Was ist eine Sektoruntersuchung?

In den letz­ten Mona­ten haben wir immer mal wie­der etwas von Sek­tor­un­ter­su­chun­gen gele­sen. So hat die EU-Kom­mis­si­on vor kur­zem bekannt gege­ben, dass sie eine Sek­tor­un­ter­su­chung im Bereich digi­ta­le Assis­ten­ten und Ver­brau­cher-IoT eröff­net hat. Das Bun­des­kar­tell­amt hat sei­nen Abschluss­be­richt für sei­ne Sek­tor­un­ter­su­chung Smart-TVs ver­öf­fent­licht. Was aber steckt dahin­ter? Wird jetzt regu­liert? Was kön­nen die Wett­be­werbs­be­hör­den mit der Sek­tor­un­ter­su­chung anstel­len und wel­che Befug­nis­se haben sie? Was müs­sen Unter­neh­men jetzt befürch­ten? Was kann man über­haupt erwarten?

Was ist der Zweck der Sektoruntersuchung?

Bei der Sek­tor­un­ter­su­chung han­delt es sich um ein sehr all­ge­mei­nes Ermitt­lungs­in­stru­ment. Es soll die Wett­be­werbs­be­hör­den in die Lage ver­set­zen, sich über bestimm­te Wirt­schafts­be­rei­che all­ge­mein zu infor­mie­ren und mög­li­che Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen zu ermit­teln. Es rich­tet sich nicht gegen kon­kre­te Unter­neh­men, ver­langt aber den Ver­dacht, dass in einem bestimm­ten Bereich wett­be­werbs­recht­lich nicht gewünsch­te Zustän­de bestehen.

Was wird bei der Sektoruntersuchung untersucht?

Anlass sind grund­sätz­lich nur mög­li­che Ver­stö­ße gegen die Wett­be­werbs­re­geln, etwa durch wett­be­werbs­schäd­li­che Prak­ti­ken, Preis­ab­spra­chen oder Geschäfts­be­din­gun­gen. Das deut­sche BKar­tA kann außer­dem gemäß § 32e Abs. 5 GWB auch bestimm­te mas­sen­haf­te Ver­stö­ße gegen ver­brau­cher­schutz­recht­li­che Vor­schrif­ten untersuchen.

Was ist ein Sektor?

Die Wett­be­werbs­be­hör­den kön­nen bei begrün­de­tem Anlass gan­ze Berei­che unter­su­chen. Der Unter­su­chungs­ge­gen­stand ist nicht genau fest­ge­legt, etwa wie der Markt bei den mate­ri­el­len Ver­bots­vor­schrif­ten. Hin­ter­grund ist der Zweck der Sek­tor­un­ter­su­chung, dass sich die Behör­den zunächst eine Über­sicht ver­schaf­fen kön­nen. Stellt sie in einem Sek­tor mög­li­che Ver­stö­ße fest, muss sich dies wie­der­um an den jeweils gel­ten­den Vor­schrif­ten ori­en­tie­ren. Das bedeu­tet für Unter­neh­men, dass sie im Rah­men einer Sek­tor­un­ter­su­chung befragt wer­den kön­nen, aber längst kein Ver­dacht eines kar­tell­rechts­wid­ri­gen Han­delns vorliegt.

Können mit der Sektoruntersuchung andere Interessen durchgesetzt werden?

Nein, da die Sek­tor­un­ter­su­chung allein dem Zweck dient, nega­ti­ve Ent­wick­lun­gen im Wett­be­werb auf­zu­de­cken. Pri­va­te Inter­es­sen oder ande­re öffent­li­che Inter­es­sen wie etwa Daten­schutz, Umwelt­schutz oder Sicher­heit kön­nen nicht allein unter­sucht wer­den. Aller­dings ist der Schutz­be­reich Wett­be­werb sehr weit. Alle mög­li­chen Umstän­de kön­nen damit auch Gegen­stand von Wett­be­werb sein. Erge­ben sich dann Anläs­se für zum Bei­spiel daten­be­zo­ge­ne Wett­be­werbs­nach­tei­le, ist auch eine Sek­tor­un­ter­su­chung wie­der mög­lich. Eine klei­ne Beson­der­heit besteht im deut­schen Kar­tell­recht mit der ver­brau­cher­recht­li­chen Sek­tor­un­ter­su­chung in § 32e Abs. 5 GWB. Danach kann das BKar­tA eine Sek­tor­un­ter­su­chung auch ein­lei­ten, wenn es den Ver­dacht erheb­li­cher, dau­er­haf­ter und wie­der­hol­ter Ver­stö­ße gegen ver­brau­cher­schutz­recht­li­che Vor­schrif­ten hat.

Was sind die Rechtsfolgen?

Die Ein­lei­tung einer Sek­tor­un­ter­su­chung bedeu­tet für betrof­fe­ne Unter­neh­men noch nicht, dass sie Adres­sa­ten von Unter­su­chun­gen sind. Aller­dings kön­nen die Behör­den bei ihnen die erfor­der­li­chen Unter­su­chun­gen durch­füh­ren. In die­sem Zusam­men­hang könn­ten Ver­stö­ße gegen das Wett­be­werbs­recht auf­ge­deckt wer­den. Dar­an kön­nen sich eigen­stän­di­ge Ver­fah­ren gegen Unter­neh­men anschließen.

Was passiert nach der Sektoruntersuchung?

Stellt die Wett­be­werbs­be­hör­de Ver­stö­ße gegen das gel­ten­de Kar­tell­recht fest, so kann sie eigen­stän­di­ge Ver­fah­ren ein­lei­ten. In ande­ren Fäl­len gibt sie Emp­feh­lun­gen an Unter­neh­men und Poli­tik. Grund­sätz­lich könn­ten auch Unter­neh­men selbst die Infor­ma­tio­nen aus einem Abschluss­be­richt für sich ver­wer­ten und ihre eige­nen Inter­es­sen durch­set­zen. Bei der ver­brau­cher­recht­li­chen Sek­tor­un­ter­su­chung ist jedoch gemäß § 32e Abs. 5 GWB der Anspruch auf Ersatz von lau­ter­keits­recht­li­chen Abmahn­kos­ten ausgeschlossen.

Müssen Unternehmen bei der Sektoruntersuchung mitwirken?

Grund­sätz­lich ja, soweit sie Adres­sa­ten recht­mä­ßi­ger Unter­su­chungs­maß­nah­men sind. Aller­dings gilt auch hier, dass Unter­neh­men sich nicht selbst belas­ten müs­sen. Eben­so kön­nen sie berech­tig­ten Schutz vor einer Auf­de­ckung sen­si­bler Infor­ma­tio­nen haben.

Können sich Unternehmen schützen?

Gegen eine Sek­tor­un­ter­su­chung selbst gibt es kei­nen Rechts­schutz. Jedoch kön­nen Unter­neh­men sich gegen Unter­su­chungs­maß­nah­men weh­ren. Die­se wären etwa rechts­wid­rig, wenn die zugrun­de­lie­gen­de Sek­tor­un­ter­su­chung rechts­wid­rig wäre. Denk­bar wäre etwa, dass offen­sicht­lich kein Anlass für wett­be­werb­li­che Beden­ken besteht, son­dern die Behör­de ande­re Inter­es­sen verfolgt.

Was wird sich im Bereich der Sektoruntersuchungen ändern?

Ins­ge­samt hat die Sek­tor­un­ter­su­chung an Bedeu­tung gewon­nen, weil mit ihr brei­tes Wis­sen erlangt wer­den kann. Damit lie­ßen sich ins­be­son­de­re in einem dyna­mi­schen Umfeld Ent­wick­lun­gen bes­ser vor­her­sa­gen oder ein­ord­nen. Die auf die­sem Wis­sen basie­ren­den Ent­schei­dun­gen könn­ten also tief­grün­di­ger oder schnel­ler getrof­fen wer­den. In Deutsch­land sol­len mit der 10. GWB-Novel­le nach aktu­el­lem Stand erwei­ter­te Ermitt­lungs­be­fug­nis­se wie Betre­tung ein­ge­räumt wer­den. Auf der euro­päi­schen Ebe­ne gibt es Über­le­gun­gen für ein „New Com­pe­ti­ti­on Tool“. Die­ses scheint ähn­lich zur Sek­tor­un­ter­su­chung, soll der Kom­mis­si­on jedoch auch mate­ri­el­le Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten eröffnen.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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