BGH: BKartA darf Facebook-Verfügung durchsetzen

Am Diens­tag war der Ver­hand­lungs­ter­min in der Sache Face­book gegen das BKar­tA. Etwas über­ra­schend für alle wur­de auf 16 Uhr nach­mit­tags die Ver­kün­dung einer Ent­schei­dung ange­setzt. Völ­lig über­ra­schend aber war dann der Inhalt die­ser Ent­schei­dung: Der Antrag auf Anord­nung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Beschwer­de gegen die Face­book-Ent­schei­dung wur­de abge­lehnt und der Beschluss des OLG Düs­sel­dorf hier­zu wur­de auf­ge­ho­ben. Das bedeu­tet, dass Face­book die­se Ver­fü­gung der Behör­de jetzt unmit­tel­bar umset­zen muss und nicht erst auf den Aus­gang sei­ner Beschwer­de war­ten darf, über die das OLG Düs­sel­dorf wei­ter­hin noch ent­schei­den muss. Das Beschwer­de­ver­fah­ren geht aber den­noch wei­ter. Dort wird die Recht­mä­ßig­keit der BKar­tA-Ent­schei­dung – nicht nur vor­läu­fig – geklärt.

Ich habe es ja immer schon gesagt…

Im Ergeb­nis stimm­te der BGH-Senat also dem BKar­tA zu. Was der BGH aber auch ent­schie­den hat, lässt sich bereits jetzt deut­lich sei­ner Pres­se­mit­tei­lung ent­neh­men:

Maß­geb­lich hier­für (Anm.: die Miss­brauchs­be­wer­tung des BKar­tA) ist nicht die vom Kar­tell­amt in der ange­foch­te­nen Ver­fü­gung in den Vor­der­grund gerück­te Fra­ge, ob die Ver­ar­bei­tung und Nut­zung von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten der Face­book-Nut­zer, die aus deren Nut­zung des Inter­nets außer­halb von face​book​.com und unab­hän­gig von einem Face­book-Log­in ent­ste­hen, mit den Vor­schrif­ten der Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung in Ein­klang steht.

Es kommt also nicht auf die Bewer­tung etwa­iger Ver­stö­ße gegen die DSGVO an. Die­se Dis­kus­si­on wur­de seit der Eröff­nung des Ver­fah­rens durch die Behör­de 2016 geführt, da sie sich damals sehr deut­lich auf die For­mel Markt­macht­miss­brauch durch Ver­stö­ße gegen das Daten­schutz­recht fest­ge­legt hat­te. Ich hat­te mich damals (noch unter altem Nach­na­men) auch aus­führ­lich in einem Auf­satz in der WRP dazu geäu­ßert. Dort hat­te ich das Vor­ge­hen der Behör­de bereits ange­zwei­felt und eine wett­be­werb­li­che Abwä­gung nach den geschütz­ten Inter­es­sen in den Raum gestellt. Dem hat sich nun auch der BGH-Senat ange­schlos­sen, indem er (so aus der PM ersicht­lich) auf die Fest­stel­lung nach­tei­li­ger Wir­kun­gen auf den betrof­fe­nen Märk­ten sowie eine Abwä­gung aller betei­lig­ten Inter­es­sen, die sich an der auf die Frei­heit des Wett­be­werbs gerich­te­ten Funk­ti­on des GWB ori­en­tie­ren, abstellt. In der Pres­se­mit­tei­lung dazu heißt es des­halb auch:

Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass Nut­zungs­be­din­gun­gen miss­bräuch­lich sind, die den pri­va­ten Face­book-Nut­zern kei­ne Wahl­mög­lich­keit lassen,

– ob sie das Netz­werk mit einer inten­si­ve­ren Per­so­na­li­sie­rung des Nut­zungs­er­leb­nis­ses ver­wen­den wol­len, die mit einem poten­ti­ell unbe­schränk­ten Zugriff auf Cha­rak­te­ris­ti­ka auch ihrer „Off-Facebook“-Internetnutzung durch Face­book ver­bun­den ist, oder

– ob sie sich nur mit einer Per­so­na­li­sie­rung ein­ver­stan­den erklä­ren wol­len, die auf den Daten beruht, die sie auf face​book​.com selbst preisgeben.

Die Dis­kus­si­on über die unmit­tel­ba­re Durch­set­zung des Daten­schutz­rechts mit­tels eines kar­tell­recht­li­chen Hebels dürf­te damit zunächst been­det sein. Die FAZ zitiert mich dazu mit einer kur­zen Ein­schät­zung. Die inhalt­li­chen Fra­gen vor dem OLG Düs­sel­dorf ste­hen noch aus. Denn der BGH konn­te nur über den vor­läu­fi­gen Rechts­schutz ent­schei­den und dabei ging es nur um mög­li­che ernst­haf­te Zwei­fel an der Recht­mä­ßig­keit der BKar­tA-Ent­schei­dung. Trotz des ande­ren Begrün­dungs­an­sat­zes ist also eine ähn­li­che Ent­schei­dung wei­ter­hin mög­lich und damit mit­tel­bar jeden­falls eine Bewer­tung der Datenverarbeitungspraktiken.

Was bedeutet diese Entscheidung?

Zunächst scheint es sich nur um eine aka­de­mi­sche Fra­ge zu han­deln: Soll es auf Ver­stö­ße gegen das Daten­schutz­recht ankom­men oder auf eine wett­be­werb­li­che Inter­es­sen­ab­wä­gung? Wie­so ist das maß­geb­lich, wenn das Ergeb­nis doch eh gleich ist? Es geht dabei um den ein­fa­chen Ein­wand gegen eine poli­tisch form­ba­re Rechts­durch­set­zung: Wenn das Daten­schutz­recht der Maß­stab sein soll­te, wird damit eine gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung zum wett­be­werb­li­chen Maß­stab gemacht. Was aber Wett­be­werb ist und wie die­ser abläuft, das ent­schei­den zunächst nur sei­ne Betei­lig­ten, also nicht der Staat. Erst wenn die­ser Wett­be­werbs­pro­zess gestört ist, greift das Kar­tell­recht ein. Der BGH befreit auch markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men mit sei­ner Aus­sa­ge von der Last, aus­ge­rech­net durch das Kar­tell­recht auf die Rück­sicht gegen­über der gesam­ten Rechts­ord­nung ver­pflich­tet zu wer­den. Dane­ben bie­tet die­ser Ansatz auch die Mög­lich­keit, über Inter­es­sen­ab­wä­gun­gen in kom­ple­xen Platt­form-Sach­ver­hal­ten adäqua­te Lösun­gen zu fin­den. Das bedeu­tet aber auch, dass die Miss­brauchs­ent­schei­dung noch ein­mal kon­ple­xer als vor­her wer­den kann.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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