In diesem Beitrag habe ich einige der ganz wesentlichen und typischen Fragen zusammen gestellt, die sich immer mal wieder im Rahmen meiner Beratung zum Zugang zu Daten stellen. Sie sind eine lose Orientierung und sollen einen ersten Einstieg in das Thema ermöglichen.
Was ist Datenmacht?
Das Kartellrecht kennt den Begriff marktbeherrschende Stellung. Dieser ist etwa maßgeblich bei der Anwendung des Marktmachtmissbrauchsverbots. Ein Unternehmen kann selbst unmittelbar durch seine Inhaberschaft über bestimmte Daten gleichzeitig über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Das ist etwa der Fall, wenn allein dieses Unternehmen über die Daten verfügt und durch den Ausschluss anderer Unternehmen den Wettbewerb beeinträchtigen kann.
Spielen Daten auch sonst bei der Marktbeherrschung eine Rolle?
Auch mittelbar können die besonderen Zugriffsmöglichkeiten auf Daten und Vorsprünge bei der Verarbeitung eine marktbeherrschende Stellung begründen oder verstärken. Hierfür steht das Kriterium in § 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB, wonach der Zugang eines Unternehmens zu Daten eine Bedeutung für die Bewertung seiner Marktstellung haben kann. Es geht hierbei nicht um den Zugang, der zwangsweise gewährt werden könnte, sondern den wettbewerblichen Vorsprung.
Welche Daten sind wettbewerbsrelevant?
Das Kriterium in § 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist in seinem Wortlaut deutlich und bezieht nur wettbewerbsrelevante Daten ein. Aber auch ohne diesen Wortlaut könnten nur solche Daten berücksichtigt werden, die einem Unternehmen wegen ihrer Inhaberschaft oder eines Vorsprungs eine marktbeherrschende Stellung eröffnen. Sie müssten also als solche eine eigene wettbewerbliche Relevanz haben. Das kann etwa der Fall sein, wenn sie selbst nicht duplizierbar sind, also Exklusivität besteht. Bei nicht-exklusiven Daten käme es auf die wettbewerbliche Bedeutung des Zugriffs und Vorsprungs an.
Was ist die Anspruchsgrundlage beim kartellrechtlichen Zugang zu Daten?
Bislang gibt es keinen ausdrücklichen Zugangsanspruch zu Daten. Ein paar Klarstellungen hat der Gesetzgeber in der 10. GWB-Novelle aufgenommen. Diese betreffen aber lediglich die Verbotsvorschriften der Marktmachtmissbrauchskontrolle. Bei Verstößen gegen diese Verbote steht Betroffenen ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch gemäß § 33 Abs. 1 GWB zu. Das bedeutet, er kann etwa die Unterlassung einer missbräuchlichen Geschäftsverweigerung verlangen. Über diesen Weg kann damit ein Kontrahierungszwang durchgesetzt werden. Daneben kommen mittelbare Ansprüche im Rahmen von Abhilfeentscheidungen in Betracht. Diese können von Unternehmen selbst ergehen oder von den Kartellbehörden angeordnet werden. Auch im Rahmen von Entscheidungen nach § 19a Abs. 2 GWB könnten Direktansprüche durch das BKartA angeordnet werden. Und schließlich gibt es für einige Branchen sektorspezifische Zugangsansprüche.
Was ist die Essential Facilities Doctrine?
Hierbei handelt es sich um einen sehr alten Begründungsansatz zur Missbrauchskontrolle. Danach kann die Verweigerung eines Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung missbräuchlich sein. Voraussetzung ist, dass eine Einrichtung für die wettbewerbliche Tätigkeit erforderlich ist, die Zugangsverweigerung den Wettbewerb beeinträchtigt und es keine sachliche Rechtfertigung gibt. Die Essential Facilities Doctrine wurde ursprünglich bei physischen Einrichtungen wie etwa Eisenbahnbrücken, Häfen oder Netzwerken angewandt. In der europäischen Kartellrechtspraxis gibt es daneben eine stetige Praxis zu immateriellen Einrichtungen wie Immaterialgütern. Ein rechtliches Monopol ist dabei nicht erforderlich, sodass auch die bloße Inhaberschaft über (wettbewerblich relevante) Daten eine wesentliche Einrichtung darstellen kann. Einer meiner ersten Aufsätze dazu in der NZKart stellt diese Thematik recht prägnant dar (NZKart 2018, 217 ff.).
Was ist datenbezogene Abhängigkeit?
Gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 GWB sind die Verbote des Behinderungs- und des Diskriminierungsmissbrauchs auch bei sogenannter relativer Marktmacht anwendbar. Dabei handelt es sich um eine Verschärfung des deutschen Kartellrechts. Voraussetzung ist, dass ein Unternehmen von einem anderen derart abhängig ist, dass es keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten hat. Bereits bisher wäre unter dieser Vorschrift auch eine plattform- oder datenbedingte Abhängigkeit begründbar gewesen. In § 20 Abs. 1a S. 1 GWB wurde die datenbezogene Abhängigkeit mittlerweile klargestellt. Eine Abhängigkeit kann auch bestehen, wenn ein Unternehmen auf Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Damit können in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen nahezu sämtliche Datenbelieferungsansprüche abgebildet werden.
Darf das Unternehmen sich die Vermarktung selbst vorbehalten?
§ 20 Abs. 1a S. 3 GWB stellt es bereits für die relative Marktmacht dar, aber auch ansonsten gilt bei der Essential Facilities Doctrine, dass bei Bestehen der Voraussetzungen kein Einwand der Eigenvermarktung mehr gilt. Das bedeutet etwa, dass Unternehmen nicht mehr entscheiden dürfen, Daten grundsätzlich an niemanden herauszugeben.
Was ist mit der Privatautonomie?
Ist eine Geschäftsverweigerung missbräuchlich, so müssen die Daten herausgegeben werden. Das marktbeherrschende Unternehmen unterliegt dann einem Kontrahierungszwang. Dieser durchbricht die grundsätzliche Privatautonomie und kann notfalls sogar im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.
Was ist mit den Immaterialgüterrechten?
Gerade bei der Essential Facilities Doctrine kommt regelmäßig der Einwand, was dann noch von den eigentlichen gesetzlichen Schutzrechten übrig bleibt. Zudem ist es eine typische Eigenschaft bei Immaterialgüterrechten, dass ihr Inhaber anderen die Nutzung untersagen kann. Hier zeigt sich noch einmal der Ausnahmecharakter des kartellrechtlichen Kontrahierungszwangs. Wird durch die Untersagung Wettbewerb beschränkt und ist die Lizenzverweigerung missbräuchlich, bleibt nur noch die Durchsetzung des Kontrahierungszwangs.
Geht es nur um Googles Daten?
Immer wieder werden die großen Datensilos der vorwiegend US-amerikanischen digitalen Plattformen thematisiert. Sicher kann es sich bei diesen um wettbewerbliche Vorsprünge handeln. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es mehr auf andere Daten ankommt. Häufiger sind es nicht Datenmassen, sondern die Qualität ist maßgeblich.
Bedarf es einer vorherigen Geschäftsbeziehung?
Ein kartellrechtlicher Kontrahierungszwang setzt nicht voraus, dass zwischen den Unternehmen bereits zuvor eine Geschäftsbeziehung bestand. Zwar kann auch die Kündigung einer bisherigen Geschäftsbeziehung missbräuchlich sein. Darauf kommt es jedoch nicht stets an. So könnten Zugangsansprüche auch dahingehend umgesetzt werden, dass sich ein Unternehmen einen Neuzugang gewähren lässt und damit neuen Wettbewerb erschließt.
Was ist eine Erstbelieferung?
Auch wenn ein Unternehmen bislang niemandem den Zugang zu Daten eröffnet hat, kann es einen Kontrahierungszwang geben. Häufig ist betroffenen Unternehmen nicht klar, dass sie mögliche Datenzugangsansprüche durchsetzen könnten.
Muss der Zugangspetent ein neues Produkt anbieten?
Diese Voraussetzung geht auf die Essential Facilities Doctrine zurück. Missbräuchlich ist eine Geschäftsverweigerung insbesondere dann, wenn sie die Entwicklung neuen Wettbewerbs und neuer Angebote behindert. Dabei wird teilweise eng ein neues und definiertes Angebot verlangt. Dem lässt sich jedoch entgegen halten, dass auch ohne ein konkretes neues Angebot Wettbewerb beeinträchtigt sein kann.
Und wenn es auch ein Produkt ohne die Daten geben kann?
Bei diesem Einwand käme es darauf an, ob es wirklich eine wettbewerbliche Alternative gibt oder aber lediglich ein sogenanntes Minus besteht. In letzterem Fall würde ein Unternehmen zwar wirtschaftlich tätig, dennoch aber in seiner wettbewerblichen Entfaltung beeinträchtigt.
Darf das Unternehmen die Daten exklusiv nur bei einem anderen Unternehmen vorbehalten?
Soweit die Voraussetzungen des Kontrahierungszwangs bestehen, darf regelmäßig keine derartige Beschränkung auf ein Unternehmen vorgenommen werden. Dies könnte einen Diskriminierungsmissbrauch darstellen.
Wann kann ein Unternehmen den Zugang verweigern?
Ein Kontrahierungszwang besteht nicht, wenn ein Unternehmen eine sachliche Rechtfertigung hat. Gründe können bei Daten etwa das geltende materielle Datenschutzrecht mit seinen Verbotsvorschriften sein. Auch schädliches Vorverhalten des Betroffenen ist maßgeblich. Bei physischen Einrichtungen könnten Kapazitätsbeschränkungen zu einer Repartierung zwingen.
Darf der Dateninhaber ein Entgelt verlangen?
Ja, aber auch die Höhe des Entgeltes und die sonstigen Geschäftsbedingungen können dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot unterfallen. So kommen Behinderungsmaßnahmen auch bei vertraglichen Bedingungen oder Preisen in Betracht, die sich prohibitiv oder behindernd auf den Zugang zu Daten auswirken.
Welche Besonderheiten gelten beim Datenschutz?
Die geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften stellen in aller Regel eine sachliche Rechtfertigung dar, soweit sie sich auf personenbezogene Daten beziehen. Allerdings erscheint regelmäßig zweifelhaft, inwiefern Daten als Zugangsobjekt gleichzeitig wettbewerblich relevant und personenbezogen sind.
Was ist der Unterschied bei sektorspezifischen Zugangsansprüchen?
Sektorspezifische Zugangsansprüche sind regelmäßig als unmittelbare Leistungsansprüche ausgestaltet. Sie können deshalb direkt durchgesetzt werden, ohne den Umweg über den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nehmen zu müssen.
Was muss man für den Zugang unternehmen?
Grundsätzlich können betroffene Unternehmen sich direkt an das Unternehmen mit der Dateninhaberschaft wenden und um Zugang zu Daten bitten. Dies sollte auch mit einer Fristsetzung verbunden werden. Ein marktmächtiges Unternehmen wäre dann verpflichtet, ein Angebot auf Geschäftsabschluss vorzulegen. Dieses muss alle notwendigen Bedingungen enthalten, um den Vorwurf des Behinderungsmissbrauchs zu vermeiden. Das können je nach Konstellation dann sogar Schnittstellen oder diese betreffende Informationen sein. Allerdings können auch Mitwirkungspflichten der betroffenen Unternehmen bestehen.
Können auch die Behörden etwas unternehmen?
Die zuständigen Behörden können im Rahmen ihrer Befugnisse Abstellungsverfügungen erlassen. Diese können auch Anordnungen hinsichtlich des Zugangs zu Daten enthalten. Neue Befugnisse dahingehend ergeben sich aus der neuen Vorschrift des § 19a GWB. Das ist für betroffene Unternehmen aber nur dann hilfreich, wenn sie den Zugang dann auch durchsetzen können. Entsprechend lohnt es sich, die Behörde in einem Verfahren mit Stellungnahmen zu unterstützen oder Verfahren mit einer Beschwerde anzuregen.
Welche Bedingungen gelten für den Zugang?
Das marktmächtige Unternehmen muss den Zugang auf die Weise gewähren, dass es sich nicht missbräuchlich verhält. Das muss nicht zwingend die Weise bedeuten, die sich andere Unternehmen wünschen. Dennoch lohnt es sich, die Zugangsbedingungen zu untersuchen und notfalls Nachbesserungen zu verlangen. Aufgrund des Behinderungsmissbrauchsverbots kann sich ein weitreichender Kontrollrahmen ergeben, der etwa Preise, Bindungs‑, Haftungs- oder Gestaltungsrechte betrifft, aber auch die weitere Verfügung über die betreffenden Daten.
Muss der Zugangspetent mit negativen Folgen rechnen?
Wir der Zugang durchgesetzt, darf das marktmächtige Unternehmen dies nicht sanktionieren. Mehr noch, es gilt ein Schikaneverbot. Denn wenn es in der Lage wäre, betroffene Unternehmen für ihr Zugangsbegehren zu sanktionieren, könnte es sich erneut missbräuchlich verhalten. Für den Notfall sollten deshalb entsprechende Verhaltensweisen protokolliert werden.
Bestehen persönliche Risiken für Handelnde?
Gegenüber persönlich handelnden Personen könnten empfindliche Bußgelder durch die Behörden festgesetzt und vollstreckt werden. Zudem besteht die Möglichkeit von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung eines Kontrahierungszwangs.
Was für eine Kanzlei benötigt man zur Durchsetzung des Zugangs?
Es gibt einige wenige spezialisierte Kanzleien für Kartellrecht, die im Zusammenhang mit Kontrahierungszwang und dem Zugang zu Daten beraten. Eine Großkanzlei ist in den allermeisten Fällen nicht erforderlich, es sei denn es handelt sich um extrem umfangreiche Sachverhalte. Ich habe mich auf den Zugang zu Daten und weitere kartellrechtliche Sonderprobleme der Digitalindustrie spezialisiert und kann deshalb meine Beratung und Erfahrung auf einem sehr hohen Niveau anbieten.
Wo kann man mehr von mir über den Zugang zu Daten lesen?
Ich habe als einer der ersten in der deutschsprachigen Literatur zum Zugang zu Daten geschrieben. Sie finden von mir zahlreiche Fachbeiträge dazu in anerkannten Zeitschriften und Büchern. Hier ein kurzer Auszug:
– Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen
– Kommt (erst) mit dem GWB-Digitalisierungsgesetz der Zugang zu Daten?, Ri 2020, S. 76 – 81
– Juristische Perspektive von Marktmacht durch Daten, in: Specht, Louisa/Werry, Nikola/Werry, Susanne (Hrsg.), Handbuch Datenrecht und Digitalisierung, Berlin 2020, S. 779 – 820
– EuGH zum sektorspezifischen Zugangsanspruch zu Fahrzeug-Herstellerdaten, EuGH, Urt. v. 19.09.2019 – C 527/18, jurisPR-ITR 1/2020 Anm. 4
– Braucht es mehr materielles Kartellrecht für die Digitalwirtschaft?, ZWeR 2019, S. 154 – 191 [Peer Reviewed]
– Zugang zu Daten – Kartellrecht als Lösung?, GRUR Newsletter 2/2018
– Datenmacht und Zugang zu Daten, NZKart 2018, S. 217 – 222
– Datenzugangsverhältnis, FRAND und Wettbewerbsrecht, K&R 2018, S. 230 – 236
– Kartellrechtlicher Zugangsanspruch zu Daten nach der essential facilities doctrine, in: Hennemann, Moritz/Sattler, Andreas (Hrsg.), Immaterialgüter und Digitalisierung, Baden-Baden 2017, S. 73 – 87
– Daten und FRAND – Regulatorische Rahmenbedingungen von Datenzugangsverhältnissen, in: Taeger, Jürgen (Hrsg.), Recht 4.0 – Innovationen aus den rechtswissenschaftlichen Laboren, Edewecht 2017, S. 421 – 436
– Neues zu Big Data und Kartellrecht – Relevanz datenbasierter Geschäftsmodelle im europäischen und deutschen Kartellrecht, in: Blocher, Walter/Heckmann, Dirk/Zech, Herbert (Hrsg.), Jahresband IT-Recht, Köln 2017, S. 143 – 164
– Reichweite der Datenlieferungspflicht für den Infrastrukturatlas, Anmerkung zu: OVG Münster, Beschluss vom 7.1.2016 – 13 A 999/15, Juris PR-ITR 07/2016
– Porsche-Tuning, Anmerkung zu: BGH, Urteil vom 6.10.2015 – KZR 87/13, WRP 2016, S. 239 – 240