Gegen­über digi­ta­len Platt­for­men kön­nen kar­tell­recht­li­che Kon­tra­hie­rungs­zwän­ge durch­ge­setzt wer­den, wenn sie Adres­sa­ten des Markt­macht­miss­brauchs­ver­bots sind und ohne sach­li­che Recht­fer­ti­gung ein Geschäft ver­wei­gern. Das­sel­be gilt bei bereits bestehen­den Geschäfts­be­zie­hun­gen hin­sicht­lich ihrer Been­di­gung. So darf eine Platt­form etwa kei­ne Ver­käu­fer­kon­ten sper­ren, wenn dafür nicht ein sach­li­cher Grund besteht.

Repartierung bei fehlenden Kapazitäten

Was ist aber, wenn der sach­li­che Grund lau­tet, dass nicht hin­rei­chend Kapa­zi­tä­ten vor­han­den sind? Dann trifft das markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men eine Repar­tie­rungs­pflicht. Es muss die Nach­fra­ge gleich­mä­ßig erfül­len und darf ande­re Unter­neh­men nicht dis­kri­mi­nie­ren. Not­falls muss es nach fai­ren Maß­stä­ben losen, wes­sen Nach­fra­ge befrie­digt wird. Das kommt etwa bei man­gel­be­ding­ter Knapp­heit in Betracht.

Gilt das auch bei digi­ta­len Gütern? Die­se könn­ten schließ­lich grund­sätz­lich unbe­grenzt ver­füg­bar sein. Jeden­falls wenn man annimmt, dass Infor­ma­tio­nen nicht rival und nicht exklu­siv sind. Knapp­heit könn­te dann nicht bestehen. Das ist die vor­der­grün­di­ge Betrach­tung. Dahin­ter ste­cken jedoch Res­sour­cen, die auf phy­si­schen Grund­la­gen auf­bau­en, etwa Netz­werk­tech­nik oder Rechnerleistung.

Sonderfall zulässiges Verkehrsmanagement

Ist etwa auch Infor­ma­ti­ons­fluss Gegen­stand der Leis­tung, dann kann ein markt­be­herr­schen­des Unter­neh­men Maß­nah­men zur gleich­mä­ßi­gen Ver­tei­lung oder Durch­lei­tung ergrei­fen. Es dürf­te aber nicht ein­zel­ne Unter­neh­men ungleich behan­deln. Hier bestehen teil­wei­se sek­tor­spe­zi­fi­sche Rege­lun­gen, die dann Vor­rang vor dem Kar­tell­recht haben, wenn es um Daten­fluss geht. Ich hat­te dazu letz­tes Jahr etwas geschrie­ben, als ver­schie­de­ne Strea­ming-Anbie­ter den Ver­kehr in sei­ner Qua­li­tät und Daten­ra­te gedros­selt hat­ten. Dies war eine Reak­ti­on auf den erheb­lich gestie­ge­nen Daten­ver­kehr zu Beginn der Corona-Pandemie.

Dar­über hin­aus ist die kar­tell­recht­li­che Repar­tie­rung immer dann wie­der ein The­ma, wenn sich spe­zi­fi­sche Res­sour­cen oder Kapa­zi­tä­ten einer Nach­fra­ge zuord­nen las­sen. Und das kann auch bei digi­ta­len Platt­for­men der Fall sein. So könn­ten etwa mit einer Nach­fra­ge nach Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen Lager­ka­pa­zi­tä­ten ver­bun­den sind.

Künstliche Verknappung und Plattform-Umgestaltung

Und schließ­lich gel­ten die­se Grund­sät­ze auch bei einer künst­li­chen Ver­knap­pung der Kapa­zi­tä­ten. Das ist bei digi­ta­len Platt­for­men nicht ein­mal fern­lie­gend, wenn etwa Ver­brau­chern ein beson­ders qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ges Port­fo­lio an Leis­tun­gen einer ande­ren Nut­zer­grup­pe ver­mit­telt wer­den soll. Dann ist zunächst die Ver­knap­pungs­ent­schei­dung selbst kar­tell­recht­lich dar­auf über­prüf­bar, ob sie will­kürfrei erfolg­te. Hier besteht ein stark ein­ge­schränk­ter Ent­schei­dungs­spiel­raum des Unter­neh­mens, wenn es sei­ne Leis­tun­gen zuvor einer offe­nen Nut­zer­grup­pe gegen­über erbracht hat. Denn die Ver­knap­pung selbst kann dann ein Fall des Ver­drän­gungs­miss­brauchs sein, weil den Mit­glie­dern der Nut­zer­grup­pe der Zugang zu einem Ver­triebs­weg genom­men wird. Das bedeu­tet, dass eine Platt­form hier nicht mehr sich selbst den Markt vor­be­hal­ten darf, wenn sie die­sen erst einer Grup­pe gegen­über geöff­net hat. Dies kor­re­spon­diert mit dem Ver­bot der Selbstbegünstigung.

Die Platt­form kann auch kei­ne all­ge­mei­ne Ver­schlie­ßung mehr aus qua­li­ta­ti­ven Grün­den vor­neh­men. Denn in die­sem Fall käme das einem Aus­schluss bis­he­ri­ger Unter­neh­men gleich, der am Maß­stab einer sach­li­chen Recht­fer­ti­gung zu mes­sen ist. Damit sind nach­träg­li­che Ände­run­gen der Platt­form­struk­tur in die­sem Zusam­men­hang häu­fig nicht mehr oder nur mit einem sehr gro­ßen Auf­wand möglich.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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