Es ist nicht das erste Verfahren, denn bereits wenige Tage nach Inkrafttreten dieser neuen Vorschrift hat die Wettbewerbsbehörde bekannt gegeben, sie auch gegenüber Facebook anzuwenden. Nach einer heutigen Pressemitteilung hat sie gegenüber Amazon ein weiteres Verfahren eingeleitet. Besonders viel Informationen lassen sich aus der Meldung nicht ableiten. Es sieht aber ganz danach aus, als würde die Behörde den § 19a GWB genau für das anwenden, wozu er gedacht ist: bei wettbewerbsgefährdenden Verhaltensweisen früher einschreiten und tätig werden.
Was ist das Besondere?
Besonders ist an diesem Verfahren, dass es einen Hybrid zwischen kartellrechtlicher Aufsicht und Regulierung darstellt. So muss die Behörde in einem ersten Schritt die Regulierungsbedürftigkeit eines Unternehmens feststellen, bevor sie im zweiten Schritt konkrete Untersagungsverfügungen aussprechen kann. Besonders ist an diesem Verfahren aber, dass es nicht auf konkrete Verstöße gegen die sonstigen kartellrechtlichen Verbotsvorschriften ankommt. Stattdessen sind die Beispiele des § 19a Abs. 2 GWB rechtsfolgenbezogene Befugnisnormen, die eröffnet sind, wenn und soweit es sich um ein Unternehmen mit 1. überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb handelt, das 2. in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a tätig ist. Damit kann die Behörde also bereits unterhalb der Schwelle etwa der Marktmachtmissbrauchskontrolle oder des Verbots wettbewerbsbeschränkender koordinierter Maßnahmen eingreifen.
Warum gegenüber Amazon?
Das BKartA führt bereits Verfahren gegenüber Amazon, bei denen der Verdacht von Verstößen gegen die allgemeinen Verbotsvorschriften im Raum steht. So geht es zum einen um die Preissetzung auf der Plattform. Ein anderes Verfahren richtet sich gegen Vereinbarungen zwischen Amazon und Markenherstellern, Dritthändler auf der Plattform auszuschließen. In der Vergangenheit wurden auch die Geschäftsbedingungen gegenüber Händlern bereits einmal untersucht. Auf der europäischen Ebene untersucht die Kommission derweil, ob Amazon seinen Zugriff auf Retail-Daten der Händler missbräuchlich ausnutzt. Es erscheint naheliegend, dass hier das Bundeskartellamt das § 19a GWB-Verfahren auch zur Bündelung seiner Untersuchungen verwendet.
Wie geht es weiter und was kann man veranlassen?
Das Verfahren wird zwar durch eine Behörde geführt. Dennoch werden die Ergebnisse Auswirkungen auf Unternehmen haben. Denn zum einen liegt es nahe, dass Verfügungspunkte nach § 19a Abs. 2 GWB direkt betroffenen Unternehmen zugute kommen. So wären Maßnahmen hinsichtlich des Umgangs mit oder Zugangs zu Daten denkbar. Zum anderen könnte Amazon selbst Verpflichtungszusagen machen. Das wäre allein schon deshalb nicht unwahrscheinlich, weil dies immerhin eine eigenverantwortliche Steuerung der betrieblichen Vorgänge ohne Eingriffe der Behörde bedeuten würde.
Es kann sich deshalb auch für Unternehmen lohnen, sich mit eigenen Beiträgen in diesem Verfahren zu beteiligen. Das kann über Anträge auf Beiladung erfolgen. Das BKartA würde dann Stellungnahmen berücksichtigen. Mit diesen Stellungnahmen könnten Unternehmen also durch ihre Expertise oder weitere Tatsachen das Verfahren beeinflussen.