Es ist bereits ein paar Mona­te her, da hat die ita­lie­ni­sche Wett­be­werbs­be­hör­de Goog­le ein Buß­geld in Höhe von über 100 Mio. EUR auf­er­legt. Hin­ter­grund ist ein Ver­stoß gegen das Markt­macht­miss­brauchs­ver­bot aus Art. 102 AUEV durch miss­bräuch­li­che Geschäfts­ver­wei­ge­rung. Die­ses Mal ging es aller­dings nicht um die Haupt­funk­tio­nen der Goog­le-Platt­form. Das betrof­fe­ne Unter­neh­men begehr­te Zugang zu Goo­gles Android Auto.

Begründung der Essential Facilities Doctrine

Die Ent­schei­dung ist aus einem Grund beson­ders inter­es­sant, der bei digi­ta­len Platt­for­men eine gewis­se zusätz­li­che Bedeu­tung gewinnt. Es geht dabei um die Grund­sät­ze, mit denen die Ent­schei­dung begrün­det wird. So wird die soge­nann­te Essen­ti­al Faci­li­ties Doc­tri­ne unter ande­rem damit erklärt, dass der Zugang zu der Ein­rich­tung not­wen­dig sei, um auf einem nach­ge­la­ger­ten Markt wirt­schaft­lich tätig zu wer­den und dass der Zugang für die­se Tätig­keit uner­läss­lich sei.

Die Kol­le­gen vom Blog Chil­ling‘ Com­pe­ti­ti­on haben dazu vor eini­ger Zeit ein­mal die Kri­tik geäu­ßert, dass mit die­sem Ansatz der Zugang zu einer uner­läss­li­chen Ein­rich­tung zu einem Zugang zu einer beque­men Ein­rich­tung wer­de, weil es gera­de kei­ne ein­fa­che­re Lösung gebe. So hät­te in die­sem Fall das nach­fra­gen­de Unter­neh­men wei­ter­hin die Mög­lich­keit, außer­halb von Android Auto über den regu­lä­ren App-Betrieb tätig zu wer­den. Goog­le wer­de aber durch die­se Ent­schei­dung gezwun­gen, sein Pro­dukt umzu­ge­stal­ten und jeden ver­lang­ten Zugang zu ermöglichen.

Missbrauch auch beim Angebotsdesign möglich

Ich sehe die­sen Kri­tik­punkt anders. Denn die Kri­te­ri­en der Essen­ti­al Faci­li­ties Doc­tri­ne sind eine Aus­for­mung des Miss­brauchs­ver­bots in der Recht­spre­chung. Sie stel­len sich damit als eine Form der miss­bräuch­li­chen Geschäfts­ver­wei­ge­rung dar, die wie­der­um eine Aus­prä­gung des Markt­macht­miss­brauchs­ver­bots ist. Die­ses hat jedoch kein Erfor­der­nis, dass es zu einem neu­en Pro­dukt auf einem dedi­zier­ten neu­en Markt kom­men muss. Viel­mehr reicht bereits die Wett­be­werbs­be­schrän­kung dadurch aus, dass ein markt­be­herr­schen­des Unter­neh­men sei­ne Stel­lung miss­bräuch­lich aus­übt. Ent­spre­chend weit­rei­chend greift auch das Markt­macht­miss­brauchs­ver­bot. Das sieht auch die ita­lie­ni­sche Wett­be­werbs­be­hör­de so, indem sie von einem Wett­be­werbs­raum spricht. Die­se Argu­men­ta­ti­on ergibt sich unmit­tel­bar aus den Grund­la­gen der kar­tell­recht­li­chen Verbotsvorschrift.

Das bedeu­tet also, dass nicht etwa stets der Zugang zu den Bedin­gun­gen gewährt wird, wie ihn das markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men bereit stellt. Viel­mehr sind auch die Bedin­gun­gen des Pro­dukt-Designs kar­tell­recht­lich über­prüf­bar. Das bedeu­tet, dass auch die Art und Wei­se der Geschäfts­be­din­gun­gen über­prüf­bar sind. Ich nen­ne das gele­gent­lich Minus-Maß­nah­men zur Geschäfts­ver­wei­ge­rung. Auch Gestal­tungs­maß­nah­men kön­nen miss­bräuch­lich sein.

Aller­dings muss man dabei auch die unter­neh­me­ri­schen Frei­heits­rechts des Unter­neh­mens ein­be­zie­hen, das sich miss­bräuch­lich ver­hal­ten haben soll. Die­sen Ansatz hat­te ich vor kur­zem bespro­chen, als es um die Fra­ge ging, ob Face­book auch nach selbst­ge­setz­ten Maß­stä­ben sper­ren darf und die­se Maß­stä­be unter­halb der Schwel­le der Straf­bar­keit lie­gen. Ja, weil auch Face­book ein Selbst­be­stim­mungs­recht über sei­ne Ange­bo­te und das Design hat. Die­ses Selbst­be­stim­mungs­recht ist aber durch das Kar­tell­recht und all­ge­mei­ne Geset­ze überprüfbar.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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