Vor weni­gen Mona­ten hat­te ich bereits dar­über berich­tet, dass beim EuGH der­zeit über die Aus­le­gung der soge­nann­ten Brüs­sel-Ia-Ver­ord­nung gestrit­ten wird. Es ging im Kern um eine Kla­ge des Hotels Wikin­ger­hof gegen­über boo​king​.com auf der Basis eines Kar­tell­rechts­ver­sto­ßes wegen miss­bräuch­li­cher Ver­trags­klau­seln. Die recht­li­che Pro­blem­stel­lung: Kommt es auf den Streit über einen Ver­trag an oder wegen uner­laub­ter Hand­lung? Je nach Aus­gang die­ser Vor­fra­ge kann die Platt­form ent­we­der in Deutsch­land ver­klagt wer­den oder aber die Kla­ge wäre in ihrem Sitz­land anzubringen.

Heu­te hat der EuGH die Frage ent­schie­den. Dem­nach kann in die­ser Kon­stel­la­ti­on boo​king​.com von dem Unter­neh­men in Deutsch­land ver­klagt wer­den. Die jewei­li­gen Anknüp­fungs­punk­te Ver­trag oder uner­laub­te Hand­lung sei­en auto­nom nach dem Rege­lungs­zweck der Brüs­sel-Ia-Ver­ord­nung aus­zu­le­gen. Hier­zu führt der EuGH aus:

[Rn. 32] Eine Kla­ge hat somit einen „Ver­trag oder Ansprü­che aus einem Ver­trag“ im Sin­ne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 zum Gegen­stand, wenn eine Aus­le­gung des Ver­trags zwi­schen dem Klä­ger und dem Beklag­ten uner­läss­lich erscheint, um zu klä­ren, ob das Ver­hal­ten, das der Klä­ger dem Beklag­ten vor­wirft, recht­mä­ßig oder viel­mehr wider­recht­lich ist […]. Dies ist u. a. der Fall bei einer Kla­ge, die auf den Bestim­mun­gen eines Ver­trags oder auf Rechts­vor­schrif­ten beruht, die auf­grund die­ses Ver­trags anwend­bar sind […].

Kommt es also auf eine Aus­le­gung des Ver­tra­ges an, so han­delt es sich um eine Kla­ge über einen Ver­trag oder Ansprü­che aus einem Ver­trag. Dage­gen anders ist dies bei Ansprü­chen wegen uner­laub­ter Handlung:

[Rn. 33] Beruft sich der Klä­ger in sei­ner Kla­ge­schrift hin­ge­gen auf die Regeln über die Haf­tung aus uner­laub­ter Hand­lung oder einer Hand­lung, die einer uner­laub­ten Hand­lung gleich­ge­stellt ist, d. h. auf einen Ver­stoß gegen eine gesetz­li­che Ver­pflich­tung, und erscheint es nicht uner­läss­lich, den Inhalt des mit dem Beklag­ten geschlos­se­nen Ver­trags zu prü­fen, um zu beur­tei­len, ob das die­sem vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten recht­mä­ßig oder rechts­wid­rig ist, da die­se Ver­pflich­tung des Beklag­ten unab­hän­gig von die­sem Ver­trag besteht, so bil­den eine uner­laub­te Hand­lung oder eine Hand­lung, die einer uner­laub­ten Hand­lung gleich­ge­stellt ist, oder Ansprü­che aus einer sol­chen Hand­lung den Gegen­stand der Kla­ge im Sin­ne von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012.

Bei Ansprü­chen aus uner­laub­ter Hand­lung kommt es dage­gen nicht auf die Aus­le­gung eines Ver­tra­ges an. So ist es auch im Kar­tell­recht. Die Ver­bots­vor­schrif­ten zum Markt­macht­miss­brauch beschrei­ben nicht den Inhalt eines Ver­tra­ges, son­dern sei­ne Gren­zen. Sei­ne Aus­le­gung ist dafür nicht not­wen­dig. Viel­mehr kommt es in die­sem Fall dar­auf an, ob die Platt­form ihre markt­be­herr­schen­de Stel­lung miss­braucht hat.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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