Das TKG sieht für bestimmte Auseinandersetzungen zwischen Telekommunikationsunternehmen vor, dass diese sich an die BNetzA als nationale Streitbeilegungsstelle wenden können. In diesem Fall entscheidet die Bundesnetzagentur verbindlich durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt. Das Verfahren ist gerichtsähnlich ausgestaltet mit umfangreichen Amtsermittlungspflichten und spezifischen Beteiligungsrechten. Gegen die Entscheidungen der Beschlusskammer 11 ist der Verwaltungsrechtsweg zum allein zuständigen VG Köln eröffent. Ganz relevant ist das Streitbeilegungsverfahren etwa für Mitnutzungsansprüche nach § 138 TKG oder den offenen Netzzugang nach § 155 TKG.
Können Unternehmen stattdessen aber auch zivilgerichtlichen Rechtsschutz geltend machen? Diese Frage stellte sich vor kurzem in einem Eilverfahren vor dem LG Köln (Az.: 31 O 143/25). Zuletzt hatte sich im Jahr 2017 das LG Mannheim mit dieser Frage befasst und dabei ebenso einen Vorrang des Streitbeilegungsverfahrens angenommen (Az.: 7 O 97/17 Kart; ebenso nicht rechtskräftig).
Die Antragstellerin begehrte gestützt auf das Lauterkeitsrecht Unterlassung von bestimmten Vorleistungsangeboten eines Unternehmens im Zusammenhang mit § 155 TKG. Das Landgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, das Streitbeilegungsverfahren sei vorrangig. Hiergegen erhob die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim OLG. In der Hauptverhandlung vor einigen Wochen äußerte sich der Senat deutlich dahingehend, dass er der Beschwerde nicht abhelfen werde. Daraufhin nahm das Unternehmen den Eilantrag zurück, sodass der Beschluss des LG Köln nicht rechtskräftig ist. Wir haben die Antragsgegnerin anwaltlich in dem Verfahren vertreten.
Drei Besonderheiten gibt es im Vergleich zu der Entscheidung des LG Mannheim aus meiner Sicht hier aber:
- Ein Streitbeilegungsverfahren war nicht anhängig. Das LG nimmt den Vorrang also allein schon wegen des rechtlichen Bestehens dieses Verfahrens an.
- Der Eilantrag war auf das UWG gestützt, nicht auf das GWB. Insofern konnte sich das LG wohl deutlicher veranlasst sehen, den Vorrang des Streitbeilegungsverfahrens anzunehmen.
- In der Sache ging es um Zugang aus § 155 TKG, nicht aus Mitnutzung. Da gilt das Beihilferechtsregime und nicht die KostensenkungsRL.
Was bedeutet diese Entwicklung? Ein erfolgreiches Eilverfahren hätte zu Friktionen zwischen der Bindungswirkung zivilgerichtlicher Entscheidungen einerseits und der Verbindlichkeit von privatrechtsgestaltenden Entscheidungen der BNetzA andererseits geführt. Für das Streitbeilegungsverfahren gelten verfahrensrechtliche Besonderheiten zur Beteiligung aller möglichen Betroffenen einer Entscheidung. Die BNetzA muss von Amts wegen ermitteln. Beim offenen Netzzugang und im Beihilferecht gelten wiederum wettbewerbliche Besonderheiten, aufgrund derer Dritte betroffen sein könnten, wie etwa andere Wettbewerbsunternehmen oder die kommunale Gebietskörperschaft. Die Entscheidung der BNetzA muss verbindlich gelten. Schließlich hat die BNetzA sogar die Befugnis zum Erlass und Durchsetzung vorläufiger Anordnungen.
Vor dem Zivilgericht findet dagegen nur ein Parteiverfahren statt und es gilt der Beibringungsgrundsatz, im Eilverfahren abgeschwächt durch die Glaubhaftmachung. Eine Sachentscheidung des Zivilgerichts würde materiell nur die Parteien binden, nicht aber sonstige Dritte wie etwa die BNetzA. Würde eine Entscheidung ergehen, müsste sie sich zudem an den beihilferechtlichen Maßstäben orientieren. Mit anderen Worten: Das Rechtsverhältnis über den offenen Zugang zum öffentlichen geförderten Netz nach § 155 TKG ist öffentlich-rechtlich determiniert.
Diese Entscheidung lässt sich im Zusammenhang mit weiteren jüngeren Entscheidungen sehen:
- Hier: Das Streitbeilegungsverfahren ist gegenüber zivilgerichtlichem Rechtsschutz vorrangig, da die BNetzA verbindlich entscheiden muss.
- Das Streitbeilegungsverfahren ist innerhalb der gesetzlich zwingenden Fristen abzuschließen, was die BNetzA organisatorisch sicherstellen muss. Ansonsten kann eine Untätigkeitsklage vor dem VG Köln erfolgreich sein.
- Die verbindliche Entscheidung der BNetzA im Streitbeilegungsverfahren muss umfassend und bestimmt sein. Die BNetzA muss über den Antrag “austenorieren”, wie das VG Köln in einem jüngeren Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz entschieden hat.