Kar­tell­recht­li­che Kla­gen im Rah­men der pri­va­ten Rechts­durch­set­zung sto­ßen im inter­na­tio­na­len Bereich regel­mä­ßig auf die Fra­ge der inter­na­tio­na­len Zustän­dig­keit. Dabei geht es dar­um, dass nicht in einem ande­ren Land hät­te geklagt wer­den müs­sen. Hier­zu hat der EuGH vor eini­gen Wochen eine inter­es­san­te neue Ent­schei­dung getrof­fen.

Gesetz­li­che Rege­lun­gen zur inter­na­tio­na­len Zustän­dig­keit bei kar­tell­recht­li­chen Fäl­len ent­hält unter ande­rem Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-Verordnung:

Eine Per­son, die ihren Wohn­sitz im Hoheits­ge­biet eines Mit­glied­staats hat, kann in einem ande­ren Mit­glied­staat ver­klagt werden:

[…]

2. wenn eine uner­laub­te Hand­lung oder eine Hand­lung, die einer uner­laub­ten Hand­lung gleich­ge­stellt ist, oder wenn Ansprü­che aus einer sol­chen Hand­lung den Gegen­stand des Ver­fah­rens bil­den, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schä­di­gen­de Ereig­nis ein­ge­tre­ten ist oder ein­zu­tre­ten droht;

[…]Art. 7 Nr. 2 VER­ORD­NUNG (EU) Nr. 1215/2012

Hin­ter­grund ist eine von der Kom­mis­si­on fest­ge­stell­te kar­tell­rechts­wid­ri­ge Abspra­che zwi­schen meh­re­ren Unter­neh­men. Ein spa­ni­sches Unter­neh­men kauf­te im kar­tell­be­las­te­ten Zeit­raum meh­re­re Lkw von Vol­vo und ver­lang­te hier­auf gestützt nun­mehr Scha­dens­er­satz. Vol­vo wehr­te sich dage­gen mit dem Ein­wand, die ursäch­li­che Abspra­che sei außer­halb Spa­ni­ens erfolgt, sodass die inter­na­tio­na­le Zustän­dig­keit in Spa­ni­en ent­fal­le. Unklar war dabei die inner­spa­ni­sche Zustän­dig­keits­ver­tei­lung. Inso­fern begehr­te das ange­ru­fe­ne Gericht vom EuGH die Aus­le­gung, ob durch die Brüs­sel-Ia-Ver­ord­nung eben­so die­se Zustän­dig­keits­re­geln fest­ge­legt werden.

Der deut­lich ant­wor­tet das Gericht dar­auf in Rand­zif­fer 33:

In Bezug auf die Fra­ge, wel­ches Gericht inner­halb eines auf die­se Wei­se bestimm­ten Mit­glied­staats zustän­dig ist, geht schon aus dem Wort­laut von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 her­vor, dass die­se Vor­schrift dem Gericht des­je­ni­gen Ortes, an dem der Scha­den ein­ge­tre­ten ist, direkt und unmit­tel­bar sowohl die inter­na­tio­na­le als auch die ört­li­che Zustän­dig­keit zuweist. 

Also nicht nur die inter­na­tio­na­le Zustän­dig­keit wird bestimmt, son­dern auch die ört­li­che Zustän­dig­keit. Das schließt nicht aus, ein bestimm­tes Gericht für die­se ört­li­che Zustän­dig­keit im Mit­glied­staat zu bestim­men. Gleich­zei­tig muss das Kri­te­ri­um zur ört­li­chen Bestim­mung iden­tisch zu der Ver­ord­nung sein.

Beim Kauf eines kar­tell­be­fan­ge­nen Gegen­stands ist das Gericht zustän­dig, in dem der Gegen­stand erwor­ben wur­de. Denn an die­sem Ort wird der kar­tell­rechts­wid­ri­ge Scha­den her­bei­ge­führt. Wer­den dage­gen meh­re­re kar­tell­be­fan­ge­ne Gegen­stän­den an meh­re­ren unter­schied­li­chen Orten erwor­ben, gilt der Zustän­dig­keits­ort des Unter­neh­mens­sit­zes des Betroffenen.

Was bedeu­tet die­se Ent­schei­dung etwa für digi­ta­le Fäl­le? Beim Zugang zu Daten oder Platt­for­men etwa kommt es auf die Bereit­stel­lung von Infor­ma­tio­nen an. Beim Bei­spiel etwa gesperr­ter Geschäfts­kun­den­kon­ten wer­den die­se an jedem Ort im Inter­net bereit­ge­stellt. Es han­delt sich inso­fern um ein klas­si­sches Inter­net­de­likt mit flie­gen­dem Gerichtsstand.

Über den Autor

Porträtbild von Dr. Sebastian Louven

Dr. Sebastian Louven

Ich bin seit 2016 selbstständiger Rechtsanwalt und berate vorwiegend zum Kartellrecht und Telekommunikationsrecht. Seit 2022 bin ich Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

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