Wenn Breitbandförderverfahren durchgeführt werden, handelt es sich um einen empfindlichen staatlichen Eingriff in den Wettbewerb. Deshalb bestehen hohe rechtliche Hürden. Erst wenn diese eingehalten werden, ist ausnahmsweise ein staatlicher Eingriff zulässig. Eine dieser Hürden ist die ordnungsgemäße Durchführung eines transparenten, gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens im Rahmen einer wettbewerblichen Ausschreibung. Ein solches ist zwingend durchzuführen, nachdem für ein Förderprojekt die Förderfähigkeit festgestellt wurde.
Doch wann ist die Voraussetzung der Durchführung eines derartigen Auswahlverfahrens erfüllt? Diese Frage stellt sich bei einem Vorgehen, das einige Gebietskörperschaften für ein Betreibermodell wählten.1 Dabei haben diese einmalig bereits vor mehreren Jahren einen Netzbetreib für ihr gesamtes Gebiet ausgeschrieben und an ein einzelnes und immer dasselbe Unternehmen vergeben. Zeitlich danach wurden zahlreiche Verfahren nach der Weiße-Flecken- und der Graue-Flecken-Förderung eingeleitet. Sofern dabei eine Förderfähigkeit festgestellt wurde, halten die Gebietskörperschaften die bereits vorher durchgeführte einmalige Ausschreibung und Vergabe an ein Unternehmen für ausreichend. Es wird also kein neues Auswahlverfahren durchgeführt.
Um welche Fälle geht es?
Exemplarisch und leicht vereinfacht lässt sich dies wie folgt darstellen:
Im Ausgangsfall hat eine Kommune K im Jahr 2017 einen Netzbetrieb für ihr Gebiet ausgeschrieben und ein Unternehmen U hat diese Ausschreibung gewonnen. Im Jahr 2022 führt K ein Markterkundungsverfahren im Graue-Flecken-Programm durch und stellt dabei die Förderfähigkeit fest. K führt kein weiteres Auswahlverfahren durch, sondern vergibt den Netzbetrieb direkt an U. K ist der Meinung, dies reiche aus.
In einer Abwandlung zu diesem Fall hat K im Jahr 2017 mit U einen Netzbetriebsvertrag geschlossen, der sich als Rahmenvertrag auch für weitere Situationen übertragen lässt. Als K im Jahr 2022 dann für Teile seines Gebietes die Förderfähigkeit im Graue-Flecken-Programm feststellt, möchte K ein sich hierauf beziehendes weiteres Auswahlverfahren durchführen. Allerdings möchte K mit U nicht für jedes Förderprojekt einen neuen Vertrag abschließen, sondern auf den bereits im Jahr 2017 unterschriebenen Vertrag zurückgreifen.
Ist dieses Vorgehen rechtlich zulässig? — Nein!
Die Frage sollte sich bereits mit den maßgeblichen oben genannten Kriterien beantwortet haben. An diesem Vorgehen ist offensichtlich überhaupt nichts transparent, gleichberechtigt oder auch nur wettbewerblich. Der Begünstigte steht schon im Voraus fest. Andere Unternehmen haben in dem beschriebenen Beispiel also im Jahr 2022 keine Möglichkeit mehr zur Teilnahme an einem Auswahlverfahren. Sie können überhaupt kein Angebot abgeben.
Bei der Abwandlung ist es etwas anders. Hier sollen jeweils Auswahlverfahren in Bezug auf jedes konkrete neu festgestellte Förderprojekt stattfinden. Man kann dabei auf einen bereits bestehenden Netzbetriebsvertrag zurückgreifen, sofern dieser sich in seinen Regelungen auch auf das konkrete neue Förderprojekt bezieht und im Rahmen eines Auswahlverfahrens für jedes einzelne Förderprojekt ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn es sich um einen Rahmenvertrag handelt und die Regelungen schlicht übertragbar sind. Dann wäre der Abschluss weiterer Verträge eine überflüssige Förmelei, die keine Auswirkung auf die beihilferechtliche Beurteilung hat. Zwingend ist aber stets das jeweilige Auswahlverfahren, das sich auf den Fördergegenstand beziehen muss.
Was sind die rechtlichen Hintergründe?
Die Grundlage für derartige Fälle bildet das Beihilferecht. Für dieses gilt als zentrale Vorschrift Art. 107 Abs. 1 AEUV. Zusammenfassen lässt sich diese Vorschrift als Verbot einseitiger staatlicher Eingriffe in den Wettbewerb durch Begünstigungen bestimmter Unternehmen. Jede Breitbandförderung muss sich an dieser Vorschrift messen lassen. Ergänzend gelten die Regelungen in Art. 108 AEUV, wonach die Kommission maßgeblich über die Einhaltung des Beihilferechts wacht.
Da auf der anderen Seite bestimmte Zwecke durchaus gemeinnützig sein können, gibt es auch die Möglichkeit, staatliche Fördermaßnahmen ausnahmsweise zu erlauben. Hierfür bestehen verschiedene Förderrichtlinien sowie die EU-Breitbandleitlinien. Letztere wurden zuletzt noch einmal überarbeitet. Diese sehen die Regeln vor, unter denen eine staatliche Förderung ausnahmsweise zulässig ist und damit keine unzulässigen Zuwendungen im Sinne des Beihilferechts vorliegen.
Maßnahmen dürfen gemäß Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV nicht durchgeführt werden, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat. Dies ist etwa bei den deutschen Förderregelungen in der Gigabit-Rahmenregelung und der Gigabit-Richtlinie 2021 der Fall, die für den oben dargestellten Beispielfall gelten.
Zu diesen Regeln gehört auch die zwingende Durchführung eines Auswahlverfahrens.
Was sagen die Breitbandförderrichtlinien zum Auswahlverfahren?
An verschiedenen Stellen treffen die beihilferechtlichen Regelungen Aussagen zum Auswahlverfahren. Diese gebe ich jeweils mit redaktionellen Hervorhebungen zur besseren Veranschaulichung wieder.
EU-Breitbandleitlinien 2013
Den gesamten Text der EU-Breitbandleitlinien 2013 können Sie hier lesen. Hier finden Sie einen Auszug der beiden betreffenden Regelungen, die sehr deutlich in Bezug auf das Auswahlverfahren sind:
Randnummer (12) Vorteil: […]. Wenn der Beitrag des Staates nicht zu normalen Marktbedingungen bereitgestellt wird und folglich im Einklang mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers als staatliche Beihilfe einzustufen ist (siehe Randnummer (16)), wird durch das wettbewerbliche Auswahlverfahren sichergestellt, dass alle Beihilfen auf das für das jeweilige Vorhaben erforderliche Minimum beschränkt bleiben.[…]
Randnummer (78) lit. c) Wettbewerbliches Auswahlverfahren: Wenn Bewilligungsbehörden einen Drittbetreiber mit der Einrichtung und dem Betrieb einer geförderten Infrastruktur beauftragen wollen (96), so muss das betreffende Auswahlverfahren mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinien (97) im Einklang stehen. Die Ausschreibung gewährleistet Transparenz für alle Investoren, die beabsichtigen, ein Angebot für die Durchführung und/oder Verwaltung des betreffenden geförderten Projekts zu unterbreiten. Die gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Behandlung aller Bieter und objektive Beurteilungskriterien sind unverzichtbare Voraussetzungen. Durch wettbewerbliche Ausschreibungen können die Haushaltsaufwendungen und die potenzielle staatliche Beihilfe möglichst gering gehalten werden; gleichzeitig wird der selektive Charakter der Maßnahme insofern verringert, als die Wahl des Begünstigten nicht im Voraus feststeht (98). Die Mitgliedstaaten stellen ein transparentes Verfahren (99) und ein Wettbewerbsergebnis (100) sicher und nutzen eine eigens für das Auswahlverfahren eingerichtete, landesweite zentrale Website, auf der alle laufenden Ausschreibungen zu Breitbandbeihilfemaßnahmen veröffentlicht werden (101).
Gigabit-Rahmenregelung 2020
Der vollständige Text zur Gigabit-Rahmenregelung ist hier verfügbar. Die Vorschriften in der Gigabit-Rahmenregelung wurden bei der Kommission notifiziert und durch Beschluss freigegeben. Das bedeutet in konkreter Anwendung des Art. 108 AEUV, dass eine Maßnahme nur dann zulässig ist, wenn diese Vorschriften eingehalten werden. In Bezug auf das Auswahlverfahren sind diese Regelungen noch einmal deutlicher.
Schon aus der Präambel und ersten zitierten Vorschrift wird der systematische zeitliche Zusammenhang zwischen Markterkundungsverfahren und Auswahlverfahren als Teile der Breitbandförderung deutlich: Es ist stets zuerst ein Markterkundungsverfahren durchzuführen und erst danach kann ein Auswahlverfahren stattfinden. Das ergibt sich im Folgenden daraus, dass sich ein Auswahlverfahren auf einen konkreten Fördergegenstand beziehen muss. Bei einer vorweggenommenen Auswahl ist der Fördergegenstand zu dem Zeitpunkt jedoch unbekannt.
Präambel, S. 2: Ist die Maßnahme förderfähig, sind folgende Bedingungen an den Ausbau geknüpft:
- Ein wettbewerbliches Auswahlverfahren ist durchzuführen.
§ 4 Abs. 1: Vor Beginn eines Auswahlverfahrens nach §§ 5 – 7 ist ein Markterkundungsverfahren durchzuführen.
§ 4 Abs. 7: Soweit nach dem Markterkundungsverfahren festgestellt wird, dass keine Erschließung über den Markt erfolgt, kann nach Beendigung dieser Verfahren für diejenigen Gebiete oder Gebietsteile, für die kein privater Ausbau oder keine private Aufrüstung im Markterkundungsverfahren angezeigt wurde, ein Antrag auf Förderung gestellt werden. Das Ergebnis der Markterkundung darf zu Beginn des Auswahlverfahrens nicht älter als zwölf Monate sein.
§ 5 Abs. 2 S. 1: Die öffentliche Hand muss für die Förderung ein offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchführen. Die Veröffentlichung des Auswahlverfahrens muss auf einem zentralen Online-Portal der Bewilligungsbehörde erfolgen. Die Ausschreibungen müssen mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinie in Einklang stehen.
§ 5 Abs. 5: Die am Auswahlverfahren teilnehmenden Unternehmen müssen, soweit noch nicht erfolgt, bestehende eigene Infrastrukturen im Projektgebiet der zentralen Informationsstelle des Bundes zur Aufnahme in den Infrastrukturatlas mitteilen. Die Unternehmen erklären sich über das zentrale Online-Portal einverstanden, die vorhandenen Infrastrukturdaten im Infrastrukturatlas des Bundes sowie die dafür neu bereitgestellten Informationen zur Nutzung im Auswahlverfahren freizugeben und stimmen der Weitergabe dieser Information über Bestandsinfrastruktur an andere Bieter durch die Bewilligungsbehörde zu. Andere Bieter müssen die relevanten Informationen zu einem Zeitpunkt erhalten, der es ihnen ermöglicht, die betreffende Infrastruktur in ihr Angebot einzubeziehen.
§ 5 Abs. 6: Am Auswahlverfahren beteiligte Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen und denen eine Verpflichtung zur Gewährung von Zugangsleistungen auferlegt wurde, sind verpflichtet, auf Anfrage der Bewilligungsbehörde zur Planung einer Maßnahmenumsetzung im betreffenden Zielgebiet umfassend und zeitnah den Zugang zu den notwendigen Informationen unentgeltlich zu gewährleisten.
§ 5 Abs. 7: Auswahlkriterien und deren Gewichtung sind im Rahmen der Ausschreibung zu veröffentlichen und müssen anbieter- und technologieneutral formuliert werden. Die Technologieneutralität bezieht sich auf alle Teile des Netzes.
Gigabit-Richtlinie 2021
Den Text zur Gigabit-Richtlinie 2021 finden Sie hier vollständig. Auch die Gigabit-Richtlinie ist bei diesem Vorgehen konsequent. Aus ihrem Wortlaut wird noch etwas anderes deutlich, das sich bei einer vorweggenommenen Auswahl nicht umsetzen lässt: Das Auswahlverfahren muss sich auf Leistungen beziehen, die sich aus einem Fördergegenstand ergeben. Fördergegenstand ist danach entweder eine Wirtschaftlichkeitslückenförderung oder ein Betreibermodell. Beide Fälle setzen voraus, dass die Förderfähigkeit überhaupt schon festgestellt wurde. Es muss also klar sein, auf welchen Fördergegenstand sich ein Auswahlverfahren bezieht. Auch dies ist bei dem gewählten Vorgehen nicht möglich.
Ziff. 4.4.: Der Zuwendungsempfänger muss die Leistungen, die sich aus dem Fördergegenstand nach Nummer 3.1 (Wirtschaftlichkeitslückenförderung) und Nummer 3.2 (Betreibermodell) dieser Förderrichtlinie ergeben, in einem transparenten, wirtschaftlichen und diskriminierungsfreien Auswahlverfahren vergeben.
Ziff. 8 C 3.: Die Bewilligung in endgültiger Höhe erfolgt nach Durchführung des Auswahlverfahrens gemäß Nummer 4.4 dieser Richtlinie auf Basis des Ergebnisses dieses Verfahrens. Im Fall der Nummer 3.2 kann die Bewilligung in endgültiger Höhe erst erfolgen, wenn der Betrieb der zu errichtenden passiven Infrastruktur durch einen privatwirtschaftlichen Betreiber öffentlicher TK-Netze gesichert ist.
Ziff. 8 E 4.: Der Zuwendungsempfänger hat der Bewilligungsbehörde das Ergebnis des Auswahlverfahrens unverzüglich nach Erteilung des Zuschlags mitzuteilen.
Eine Anmerkung zum Schluss noch mit Bezug auf die letzte zitierte Regelung: Diese verlangt nicht, dass die Kommunen den Nachweis über Zeitpunkt und Ordnungsmäßigkeit des Auswahlverfahrens gegenüber dem Projektträger erbringen. Das wäre aber erforderlich, wie die dargestellte Fallgruppe zeigt. Die Fördermittelgeber bei Bund und Ländern könnten das Problem sicher eindämmen, wenn sie in ihren Förderbescheiden den Nachweis eines rechtlich ordenungsgemäß durchgeführten Auswahlverfahrens mit Bezug auf den jeweiligen Fördergegenstand verlangten. Dies ist aber gegenwärtig noch nicht der Fall, was wie gezeigt zu erheblichem Missbrauch einlädt.
- Es handelt sich um mehrere laufende Fälle aus meiner eigenen anwaltlichen Praxis, sodass ich hier auf eine Nennung verzichte.↩