Die Kom­mis­si­on hat ers­te Ver­stö­ße gegen den DMA fest­ge­stellt und gegen­über Apple und Meta Buß­gel­der ver­hängt. Mehr dazu lesen Sie dazu in unse­rem Bei­trag.

Aber wie geht es jetzt wei­ter? Auf wel­che Wei­se kön­nen Betrof­fe­ne die­se Ent­schei­dun­gen für Ihre Zwe­cke nutzen?

Was sind die beiden Fälle?

Die ein­zel­nen Ver­fah­ren rich­ten sich gegen unter­schied­li­che Ver­stö­ße. Des­halb kön­nen auch die Fol­gen für Scha­dens­er­satz­an­sprü­che sehr unter­schied­lich sein. Die Ent­schei­dung gegen­über Apple betrifft die Ver­mark­tung alter­na­ti­ver Apps auf und neben dem App­s­to­re. Die Ent­schei­dung gegen­über Meta betrifft die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten.

Der Apple-Fall — Verhinderung von Steering

Das Buß­geld gegen­über Apple stützt sich auf einen Ver­stoß gegen Art. 5 Abs. 4 DMA, den die Kom­mis­si­on fest­ge­stellt hat. Nach der Vor­schrift sol­len alter­na­ti­ve App-Anbie­ter Mög­lich­kei­ten haben, ihre Ange­bo­te auch außer­halb des Platt­form-Öko­sys­tems zu ver­mark­ten. Der Gate­kee­per muss dies ermög­li­chen. Die­ser Ver­stoß soll laut der Pres­se­mit­tei­lung der Kom­mis­si­on noch anhal­ten und ist ent­spre­chend abzustellen.

Art. 5 Abs. 4 DMA lau­tet im Voll­text wie folgt:

(4) Der Tor­wäch­ter gibt gewerb­li­chen Nut­zern die Mög­lich­keit, Ange­bo­te gegen­über End­nut­zern, die über sei­nen zen­tra­len Platt­form­dienst oder über ande­re Kanä­le akqui­riert wur­den, kos­ten­los zu kom­mu­ni­zie­ren und zu bewer­ben – auch zu ande­ren Bedin­gun­gen – und mit die­sen End­nut­zern Ver­trä­ge zu schlie­ßen, unab­hän­gig davon, ob sie zu die­sem Zweck die zen­tra­len Platt­form­diens­te des Tor­wäch­ters nutzen.

Der Meta-Fall — verbotene Datenzusammenführung

Meta hat laut Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on über einen Zeit­raum vom März 2024 bis Novem­ber 2024 im Rah­men sei­nes dama­li­gen “Pay or Consent”-Werbemodells gegen Art. 5 Abs. 2 DMA ver­sto­ßen. Die­se Vor­schrift ver­bie­tet einem Gate­kee­per Daten­zu­sam­men­füh­run­gen ohne spe­zi­fi­sche Aus­wahl­mög­lich­keit und vor­he­ri­ge Ein­wil­li­gung. Im Novem­ber 2024 hat­te Meta ein neu­es Wer­be­mo­dell ein­ge­führt, auf das sich die aktu­el­le Ent­schei­dung noch nicht bezieht.

Die Ent­schei­dung greift ein auch kar­tell­recht­lich mitt­ler­wei­le abge­schlos­se­nes Kapi­tel auf, näm­lich die miss­bräuch­li­che Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten. Hier bestehen Über­schnei­dun­gen zwi­schen Markt­re­gu­lie­rung und Datenschutz.

Art. 5 Abs. 2 DMA lau­tet im Volltext:

(2) Der Tor­wäch­ter darf

a) per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten von End­nut­zern, die Diens­te Drit­ter nut­zen, wel­che zen­tra­le Platt­form­diens­te des Tor­wäch­ters in Anspruch neh­men, nicht zum Zweck des Betriebs von Online-Wer­be­diens­ten verarbeiten,

b) per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten aus dem betref­fen­den zen­tra­len Platt­form­dienst nicht mit per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten aus wei­te­ren zen­tra­len Platt­form­diens­ten oder aus ande­ren vom Tor­wäch­ter bereit­ge­stell­ten Diens­ten oder mit per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten aus Diens­ten Drit­ter zusammenführen,

c) per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten aus dem betref­fen­den zen­tra­len Platt­form­dienst nicht in ande­ren vom Tor­wäch­ter getrennt bereit­ge­stell­ten Diens­ten, ein­schließ­lich ande­rer zen­tra­ler Platt­form­diens­te, wei­ter­ver­wen­den und umge­kehrt und

d) End­nut­zer nicht in ande­ren Diens­ten des Tor­wäch­ters anmel­den, um per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten zusammenzuführen,

außer wenn dem End­nut­zer die spe­zi­fi­sche Wahl gege­ben wur­de und er im Sin­ne des Arti­kels 4 Num­mer 11 und des Arti­kels 7 der Ver­ord­nung (EU) 2016/679 ein­ge­wil­ligt hat.

Wur­de die für die Zwe­cke des Unter­ab­satz 1 gege­be­ne Ein­wil­li­gung vom End­nut­zer ver­wei­gert oder wider­ru­fen, so darf der Tor­wäch­ter sein Ersu­chen um Ein­wil­li­gung für den­sel­ben Zweck inner­halb eines Jah­res nicht mehr als ein­mal wiederholen.

Die­ser Absatz berührt nicht die Mög­lich­keit des Tor­wäch­ters, sich gege­be­nen­falls auf Arti­kel 6 Absatz 1 Buch­sta­ben c, d und e der Ver­ord­nung (EU) 2016/679 zu berufen.

Was regelt der DMA für das Private Enforcement?

Der DMA trifft selbst kei­ne unmit­tel­ba­ren Aus­sa­gen zu einer pri­va­ten Rechts­durch­set­zung. An ver­schie­de­nen Stel­len fin­den sich aller­dings Hin­wei­se auf das Effek­ti­vi­täts­ge­bot. Auch aus dem all­ge­mei­nen Euro­pa­recht ergibt sich die Pflicht zu einer wirk­sa­men Durch­set­zung des DMA.

Ich hat­te hier­zu vor eini­gen Jah­ren und noch vor Ein­füh­rung des DMA aus­führ­lich erläu­tert, dass eine pri­va­te Rechts­durch­set­zung wohl min­des­tens auf die Grund­sät­ze der Cou­ra­ge-Recht­spre­chung des EuGH gestützt wer­den müss­te. Hier ist die rele­van­te Pas­sa­ge im Volltext:

Die vol­le Wirk­sam­keit des Arti­kels 85 EG-Ver­trag und ins­be­son­de­re die prak­ti­sche Wirk­sam­keit des in Arti­kel 85 Absatz 1 aus­ge­spro­che­nen Ver­bots wären beein­träch­tigt, wenn nicht jeder­mann Ersatz des Scha­dens ver­lan­gen könn­te, der ihm durch einen Ver­trag, der den Wett­be­werb beschrän­ken oder ver­fäl­schen kann, oder durch ein ent­spre­chen­des Ver­hal­ten ent­stan­den ist.

EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C‑453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26

Wür­den also Betrof­fe­ne von Ver­stö­ßen gegen den DMA ihre Schä­den nicht wirk­sam durch­set­zen kön­nen, so wür­de auch die wirk­sa­me Durch­set­zung der Ver­ord­nung selbst beeinträchtigt.

Wonach richtet sich die private Rechtsdurchsetzung?

Der DMA sieht kei­ne eigen­stän­di­gen Anspruchs­grund­la­gen vor, son­dern ledig­lich zahl­rei­che Ver­bo­te und Gebo­te. Sie gel­ten unmit­tel­bar, da es sich um eine Ver­ord­nung han­delt. Betrof­fe­ne kön­nen die­se zivil­recht­lich und zivil­pro­zes­su­al durch­set­zen. Wel­che Regeln dafür jeweils gel­ten, rich­tet sich wie­der­um danach, wo die­se Betrof­fe­nen kla­gen kön­nen, also der inter­na­tio­na­len gericht­li­chen Zuständigkeit.

Wo findet die private Rechtsdurchsetzung statt?

Für die inter­na­tio­na­le gericht­li­che Zustän­dig­keit sieht der DMA eben­so kei­ne aus­drück­li­chen Regeln vor. Des­halb gel­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze, die sich aus der Brüs­sel-Ia-Ver­ord­nung erge­ben, auch EuGV­VO genannt. Für Ansprü­che aus uner­laub­ter Hand­lung trifft hier­zu Art. 7 Nr. 2 Brüs­sel-Ia-VO die Rege­lung, dass eine Kla­ge vor dem Gericht des Ortes erho­ben wer­den kann, in dem das schä­di­gen­de Ereig­nis ein­ge­tre­ten ist oder ein­zu­tre­ten droht.

Die Vor­schrift des Art. 7 Nr. 2 Brüs­sel-Ia-VO hier im Volltext:

Eine Per­son, die ihren Wohn­sitz im Hoheits­ge­biet eines Mit­glied­staats hat, kann in einem ande­ren Mit­glied­staat ver­klagt werden:

2. wenn eine uner­laub­te Hand­lung oder eine Hand­lung, die einer uner­laub­ten Hand­lung gleich­ge­stellt ist, oder wenn Ansprü­che aus einer sol­chen Hand­lung den Gegen­stand des Ver­fah­rens bil­den, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schä­di­gen­de Ereig­nis ein­ge­tre­ten ist oder ein­zu­tre­ten droht;

Für die Ver­bots­re­ge­lun­gen des DMA dürf­te dies hier ein­fach ein­tre­ten, sodass sich für die Ver­stö­ße gegen Art. 5 Abs. 2 DMA die gericht­li­che Zustän­dig­keit nach dem Ein­tritts­ort des schä­di­gen­den Ereig­nis­ses rich­tet. Das dürf­te wohl regel­mä­ßig der Sitz der jewei­li­gen Per­son sein. 

Schwie­ri­ger ist dies für die Gebots­re­ge­lun­gen des DMA. Deren Wort­laut sieht kei­ne uner­laub­ten Hand­lun­gen vor, son­dern gebo­te­ne Hand­lun­gen. Dies ist hier bei dem Art. 5 Abs. 4 DMA auch der Fall. Inso­fern dürf­te es sich aber um eine Hand­lung han­deln, die einer uner­laub­ten Hand­lung gleich­ge­stellt ist. Aller­dings ist nicht unwahr­schein­lich, dass sich Apple auf das Gegen­teil stüt­zen wird und die­se Fra­ge zunächst zur Klä­rung dem EuGH vor­ge­legt wird.

Was wäre die Anspruchsgrundlage im deutschen Recht?

Im deut­schen Recht wur­de die pri­va­te Rechts­durch­set­zung des DMA mit dem bereits bestehen­den Regime der pri­va­ten Kar­tell­rechts­durch­set­zung ver­knüpft. Es besteht ein weit­ge­hen­der Gleich­lauf, sodass die bis­he­ri­gen Regeln aus dem Kar­tell­recht anwend­bar sind. Das ergibt ein erheb­li­ches Trans­fer­po­ten­zi­al von Erfah­run­gen aus dem Kar­tell­scha­dens­er­satz­recht.

§ 33 Abs. 1 GWB sieht einen Besei­ti­gungs- und Unter­las­sungs­an­spruch bei Ver­stö­ßen gegen das Kar­tell­recht und Art. 5, 6 und 7 des DMA vor. Hier­an anknüp­fend regelt § 33a Abs. 1 GWB den Scha­dens­er­satz­an­spruch bei vor­sätz­li­chen oder fahr­läs­si­gen Ver­stö­ßen vor.

Wer sind mögliche Anspruchsberechtigte?

Einen mög­li­chen Scha­dens­er­satz gel­tend machen kön­nen die jewei­li­gen Betrof­fe­nen. Das sind bei dem fest­ge­stell­ten Ver­stoß Metas gegen Art. 5 Abs. 2 DMA die jewei­li­gen betrof­fe­nen Per­so­nen. Bereits aus der bestands­kräf­ti­gen Ent­schei­dung des BKar­tA aus dem Jahr 2019 sind Scha­dens­er­satz­an­sprü­che mög­lich. Für den Zeit­raum März bis Novem­ber 2024 jeden­falls ist ein DMA-Scha­dens­er­satz­an­spruch allen betrof­fe­nen Per­so­nen in Euro­pa mög­lich. Hier bie­ten sich auch Sam­mel­kla­gen an.

Der fest­ge­stell­te Ver­stoß von Apple gegen Art. 5 Abs. 4 DMA dürf­te einen mög­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch für gewerb­li­che Nut­zer begrün­den. Dar­über hin­aus stellt sich die Fra­ge, ob wei­te­re Per­so­nen betrof­fen sind. Dies lie­ße sich jeden­falls im Rah­men der Scha­dens­wei­ter­wäl­zung argu­men­tie­ren. Wenn näm­lich die hier erfass­ten App­an­bie­ter in ihrer Ver­mark­tung von Apps beschränkt wur­den, so könn­ten sich nicht nur deren Ver­mark­tungs­kos­ten erhö­hen, son­dern auch die ihrer Abneh­mer. Hier­zu trifft im deut­schen Recht § 33c GWB Regelungen.

Es wäre also auch mög­lich, dass sich wei­te­re Betrof­fe­ne, die nicht unmit­tel­bar Apps im App­s­to­re anbie­ten, auf ihnen ent­stan­de­ne Schä­den stüt­zen. Das könn­ten etwa Zah­lungs­an­bie­ter sein, die auf­grund von Stee­ring-Beschrän­kun­gen weni­ger Umsät­ze mit den betrof­fe­nen App­an­bie­tern hat­ten. Schließ­lich wären auch Fäl­le ähn­lich der Geschäfts­ver­wei­ge­rung denkbar.

Welche Anforderungen gelten für Beweise?

Im deut­schen Recht wur­den die fest­ge­stell­ten DMA-Ver­stö­ße in § 33b GWB auf­ge­nom­men. Die­se Vor­schrift sieht eine tat­be­stand­li­che Bin­dungs­wir­kung vor. Sie gilt bei bestands­kräf­ti­gen Fest­stel­lun­gen von Ver­stö­ßen durch die jewei­li­ge Wett­be­werbs­be­hör­de. Der Wort­laut sieht dies aus­drück­lich auch vor bei Fest­stel­lun­gen von DMA-Ver­stö­ßen durch die Kom­mis­si­on. Die tat­be­stand­li­che Bin­dungs­wir­kung bedeu­tet, dass das Gericht an die Fest­stel­lung des Ver­sto­ßes gebun­den ist, die­sen also als gege­ben anneh­men muss. 

Die Bestands­kraft fehlt, solan­ge ein Rechts­mit­tel anhän­gig ist. Unab­hän­gig davon kön­nen die Ent­schei­dun­gen auch als Pri­ma-Facie-Beweis­mit­tel her­an­ge­zo­gen werden.

Die Tat­be­stands­wir­kung erstreckt sich aller­dings allein auf den Ver­stoß, nicht auf die Fol­gen und einen Scha­den. Hier­zu gel­ten dann die Grund­sät­ze des Voll­be­wei­ses, zu denen der BGH in den letz­ten Jah­ren zahl­rei­che Ent­schei­dun­gen getrof­fen hat. Jeden­falls ein Null­scha­den dürf­te regel­mä­ßig nicht mehr so ein­fach nach­weis­bar sein.

Was hilft bei der Begründung des Schadensersatzes?

Bei der Begrün­dung des Scha­dens­er­sat­zes kön­nen foren­si­sche Daten­ana­ly­sen her­an­ge­zo­gen wer­den. Auch die Nut­zer­pro­to­kol­le sind rele­vant. Im Zusam­men­hang mit Art. 5 Abs. 2 DMA könn­ten vor­he­ri­ge Aus­kunfts­an­sprü­che der betrof­fe­nen Per­so­nen hilf­reich sein.

Dane­ben gel­ten im deut­schen Recht gemäß § 33g GWB eige­ne Regeln über die Her­aus­ga­be von Beweis­mit­teln und Ertei­lung von Aus­künf­ten zur Begrün­dung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen. Die­se kön­nen recht weit rei­chen und eine umfang­rei­che Dis­co­very ermög­li­chen. Zusätz­lich könn­ten sich betrof­fe­ne gewerb­li­che Unter­neh­men auf ein­zel­ne DMA-Vor­schrif­ten stüt­zen und ihre Daten­la­ge ver­bes­sern, etwa hin­sicht­lich von Werbedaten.

Was hilft bei der Vorbereitung von Schadensersatzklagen?

Hier eine ers­te Checkliste:

  • Früh­zei­ti­ge Dokumentation
  • Klä­rung Ansprech­part­ner und Rechtsberater
  • Siche­rung Daten­zu­gang, ggf. über Dis­co­very, ergän­zend nach DMA & DSGVO
  • Eige­ne Compliance
  • Risi­ko­ein­schät­zung und Strategie
  • Liti­ga­ti­on Funding

Wie können wir Ihnen helfen?

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

Weitere Artikel

Newsletter

Updates zum Kartell- und Telekommunikationsrecht