Ein paar spontane Gedanken zu den aktuellen Gesetzgebungsverfahren in den USA. Die FAZ berichtete darüber diese Tage ausführlich. In insgesamt fünf Vorschlägen für Gesetzesänderungen geht es im Wesentlichen um verschiedene Instrumente zur Regulierung der sogenannten Tech-Giganten – gelegentlich auch GAFA genannt. Zum Teil wurden die Vorschläge dabei zwischen den beiden großen Parteien im Abgeordnetenhaus abgestimmt vorgebracht. Es liegt also nahe, dass am Ende auch einige der durchaus revolutionären Vorhaben umgesetzt werden.
Vorangegangen war den Entwürfen eine Untersuchung im Abgeordnetenhaus, bei der unter anderem die Geschäftsführungen der betroffenen Konzerne angehört wurden, und dessen Abschlussbericht einen kritischen Blick auf diese warf. Die FAZ zitiert die Kritiker eines zu scharfen Vorgehens mit der Metapher, lieber mit dem Skalpell als der Kettensäge das Wettbewerbsrecht zu bearbeiten. Aber auch ein Skalpell schneidet tief, wie die Vorschläge zeigen.
Ending Platform Monopolies Act
Mit dem ersten aufgezählten Vorschlag sollen Interessenkonflikte auf Plattformen vermieden werden. Konkret geht es um Geschäftsmodelle, bei denen eine Plattform nicht lediglich Vermittler ist, sondern zusätzlich mit eigenen Interessen bei einer Gruppe vertreten ist, deren Interessen vermittelt werden. Es besteht dann zum einen die Gefahr, dass sich eine Plattform selbst bei der Vermittlung begünstigt. Das zeigt sich gelegentlich bei dem Vorwurf gegenüber Google oder anderen Suchmaschinen, sie würden konzerneigene Inhalte höher im Ranking darstellen als die von Marktbegleitern.
Hier wird das Instrument der strukturellen Separierung vorgeschlagen. Im Telekommunikationsrecht gibt es das bereits. Verkürzt bedeutet es, dass ein Konzern sich strukturell intern aufspaltet, um die wettbewerblichen Konflikte zu vermeiden. In der Folge soll es nach diesem Vorschlag auch behördliche Möglichkeiten zur sogenannten Zerschlagung geben. Wie diese aussehen, wird noch nicht klar.
Dieser Vorschlag zielt auf eine Vermeidung des Verdrängungsmissbrauchs durch eine Plattform auf dem Vermittlungsmarkt selbst ab.
American Innovation and Choice Online Act
Zum anderen könnte eine Plattform sich ein gesamtes Geschäft aneignen, das vorher von einer Nutzergruppe getragen wurde, und dadurch Wettbewerber verdrängen. Das wäre etwa denkbar bei einer Vermittlungsplattform für Medieninhalte, wenn die Plattform gleichzeitig selbst Inhalte produziert und dabei im Wettbewerb zu anderen Inhalteanbietern steht. Der Interessenkonflikt kann dann darin bestehen, dass die Plattform nicht mehr lediglich nach wettbewerblichen Prinzipien – Best Effort – vermittelt, sondern ihre eigenen Interessen voranstellt.
Dieses Voranstellen der Interessen klingt zunächst typisch für Plattformgeschäftsmodelle. Eine Plattform wählt die Struktur gerade deshalb aus, um Quersubventionierungen zu erreichen. Das wäre auch nach diesem Vorschlag weiterhin möglich. Die Plattform dürfte allerdings keine Maßnahmen ergreifen, die zu einer Verdrängung anderer Unternehmen führen.
Damit zielt dieser Vorschlag vor allem auf eine Verhinderung des Verdrängungsmissbrauchs auf einem von der Vermittlungsleistung unabhängigen Markt ab.
Platform Competition and Opportunity Act
Der dritte Vorschlag zielt weniger auf die Marktmachtmissbrauchskontrolle ab, als auf die Fusionskontrolle. Hier soll es Anpassungen bei der Beweislast geben. Nicht mehr nur die Behörde müsste die Untersagungsvoraussetzungen beweisen, dass also ein Zusammenschluss dem Wettbewerb schadet. Sondern auch die anmeldenden Unternehmen sollten hiernach beweisen, dass der jeweilige Zusammenschluss nicht dem Wettbewerb schade.
Datenübertragung
Digitale Plattformen sollen es Nutzern ermöglichen, ihre Daten zu anderen Diensten zu übertragen. Ein vergleichbares Gesetz gibt es in der EU mit der Datenportabilität als datenschutzrechtlichen Rechtsbehelf schon.
Hier wäre spannend zu sehen, ob der Vorschlag noch mehr als in Europa als wettbewerbliche Abhilfe gedacht ist. So wären Verschärfungen etwa bei der Mitwirkungspflicht der betreffenden Unternehmen oder bei der Durchsetzbarkeit denkbar.
In wettbewerbspolitischer Hinsicht würde dies einen sehr wesentlichen Aspekt aufgreifen. Grundlage der Marktmacht einiger digitaler Plattform können nämlich in besonderer Weise Netzwerkeffekte und Nutzerbindungen sein. Letztere könnten in starker Hinsicht als Lock-in-Effekte auftreten und Wettbewerb zwischen den Plattformen mindern. Es liegt deshalb nahe, dass diese strukturellen Phänomene der Plattformwirtschaft durch nutzerbezogene Rechtsbehelfe aufgefangen werden.
Höhere Gebühren bei der Fusionskontrolle
Schließlich sollen die Gebühren für die Prüfungen von Fusionen erhöht werden. Der Vorschlag hat keine hohe Bedeutung für die Digitalwirtschaft auf den ersten Blick. Er zeigt jedoch auch, dass es hier eine höhere Rechtfertigung für Gebührenbelastungen gibt. Das könnte für eine erwartete Zunahme an Anmeldungen sprechen und damit verbundener Verfahren. Ebenso könnte die Entwicklung des materiellen Rechtsrahmens im Kartellrecht die Befürchtung ausgelöst haben, dass für die freigebenden Stellen ein erhöhter Begründungsaufwand auftreten wird.