Die­se Woche war es end­lich mal wie­der soweit. Ich konn­te auf einer ech­ten Kon­fe­renz phy­sisch teil­neh­men. In Ber­lin fin­det gera­de der Euro­pean Data Sum­mit statt, den die Kon­rad Ade­nau­er Stif­tung jedes Jahr ver­an­stal­tet. Ich hat­te die gro­ße Ehre, als Panelist ein­ge­la­den wor­den zu sein. Es soll­te über das Ver­hält­nis zwi­schen Daten­schutz und Wettbewerb(-srecht) dis­ku­tiert wer­den. Ich schrei­be bewusst nicht von Daten­schutz­recht, auch wenn dies im Zusam­men­hang mit dem Face­book-Ver­fah­ren eine Rol­le spielt. Denn die Gewich­tung lag deut­li­cher noch ein­mal als sonst in die­sem Zusam­men­hang auf einem wett­be­werbs­po­li­ti­schen Aspekt, näm­lich wie man Daten­schutz an sich als wett­be­werb­li­chen Aspekt berück­sich­ten kann. Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer die­ser Run­de neben mir waren:

  • Simo­net­ta Vez­zo­so, Pro­fes­so­rin an der Uni Trento
  • Ioan­nis Lia­nos, Pro­fes­sor am Uni­ver­si­ty Col­lege Lon­don und Prä­si­dent der grie­chi­schen Wett­be­werbs­be­hör­de Επιτροπή Ανταγωνισμού
  • Ali­ne Blan­kertz, Daten­öko­no­min bei der Stif­tung Neue Verantwortung
  • Wolf­gang Ker­ber, Pro­fes­sor an der Uni Marburg

Die Dis­kus­si­on war trotz der sehr spä­ten Stun­de – es ging erst um ca. 21:30 Uhr los – sehr span­nend. Sie dreh­te sich auch um die span­nen­de Ent­schei­dung des BGH aus die­sem Som­mer, in der das Gericht das Vor­ge­hen des BKar­tA im Ergeb­nis bestä­tig­te, jedoch in der dog­ma­ti­schen Begrün­dung einen ande­ren Weg vor­gab. Die­ser führt jedoch im Ergeb­nis dazu, dass Daten­schutz als sol­cher – also nicht Daten­schutzrecht – wett­be­werb­lich sogar noch ein­mal bes­ser berück­sich­tigt wer­den kann.

Ange­spro­chen auf die Ent­schei­dung des BGH konn­te ich dazu drei kur­ze Punk­te los­wer­den: Ers­tens stim­me ich Ali­ne Blan­kertz in ihrem Paper „How Com­pe­ti­ti­on Impacts Data Pri­va­cy“ völ­lig zu, dass Daten­schutz im Wett­be­werb eine eigen­stän­di­ge – qua­li­ta­ti­ve – Bedeu­tung haben kann. Ent­spre­chend anders her­um könn­te Wett­be­werb eine Bedeu­tung im Daten­schutz­recht haben. Ent­spre­chend sinn­voll kann ein stär­ke­rer wett­be­werbs­po­li­ti­scher Ein­fluss im Daten­schutz­recht sein. Zwei­tens besteht dabei kein Wider­spruch zu dem BGH-Beschluss. Denn anders als dies noch teil­wei­se kol­por­tiert wird, hat der Senat die Scha­dens­theo­rie des BKar­tA nicht bestä­tigt, son­dern allein das Ergeb­nis. Das ist auch grund­sätz­lich so mög­lich. Dabei stellt er auf die Grund­rech­te ab, die bei der Fest­stel­lung des Miss­brauchs in die Abwä­gung mit ein­be­zo­gen wer­den müss­ten. Wie dies kon­kret zu erfol­gen hat, wird uns sicher die nächs­ten Jah­re noch öfters beschäf­ti­gen. Mei­ne Ein­schät­zung dazu aber ist, dass die Grund­rech­te mit ihrem objek­ti­ven Wert­ge­halt ein­be­zo­gen wer­den. Das bedeu­tet, dass sie nicht nur Abwehr­rech­te gegen­über dem Staat bil­den, son­dern auch objek­ti­ve Wert­vor­stel­lun­gen über grund­sätz­li­che Gerech­tig­keits­vor­stel­lun­gen ver­mit­teln. Die­se kön­nen bei der Aus­le­gung von Vor­schrif­ten berück­sich­tigt wer­den, die wie im Kar­tell­recht offe­ne Tat­be­stän­de beinhal­ten. Wel­che Grund­rech­te mit wel­chem Gehalt, wel­cher Gewich­tung und wie kon­kret abge­wo­gen wer­den kön­nen, macht die Tür zu zahl­rei­chen wei­te­ren Fra­ge­stel­lun­gen auf, an denen ich mich auch in mei­ner Dok­tor­ar­beit ver­su­che. Dies führ­te mich aber zum drit­ten Punkt. Denn direkt vor mir ging die Fra­ge des Mode­ra­tors Pencho Kuzev an Prof. Ker­ber, was denn sei, wenn die Pri­vat­nut­zer kei­ne Ent­schei­dung tref­fen woll­ten. Dies konn­te ich mir nicht ent­ge­hen las­sen: Wenn wir in der Abwä­gung die objek­ti­ve Wert­set­zungs­funk­ti­on der Grund­rech­te ein­be­zie­hen, kann auch eine Aus­sa­ge dazu getrof­fen wer­den, ob und wie Grund­rechts­trä­ger auf ihren Schutz ver­zich­ten kön­nen. Das könn­te in eine Rich­tung gehen, wie sie das BVerfG bereits in Ent­schei­dun­gen über Zwer­gen­weit­wurf oder Peep Shows behan­delt hat. Liegt hier viel­leicht sogar eine kar­tell­recht­li­che Lösung für das Pri­va­cy Para­dox versteckt?

Zusam­men­fas­sen lässt sich das so: Daten­schutz­recht und Kar­tell­recht soll­ten als Rechts­ma­te­ri­en grund­sätz­lich getrennt von­ein­an­der betrach­tet wer­den; es gibt jedoch tat­säch­li­che Wir­kun­gen, die jeweils über­lap­pen kön­nen und damit in bei­den Berei­chen nach den jewei­li­gen Regeln berück­sich­tigt wer­den kön­nen. Daten­schutz kann also als Wett­be­werbs­aspekt im Kar­tell­recht berück­sich­tigt wer­den und anders her­um kön­nen wett­be­werb­li­che Aspek­te gege­be­nen­falls bei der Anwen­dung ein­zel­ner daten­schutz­recht­li­cher Vor­schrif­ten berück­sich­tigt wer­den. Ers­te­res kann dazu füh­ren, dass die behörd­li­che Durch­set­zung des Kar­tell­rechts auch eine Wir­kung im Daten­schutz hat, die einer Durch­set­zung des Daten­schutz­rechts gleich­kommt. Im Eng­li­schen lässt sich das noch prä­gnan­ter for­mu­lie­ren mit pri­va­cy enforce­ment by effect, not by object.

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Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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