Seit einigen Wochen bereits gab es Berichte, dass die Kommission wohl erste Bußgelder wegen Verstößen gegen den Digital Markets Act verhängen würde. Jetzt hat die Kommission dies umgesetzt, wie sie heute in einer Pressemitteilung bekannt gab:
- Apple soll gegen die Anti-Steering-Regeln im DMA verstoßen haben. Deshalb wurde dem Unternehmen ein Bußgeld in Höhe von EUR 500 Mio. auferlegt.
- Meta soll gegen das Verbot der Datenzusammenführung verstoßen haben. Deshalb wurde dem Unternehmen ein Bußgeld in Höhe von EUR 200 Mio. auferlegt.
Beide Unternehmen müssen diese Entscheidung innerhalb von 60 Tagen umsetzen. Die Kommission kann zur Durchsetzung weitere Zwangsgelder erlassen. Vorausgegangen waren jeweils ein Verfahren der Kommission, welche diese am 25.3.2024 eingeleitet hatte. Im Sommer 2024 hatte die Kommission hierzu ihre vorläufige Rechtsauffassung mitgeteilt. In dem Verfahren gab es einen intensiven Diskurs zwischen Unternehmen und Behörde, in dem Einwände erörtert wurden.
Der Apple-Fall
Die Kommission stellte fest, dass Apple seiner Verpflichtung aus dem DMA zur Gestattung von sogenannten Steering-Maßnahmen nicht nachkomme. Danach sollen App-Anbieter ihre Kunden kostenlos über alternative Angebot außerhalb des Apple App-Stores informieren können, sie zu diesen Angeboten lenken und ihren dort einen Kauf ermöglichen. Dieses folgt aus Art. 5 Abs. 4 DMA, der die App-Anbieterseite schützt.
Nach den Feststellungen der Kommission können App-Anbieter aufgrund technischer Voreinstellungen die Vorteile alternativer Vertriebskanäle nicht in vollem Umfang nutzen. Es ist noch nicht ersichtlich, ob dahinter auch eine qualitative Aussage über das Efeektivitätsgebot des DMA steckt. Verbraucher werden weiterhin laut der Kommission über alternative und günstigere Angebote schlechter informiert, weil Apple derartige Informationen behindere.
Das Unternehmen wurde durch die Kommission dazu verpflichtet, die bestehenden technischen und wirtschaftlichen Beschränkungen für ein Steering zu unterlassen. Die Kommission weist darauf hin, dass auch Maßnahmen mit gleichem Ziel oder gleicher Wirkung davon erfasst sind. Das scheint jedenfalls auf die Abstellung des Verstoßes hin eine Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes einzuschließen.
Auf der App-Nutzerseite dagegen hat die Kommission laut einer weiteren Pressemitteilung von heute festgestellt, dass Apple hinreichende Wahlmöglichkeiten eröffnet. Dort wurde das Verfahren ohne Bußgeld eingestellt. Vorausgegangen war auch hier ein intensiver Dialog zwischen Unternehmen und Kommission, aufgrund dessen verschiedene Anpassungen vorgenommen wurden. Unter anderem ist es einfacher, den Standardbrowser zu verändern sowie verschiedene Standardeinstellungen im iOS anzupassen. Vorinstallierte Apps sollen zudem einfacher deinstalliert werden.
Der Meta-Fall
Das Bußgeld gegenüber Meta betrifft einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 DMA. Dieses beinhaltet ein sektorspezifisches Verbot der Datenzusammenführung. Erfasst sind verschiedene Maßnahmen. Erlaubt ist dies nur, wenn der Endnutzer spezifische Auswahlmöglichkeiten hat und zudem ausdrücklich in die Datenverarbeitung eingewilligt hat.
Die Kommission stellt hier voran, dass bei Fehlen einer Zustimmung der Endnutzer diesen eine weniger personalisierte, aber gleichwertige Alternative zur Verfügung stehen muss. Dies sieht die Kommission bei dem im November 2023 eingeführten Werbemodell “Pay or consent” nicht gegeben. Die Nutzer erhielten danach keine ausreichende spezifische Wahlmöglichkeit, da der Dienst mit weniger genutzen personenbezogenen Daten nicht mit dem Dienst für sogenannte personalisierte Werbung vergleichbar sei. Demnach könnten die Nutzer ihr Recht auf freie Zustimmung zu etwaigen Datenkombinationen nicht ausüben.
Für das neue im November 2024 eingeführte Werbemodell laufen die Ermittlungen derzeit noch. Dort verlangt die Kommission noch Nachweise zu den Auswirkungen dieser Änderungen. Das von der Kommission erlassene Bußgeld betrifft ausdrücklich nur den Zeitraum zwischen der Geltung des DMA ab März 2024 bis zur Einführung des neuen Werbemodells im November 2024. Entsprechend wirkt das Bußgeld für diesen Zeitraum von nur leicht über einem halben Jahr besonders intensiv.
Derartige Praktiken von Meta waren zuvor bereits kartellrechtlich betrachtet worden. Hier gilt aber eine Besonderheit: Das mittlerweile abgeschlossene Verfahren des BKartA betraf ausdrücklich nur einen Marktmachtmissbrauch für den deutschen Markt. Dort gilt also eine bestandskräftige Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes. Der DMA gilt aber unmittelbar für den gesamten europäischen Markt. Die Feststellung des Verstoßes erstreckt sich damit weit über den Anwendungsbereich der bisherigen kartellrechtlichen Verfügung des BKartA hinaus.
Schließlich stellte die Kommission laut der Pressemitteilung fest, dass sie den Online-Vermittlungsdienst Facebook Marketplace nicht mehr als unter den DMA fallend sieht. Dem ging ein vorheriger Antrag von Meta zur Überprüfung der Designation des Marketplace voraus. Die Kommission geht dabei davon aus, dass das Unternehmen weniger als 10.000 gewerbliche Nutzer hatte. Damit erreicht das Unternehmen für diesen zentralen Plattformdienst nicht mehr den Schwellwert nach Art. 3 Abs. 2 lit. b) DMA.
Einordnung: Nächste Phase der sektorspezifischen Plattformregulierung
Diese ersten Bußgeldentscheidungen zeigen, dass die Europäische Kommission den Digital Markets Act mit Entschlossenheit und Nachdruck anwendet. Dabei geht es nicht nur um die bloße Einhaltung formaler Vorgaben, sondern vor allem um die tatsächliche Wirkung auf Wettbewerb und Nutzerfreiheit. Mit der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie der „gleichwertigen Alternative“ oder der „Beeinträchtigung des Steering“ legt die Kommission den Fokus auf eine effektive und praxisnahe Umsetzung des DMA.
Für die kommenden Monate ist mit weiteren Verfahren und einer intensiven juristischen Auseinandersetzung zu rechnen. Diese werden maßgeblich prägen, wie der DMA sich in der Praxis etabliert und welche Spielräume Gatekeeper künftig haben. Die Entscheidungen signalisieren eine klare Neuausrichtung der Plattformregulierung hin zu einem dynamischen, durchsetzungsstarken Ordnungsrahmen, der den digitalen Binnenmarkt nachhaltig gestaltet. Gleichzeitig setzt die Kommission jetzt auch den Maßstab für die private Rechtsdurchsetzung. Betroffene Drittapp-Anbieter können jetzt gestützt auf die Feststellung einerseits die Umsetzung verlangen, andererseits Follow-on-Schadensersatzansprüche geltend machen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich für betroffene Unternehmen, die Entwicklungen genau zu beobachten und strategisch darauf zu reagieren. Eine frühzeitige juristische Begleitung ermöglicht es, regulatorische Handlungsspielräume optimal zu nutzen und eigene Ansprüche effektiv durchzusetzen.