tun habe. Aber die Fra­ge ist auch aus tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­recht­li­cher und kar­tell­recht­li­cher Sicht inter­es­sant. Denn wie soll dabei auch das tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­recht­lich bestimm­te Nut­zungs­ver­hält­nis nun auf die Eltern übergehen?

Streit über die Vollstreckung

Face­book über­gab den Eltern einen USB-Stick mit zahl­rei­chen ein­zel­nen Datei­en aus dem Nut­zungs­ver­hält­nis der ver­stor­be­nen Toch­ter. Das reich­te die­sen jedoch nicht, da sie den voll­stän­di­gen Zugang zum Nut­zer-Account ver­lang­ten. Durch das LG Ber­lin erwirk­ten sie ein Ord­nungs­geld. In der Beschwer­de hob das KG Ber­lin die­se Ent­schei­dung nun auf. Dabei berief es sich auf die BGH-Ent­schei­dung, wonach aus­rei­chend sei, wenn Face­book die rele­van­ten Kon­to­in­hal­te zum Abruf durch die Eltern bereit­stel­le. Dem­nach beschrän­ke sich der Zugangs­an­spruch auf die Ver­mitt­lung der in dem Kon­to ent­hal­te­nen Infor­ma­tio­nen. Auf die beson­de­re Art und Wei­se des Zugangs zu den Infor­ma­tio­nen kom­me es dabei nicht an. Ent­spre­chend müss­ten die Eltern nicht in die Lage ver­setzt wer­den, wie sie die ori­gi­nä­re Account-Inha­be­rin noch hatte.

Auskunft oder Zugang?

Die­se Ent­schei­dung beißt sich auf den ers­ten Blick mit dem Argu­ment des BGH, die Eltern wür­den als Erben in das ver­trag­li­che Nut­zungs­ver­hält­nis ihrer Toch­ter mit Face­book ein­tre­ten. Aller­dings bedeu­tet dies nicht, dass der Ver­trag in dem Zustand ein­ge­fro­ren wird, wie er noch zu Leb­zei­ten der Toch­ter war. Ver­ständ­lich ist es des­halb, wenn Face­book den Account einer Ver­stor­be­nen grund­sätz­lich still­legt. Damit kommt das Unter­neh­men dem Inter­es­se nach, dass nie­mand auf die­sem Weg Accounts nicht mehr leben­der Mit­glie­der über­nimmt. Die BGH-Ent­schei­dung wird durch das KG also als Aus­kunfts­an­spruch aus­ge­legt. Der Kol­le­ge Flo­ri­an Deusch weist dazu in sei­ner Ent­schei­dungs­an­mer­kung (Print-Quel­le ZEV 2020, S. 179 – 180) dar­auf hin, dass die­se Aus­ein­an­der­set­zung über die Voll­stre­ckung mög­li­cher­wei­se durch prä­zi­se­re Anträ­ge im vor­her­ge­hen­den Erkennt­nis­ver­fah­ren hät­te ver­mie­den wer­den können.

Antragstellung in Zugangsfragen

Und genau an die­ser Stel­le zeigt sich, wie wich­tig kor­rekt gestell­te Anträ­ge für die Durch­set­zung von Zugangs­an­sprü­chen sein kön­nen. Denn wenn es nicht allein auf die Infor­ma­tio­nen ankommt, son­dern auch ihre Nutz­bar­keit in einem kon­kre­ten Zusam­men­hang, dann geht es um mehr als blo­ße Aus­kunft, son­dern einen Zugangs­an­spruch. Bei­des wird aber sowohl in den Anträ­gen vor Gericht als auch der spä­te­ren Durch­set­zung der Ent­schei­dung unter­schied­lich gehandhabt.

Bereits auf der ers­ten Stu­fe soll­te des­halb geklärt wer­den, was mit Infor­ma­tio­nen gesche­hen soll, um etwa erfor­der­li­che wei­te­re Schrit­te zu klä­ren. Reicht ein blo­ßes Lesen aus? Die Eltern die­ses Ver­fah­rens hat­ten über 14.000 Datei­en erhal­ten. Das ist zwar extrem viel, lässt sich jedoch mit­tels moder­ner Tech­no­lo­gien wahr­schein­lich immer noch gut aus­wer­ten, um deren eigent­li­ches Inter­es­se zu ver­fol­gen. Es ging den Eltern näm­lich vor allem dar­um, die mög­li­chen Zusam­men­hän­ge für den tra­gi­schen Tod ihrer Toch­ter zu ver­ste­hen. In ande­ren – vor allem regu­la­to­ri­schen – Zusam­men­hän­gen ist aber gera­de das Zugangs­ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en wich­tig. Wett­be­werb­li­che Ansprü­che auf Infor­ma­ti­ons­zu­gang machen für die Nach­fra­ger häu­fig über­haupt nur Sinn, wenn sie in einem bestimm­ten Zusam­men­hang erfüllt wer­den – etwa einer Platt­form oder tech­ni­schen Infrastruktur.

Bereits früh soll­te also das eigent­li­che Inter­es­se ana­ly­siert wer­den. Geht es um Zugang oder Aus­kunft? Die Durch­set­zung wird damit deut­lich effektiver.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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