Vor eini­gen Wochen schon hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Köln die Bun­des­netz­agen­tur auf eine Untä­tig­keits­kla­ge hin ver­pflich­tet, über den Streit­bei­le­gungs­an­trag eines Unter­neh­mens zu ent­schei­den. Über das Urteil wird in der Bran­che zurecht berich­tet. Denn es bringt erheb­li­che Bewe­gung in die Debat­te, wie lan­ge sich die Bun­des­netz­agen­tur Zeit bei ihren Ent­schei­dun­gen las­sen kann.

Mitt­ler­wei­le ist das Urteil im Voll­text ver­füg­bar. Die deut­lichs­te Aus­sa­ge aus der Ent­schei­dung fin­det sich im ers­ten Leit­satz: “§ 212 Abs. 1 Satz 2 TKG begrün­det eine zwin­gen­de Ent­schei­dungs­frist, deren Ein­hal­tung die Bun­des­netz­agen­tur orga­ni­sa­to­risch sicher­zu­stel­len hat”.

Wir schau­en es uns hier auf die wich­tigs­ten Punk­te an:

Worum ging es? Streitbeilegungsverfahren über Full MVNO-Zugang zum Mobilfunknetz

Hin­ter­grund des Urteils ist ein Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren bei der Bun­des­netz­agen­tur. Am 6.4.2023 hat­te die Klä­ge­rin bei der Bun­des­netz­agen­tur einen ent­spre­chen­den Antrag gestellt. Im Ver­lauf des Ver­fah­rens pass­te die Klä­ge­rin ihre Anträ­ge an. Am 6.7.2023 teil­te die Beschluss­kam­mer der Bun­des­netz­agen­tur mit, dass sie die Ent­schei­dungs­frist bis zum 30.9.2023 ver­län­gert. Dies begrün­de­te sie zum einen mit den Antrags­an­pas­sun­gen. Zum ande­ren müss­te der Streit­ge­gen­stand mit den ande­ren Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten sinn­voll erör­tert wer­den. Am 8.8.2023 pass­te die Klä­ge­rin ihre Anträ­ge im Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren erneut an, wor­auf­hin die Beschluss­kam­mer die Ent­schei­dungs­frist erneut bis zum 30.11.2023 verlängerte.

In der Fol­ge kam es zu wei­te­ren Sach­stands­an­fra­gen, die jedoch erfolg­los blie­ben. Am 18.12.2024 hat die Klä­ge­rin Untä­tig­keits­kla­ge erho­ben. Der­ar­ti­ge Kla­gen zie­len dar­auf ab, eine Behör­de zu ver­pflich­ten, über einen Antrag zu beschei­den — also über­haupt zu entscheiden.

Der Anlass des Streit­bei­le­gungs­ver­fah­rens selbst liegt noch län­ger zurück. Die Bun­des­netz­agen­tur hat­te der Tele­fó­ni­ca in ihren Fre­quenz­zu­tei­lun­gen ein Ver­hand­lungs­ge­bot auf­er­legt. Die Klä­ge­rin ver­han­del­te in der Fol­ge erfolg­los mit der Tele­fó­ni­ca über einen soge­nann­ten Full MVNO-Zugang. Über die inhalt­li­chen Fra­gen die­ses begehr­ten Zugangs soll­te die Bun­des­netz­agen­tur entscheiden.

Wichtige Erkenntnisse aus dem Urteil des VG Köln

Für Untä­tig­keits­kla­gen gilt ein beson­de­rer Maß­stab in § 75 S. 1 und 2 VwGO. Die Behör­de muss ohne zurei­chen­den Grund in ange­mes­se­ner Frist nicht ent­schie­den haben. Min­des­tens muss regel­mä­ßig eine Drei­mo­nats­frist seit Antrag oder Ein­le­gung eines Wider­spruchs abge­war­tet wer­den. Aus­nah­men gel­ten bei beson­de­ren Umstän­den des Ein­zel­falls. Bei den Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren sieht § 212 Abs. 1 S. 2 TKG eine vier­mo­na­ti­ge Frist vor.

Das VG hat kei­ne Ein­wän­de gegen die Zuläs­sig­keit und weist hier­bei beson­ders auf das Rechts­schutz­be­dürf­nis bei einer der­ar­ti­gen Untä­tig­keits­kla­ge hin. Es sei 

in beson­ders gela­ger­ten Fäl­len, ins­be­son­de­re mit kom­ple­xen tech­ni­schen Sach­ver­hal­ten, nicht Auf­ga­be des Gerichts, ein „ste­cken­ge­blie­be­nes“ Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren in den Ein­zel­hei­ten durch­zu­füh­ren und im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren noch nicht behan­del­te kom­ple­xe Fra­gen erst­mals im gericht­li­chen Ver­fah­ren zu prü­fen.

Mit ande­ren Wor­ten weist die Kam­mer also dar­auf hin, dass es Auf­ga­be der Beschluss­kam­mer ist, das Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren im Rah­men sei­ner Befug­nis­se zügig durch­zu­füh­ren. Das außer­ge­richt­li­che Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren ist als for­ma­li­sier­tes Beschluss­kam­mer­ver­fah­ren aus­ge­stal­tet. Es sieht beson­de­re Ver­fah­rens­ga­ran­tien in einer “gerichts­ähn­li­chen Behand­lung” vor. Das Gericht darf die­ser Ent­schei­dung nicht vor­grei­fen, son­dern nur die Bun­des­netz­agen­tur zu einer Ent­schei­dung anhalten.

Mate­ri­ell steht der Klä­ge­rin ein Anspruch auf frist­ge­rech­te Beschei­dung zu. Die Ent­schei­dungs­frist war abge­lau­fen und es lagen kei­ne zurei­chen­den Grün­de für eine wei­te­re Ver­zö­ge­rung vor. Deut­lich weist das Gericht des­halb dar­auf hin, dass auch kei­ne gericht­li­che Nach­frist gemäß § 75 S. 3 VwGO in Betracht kommt. Zurei­chen­de Grün­de müs­sen mit der Rechts­ord­nung in Ein­klang ste­hen. Ein beson­de­rer Umfang und beson­de­re Schwie­rig­kei­ten der Sach­auf­klä­rung oder eine außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung der Behör­de stel­len zwar mög­li­che Grün­de dar, auf die nicht durch orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men kurz­fris­tig reagiert wer­den könne. 

Aller­dings kom­me es auf die tat­säch­li­chen Grün­de für die Ver­zö­ge­rung nicht an, wenn eine gesetz­li­che Ent­schei­dungs­frist nicht ein­ge­hal­ten wird. Dies ist der Fall bei § 212 Abs. 1 S. 2 TKG. Es fol­gen dann wich­ti­ge Aus­füh­run­gen zu der Ent­schei­dungs­frist im Streitbeilegungsverfahren:

  • [Rz. 73] Sinn und Zweck des Streit­bei­le­gungs­ver­fah­rens ist es, Mei­nungs­un­ter­schie­de zwi­schen den Unter­neh­men mög­lichst effi­zi­ent und – gera­de in drin­gen­den Fäl­len – ohne ver­meid­ba­ren Zeit­ver­lust beizulegen.
  • [Rz. 75] Aus den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben folgt ein Beschleu­ni­gungs­ge­bot. Art. 26 Abs. 1 S. 1 EECC nennt vier Mona­te als Höchs­frist und schreibt ansons­ten “in the shor­test pos­si­ble time-frame” vor.
  • [Rz. 76] Der deut­sche Gesetz­ge­ber hat hier nicht die Mög­lich­keit aus Art. 26 Abs. 1 S. 1 EECC wahr­ge­nom­men, Frist­ver­län­ge­run­gen für Aus­nah­me­si­tua­tio­nen vor­zu­se­hen. Dies ist allein gemäß § 149 Abs. 8 S. 1 TKG für die dort genann­ten Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren mög­lich [so auch das VG Köln in Rz. 82]. Auf­grund der Geset­zes­be­grün­dung geht das VG davon aus, dass der Gesetz­ge­ber bewusst auf eine Frist­ver­län­ge­rung ver­zich­tet hat. Es han­delt sich also nicht um eine plan­wid­ri­ge Geset­zes­lü­cke, die eine ana­lo­ge Frist­ver­län­ge­rungs­mög­lich­keit nahe­le­gen könn­te, son­dern um bered­tes Schweigen.
  • [Rz. 86] Der Ver­zicht auf eine Vor­ver­fah­ren und die Beschrän­kung des gericht­li­chen Ver­fah­rens auf eine Tat­sa­chen­in­stanz ent­spre­chen dem Beschleunigungsgedanken.
  • [Rz. 92] Die Bun­des­netz­agen­tur hat die Ein­hal­tung der zwin­gen­den Ent­schei­dungs­frist orga­ni­sa­to­risch sicherzustellen.

Die letz­te zitier­te Pas­sa­ge ist die wich­tigs­te Aus­sa­ge, die sich auch in dem einen Leit­satz wie­der­fin­det. Sie ent­fal­tet ihre beson­de­re Bedeu­tung mit der Aus­sa­ge, dass sich die Behör­de bei zwin­gen­den Fris­ten nicht auf Aus­nah­me­um­stän­de stüt­zen kann — bzw. darf. Sie muss auch in Aus­nah­me­fäl­len ent­schei­den. Die­se Fähig­keit muss die Behör­de durch ihre orga­ni­sa­to­ri­schen Maß­nah­men sicher­stel­len. Die­ses Argu­ment hat auch poli­ti­sche Bedeu­tung: Denn es lässt sich ange­sichts regel­mä­ßig ver­säum­ter Fris­ten in Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren die Fra­ge stel­len, ob die BNetzA orga­ni­sa­to­risch der­zeit über­haupt in der Lage ist, der­ar­ti­ge orga­ni­sa­to­ri­sche Sicher­stel­lun­gen vorzunehmen.

Die Ent­schei­dung ist dabei auch für die ande­ren Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren rele­vant. Die­se sehen zwar teil­wei­se die Mög­lich­keit zur Frist­ver­län­ge­rung vor. Jedoch ist auch die­se Mög­lich­keit beschränkt, sodass danach wie­der­um eine gesetz­li­che Ent­schei­dungs­frist gilt. Auch nach Ablauf der ein­ma­li­gen Ver­län­ge­rung etwa im Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren über eine Mit­nut­zung oder einen offe­nen Netz­zu­gang zu geför­der­ten Net­zen kommt also eine Untä­tig­keits­kla­ge in Betracht. Die­se Opti­on kann auch in lau­fen­den Ver­fah­ren gegen­über der Bun­des­netz­agen­tur deut­lich kom­mu­ni­ziert werden.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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