Die EU-Kommission hatte im Mai 2024 den Betreiber der Hotelbuchungsplattform Booking.com als Torwächter designiert. Zuvor hatte das Unternehmen am 1.3.2024 der Kommission mitgeteilt, dass es möglicherweise als Gatekeeper nach dem DMA einzuordnen sei.
Was sind die Hintergründe dieser Designation?
Art. 3 DMA sieht ein Designationsverfahren vor. Im Rahmen dieses Verfahrens werden Unternehmen von der Kommission förmlich als Gatekeeper/Torwächter benannt. Die allgemeinen Kriterien sind in Art. 3 Abs. 1 DMA aufgeführt, wobei Art. 3 Abs. 2 DMA quantitative Vermutungsregeln enthält:
- Erstens muss ein Unternehmen erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt haben. Dies wird vermutet, sofern das Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten denselben zentralen Plattformdienst bereitstellt, bei einem Jahresumsatz von mindestens 7,5 Mrd. EUR in den vergangenen drei Geschäftsjahren oder einer Marktkapitalisierung bzw. einem Marktwert im vergangenen Geschäftsjahr von mindestens 75 Mrd. EUR.
- Zweitens muss das Unternehmen einen zentralen Plattformdienst bereitstellen, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient. Dies wird vermutet, wenn der bereitgestellte zentrale Plattformdienst im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 45 Mio. in der EU niedergelassene oder aufhältige monatlich aktive Endnutzer (MAU) hat sowie mindestens 10.000 in der EU niedergelassene jährlich aktive gewerbliche Nutzer (YACU).
- Drittens muss das Unternehmen hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehaben oder eine solche muss in naher Zukunft absehbar sein. Dies wird vermutet, wenn die vorhergehenden Nutzer-Schwellwerte in jedem der drei vergangenen Geschäftsjahre erreicht wurde.
Das Kriterium eines wichtigen Zugangstors zu Endnutzern für gewerbliche Nutzer stellt dabei gleichzeitig eine Möglichkeit dar, bestimmte Unternehmern vom Anwendungsbereich des DMA auszunehmen. So könnten sie gegenüber der Kommission vortragen, dass ihr Dienst zwar von zahlreichen Endnutzern genutzt würde, aber für gewerbliche Nutzer nicht bedeutend ist. Hierfür kann zwar der Schwellwert von 10.000 bereits eine gewisse Indikation darstellen. Gerade bei Märkten mit nur geringer Anbieterzahl aber hoher Nutzerzahl wäre jedoch trotzdem noch eine Einzelfallbetrachtung angebracht. Gemäß Art. 3 Abs. 9 DMA wird der zentrale Plattformdienst in dem Designationsbeschluss benannt, der für sich genommen als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient.
Welche Folgen hat die Designation als Gatekeeper?
Gemäß Art. 3 Abs. 10 DMA müssen designierte Torwächter die in den Artikeln 5, 6 und 7 DMA genannten Verpflichtungen spätestens sechs Monate später erfüllen, also ab November 2024. Die Vorschriften gelten als als solche bereits unmittelbar und müssen nicht mehr weiter aktiviert werden. In dem selben Sechsmonatszeitraum muss der benannte Torwächter gemäß Art. 11 Abs. 1 DMA einen Bericht vorlegen, in dem er ausführlich und transparent die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Einhaltung der Verpflichtungen aus den Artikeln 5, 6 und 7 DMA beschreibt. EIne nichtvertrauliche Zusammenfassung dieses Berichts muss der Torwächter zudem veröffentlichen und hierzu der Kommission einen Link bereitstellen. Sowohl den Bericht als auch die veröffentlichte Zusammenfassung muss er jährlich aktualisieren.
Für die Pflichten in Art. 6 und 7 DMA sieht Art. 8 Abs. 2 DMA einen sogenannten Regulierungsdialog vor, bei dem in der Form von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission die Maßnahmen festgelegt werden, die der betreffende Torwächter zu ergreifen hat. Für diese Regelungen besteht also noch ein gewisser Gestaltungsraum. Anders ist dies für die Pflichten in Art. 5 DMA.
Art. 5 Abs. 3 DMA sieht eine Regelung vor, die unmittelbar auch für Bestpreisklauseln gilt, wie sie auch Booking.com gegenüber Partner-Hotels vorsieht. Die Regelung verbietet es dem Torwächter, gewerbliche Nutzer daran zu hindern, Endnutzern dieselben Produkte oder Dienstleistungen über Online-Vermittlungsdienste Dritte oder über ihre eigenen direkten Online-Vertriebskanäle zu anderen Preisen oder Bedingungen anzubieten als über die Online-Vermittlungsdienste des Torwächters. Ergänzend gilt mit Art. 8 Abs. 1 S. 2 DMA ein besonderes Effektivitätsgebot und Art. 13 DMA sieht ein spezifisches Umgehungsverbot vor, das separat behördlich verfolgt werden kann. Der Anwendungsbereich ist damit denkbar weit und untersagt jegliche Paritätsbedingungen, wenn sie von Torwächtern eingesetzt werden. In der Praxis sind damit derartige Praktiken für Booking.com nicht mehr zulässig umsetzbar. Vor wenigen Wochen hatte zudem der EuGH klargestellt, dass auch auf der Basis des geltenden Kartellrechts Bestpreisklauseln (weite wie enge) keine notwendige Nebenabrede zur Erfüllung einer zulässigen Maßnahme darstellen.
Was sind die Unterschiede zum Kartellrecht?
Der DMA wurde unter anderem deshalb eingeführt, weil das klassische Kartellrecht als zu langsam empfunden wurde, um die spezifischen wettbewerblichen Probleme in der Digitalwirtschaft abzubilden. Die wirtschaftlichen Entwicklungen sind dort einfach sehr schnell. Behördliche und gerichtliche Verfahren dauern dagegen meistens sehr lange. Dabei lassen sich die meisten Plattform-Sachverhalte grundsätzlich auch mit dem geltenden Kartellrecht bewältigen. Der DMA dient hier auch der Beschleunigung sowie der Klarstellung. Seine Regelungen sind streckenweise sehr spezifisch. Außerdem gelten sie unmittelbar, sobald ein Gatekeeper designiert ist. Sie können auch privat durch betroffene Unternehmen durchgesetzt werden. Mittlerweile hat der deutsche Gesetzgeber hierfür zusätzliche Voraussetzungen für eine effektivere private Durchsetzung etwa bei Schadensersatzansprüchen geschaffen.
Im deutschen Kartellrecht wurde etwa zeitgleich zu der Diskussion über den DMA auch der § 19a GWB eingeführt. Dieser sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Auf der ersten Stufe können Unternehmen als solche mit marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb festgestellt werden. Die Kriterien für diese Feststellung sind qualitativ und weniger quantitativ wie beim DMA. Soweit eine derartige Feststellung verfügt wurde, kann das Bundeskartellamt in einem weiteren Verfahren dem Unternehmen zusätzliche Pflichten auferlegen. Sie gelten also nicht unmittelbar aufgrund der Benennung als Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung.